China in der Armutsfalle?
Dkgitale Lösungen und private Initiativen sollen Linderung bringen
Mehr als 43 Millionen Menschen in China leben in entlegenen Dörfern am Rande des Existenzminiums. Nur jeder zweite Chinese hat Zugang zum Internet. 25 Prozent verfügen über kein sauberes Trinkwasser und keine Sanitäreinrichtungen. Die Überalterung schreitet voran, im Jahr 2040 wird knapp jeder dritte Chinese älter als 60 Jahre sein. Der Zuzug in die attraktiven Metropolen an der Ostküste ist ungebremst, doch die platzen schon jetzt aus allen Nähten.
„Das bevölkerungsreichste Land der Welt steht vor riesigen sozialpolitischen Herausforderungen“, warnt das Mercator Institut für Chinastudien (Merics) in Berlin. Immerhin, der chinesischen Regierung ist das bewusst: Der Abbau von Armut und Ungleichheiten sowie die Anhebung des Lebensstandards stehen auf der politischen Agenda oben. Das Ziel lautet, bis 2020 eine „mäßig wohlhabende Gesellschaft“zu sein.
Doch China ist groß, und so wird vieles zunächst auf lokaler Ebene nach dem „Versuch-und-Irrtum-Prinzip“ausprobiert. In einer neuen Studie stellt das Mercator Institut einige dieser Ansätze vor. Fazit: Es gibt Positivbeispiele in der Gesundheits-, Bildungsund Wohnungspolitik. Insgesamt wurden die Ausgaben für soziale Leistungen zwischen 2010 und 2016 jährlich um zehn Prozent erhöht. Gleichzeitig werden die ambitionierten Ziele der Zentralregierung konterkariert von korrupten Parteikadern vor Ort, die Geld in die eigene Tasche wirtschaften, und von lokalen Verwaltungen, denen die Mittel fehlen. Außerdem gelten als Erfolgs- und Beförderungsmaßstab vielerorts nach wie vor die Wachstumsraten und nicht der Ausbau von sozialen Dienstleistungen.
Geld fehlt unter anderem in der Gesundheitspolitik. Angesichts eines geringeren Wirtschaftswachstums und zunehmender Überalterung der Gesellschaft wird der Staat das Gesundheitssystem allein nicht unterhalten können, sondern ist auf private Investitionen etwa im Krankenhaussektor angewiesen. Parallel dazu muss es effizienter werden. So marschieren die Chinesen im Krankheitsfall gleich in die großen Hospitäler. Die Stadt Yichang belohnt deshalb diejenigen, die zunächst das Gesundheitszentrum in ihrer Gemeinde aufsuchen. Wer ohne Überweisung gleich im Krankenhaus erscheint, erhält nur 40 Prozent der Behandlungskosten erstattet.
Der von großer Armut geprägte Bezirk Huangzhong setzt vor allem auf den digitalen Austausch von Gesundheitsdaten zwischen lokalen Gesundheitszentren und Kliniken. Auch beim Thema Bildung spielt die digitale Wissensvermittlung eine immer größere Rolle – wobei dies im Land selbst noch wenig akzeptiert wird, weil für Chinesen Lernen bedeutet: Auswendiglernen.
In der Wohnungspolitik heißen die größten Herausforderungen mangelnder Platz und Kungeleien zwischen Stadtverwaltungen, Immobilienmaklern und Baufirmen, die die Preise künstlich in die Höhe treiben.
Ein Ziel hingegen, das die chinesische Regierung in jedem Fall erreichen wird, ist die Ausmerzung extremer Armut bis 2020. Zum Teil wird dies durch Zwangsumsiedlungen der Landbevölkerung in neu geschaffene Städte erreicht.