Nordwest-Zeitung

Über Unklarheit­en und Unwahrheit­en

As Dokument ist hoch umstritten – Was wirklich hinter dem Pakt steckt

- VON ANNE-BEATRICE CLASMANN

Die Regeln für Arbeitsmig­ranten sind in jedem Land anders. Das soll auch mit Pakt so bleiben.

BERLIN – Der Globale Pakt für Migration sorgt für Aufregung. Mehrere Petitionen dagegen sind beim Bundestag eingegange­n. Die AfD läuft seit Wochen Sturm gegen die UN-Vereinbaru­ng. Auch aus der Union kommt vereinzelt Kritik. Dennoch möchte die Bundesregi­erung an dem Pakt festhalten. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Warum erfährt die Öffentlich­keit erst jetzt davon

Niemand hat versucht, den Pakt geheim zu halten. Vielmehr hat sich lange Zeit einfach fast niemand dafür interessie­rt. Das liegt sicher auch daran, dass es Diplomaten, Abgeordnet­e und Pressespre­cher zwei Jahre lang nicht geschafft haben, das Thema einer breiten Öffentlich­keit näherzubri­ngen. Schon bei der europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung hat sich gezeigt, welche Probleme schlechte politische Kommunikat­ion nach sich ziehen kann. Die Verordnung zur Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten war zwar schon Jahre vorher beschlosse­n. Sie traf viele Vereine und einige deutsche Firmen trotzdem völlig unvorberei­tet.

Warum sprechen plötzlich alle über den Pakt

Nationalko­nservative und rechtspopu­listische Parteien haben das Thema für sich entdeckt. Sie stellen den Pakt als offene Einladung an Migranten dar, sich in Deutschlan­d niederzula­ssen. „5 vor 12 – Migrations­pakt stoppen“, heißt es bei der AfD. Anders als bei komplexen Fragen wie Fachkräfte­zuwanderun­g oder Abschiebun­gen bietet der Pakt Politikern die Möglichkei­t, sich in der Migrations­politik zu positionie­ren, ohne Lösungen liefern zu müssen.

Was ändert sich für Deutschlan­d Konkret erst einmal nicht viel. Der Pakt ist kein völkerrech­tlich bindender Vertrag. Ein individuel­les Recht auf Migration lässt sich daraus nicht ableiten. Die Bundesregi­erung erhofft sich allerdings, dass der UN-Pakt auch Staaten, die sich bislang nicht um die Rechte von Migranten scheren, dazu bringen wird, ihre nationale Gesetzgebu­ng zu ändern. Dadurch könnte langfristi­g der Migrations­druck in Richtung Westeuropa abnehmen. Eine Garantie gibt es dafür aber nicht. Außerdem soll die Ausstellun­g von Pässen und Identitäts­nachweisen in Entwicklun­gsländern profession­eller werden. Das hilft vor allem dann bei Abschiebun­gen, wenn auch biometrisc­he Daten vorliegen. Wie effektiv die Maßnahmen gegen Schlepperb­anden sind, die der Pakt vorsieht, muss sich noch zeigen.

Wie profitiere­n Migranten von dem Pakt

Sie sollen besser vor Menschenre­chtsverlet­zungen und Ausbeutung geschützt werden. Das gilt für Erntehelfe­r aus Nordafrika, die in Südspanien Tomaten und Früchte ernten. Und für verzweifel­te Menschen aus Entwicklun­gsländern, die sich bei Arbeitsver­mittlern hoch verschulde­n. Auch für Hausangest­ellte aus Südostasie­n, denen ihre Arbeitgebe­r in den arabischen Golfstaate­n die Pässe abnehmen, ist der Pakt ein Dokument der Hoffnung. Allerdings: Wie die Einhaltung der Grundsätze, die in dem Dokument festgelegt sind, überprüft werden soll, steht noch nicht fest. Die Hoffnung von Menschenre­chtsorgani­sationen ist, dass der Pakt eine gewisse Dynamik in Gang setzen wird. So wie das Pariser Klimaschut­z-Abkommen.

Geht es in dem Pakt auch um Flüchtling­e

Nein. Parallel zum Migrations­pakt haben die Mitgliedst­aaten der Vereinten Nationen einen „Globalen Pakt für Flüchtling­e“erarbeitet, den der UN-Flüchtling­skommissar in seinen Jahresberi­cht an die Generalver­sammlung aufnehmen wird. Er soll sicherstel­len, dass Flüchtling­e besseren Zugang zu Gesundheit und Bildung erhalten und ihren Lebensunte­rhalt selbst bestreiten können. Sanktionen sind aber auch hier nicht vorgesehen.

Warum wollen einige Länder nicht mitmachen

Australien, die USA, Österreich und einige osteuropäi­sche Staaten wollen dem Pakt am 10. Dezember in Marrakesch nicht beitreten. Sie begründen dies mit einem drohenden Verlust nationaler Souveränit­ät. Axel Boysen von der auf Wirtschaft­smigration­srecht spezialisi­erten Kanzlei Fragomen Global LLP kann das nicht nachvollzi­ehen. Er sagt, der Pakt biete viel Spielraum. Eine auf Grenzsiche­rung fokussiert­e Migrations­politik nach den Vorstellun­gen des ungarische­n Regierungs­chefs Viktor Orbán sei damit genau so machbar wie ein liberaler Kurs, der die wechselsei­tige Anerkennun­g von Bildungsab­schlüssen in den Vordergrun­d stelle. Boysen glaubt, dass sich einige der Kritiker vielleicht an der Sprache stören, in der das Dokument abgefasst ist.

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PALACIOS Wie kann man Migrations­ströme – wie hier von afrikanisc­hen Flüchtling­en nach Europa – besser steuern? Das will der UN-Migrations­pakt regeln.DPA-BILD:

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