Nordwest-Zeitung

Schach-Szene sucht Zugpferd

Deutscher Verband wünscht sich Verhältnis­se wie in Norwegen

- VON PIRMIN CLOSSE

Rund 90 000 Menschen spielen in Deutschlan­d Schach im Verein. Ein 14-Jähriger könnte der große Star werden.

FRANKFURT – Lenn Magnus Carlsen (27) im Kampf um die Krone der Schachwelt derzeit die Steine übers Brett schiebt, verfolgt halb Norwegen das Geschehen. Das Fernsehen überträgt live, die Zeitungen und Internet-Medien sind voll von Geschichte­n über sein WM-Duell mit Fabiano Caruana (26/USA). Carlsen ist in seiner Heimat ein Superstar. Ein Aushängesc­hild des Schachspor­ts, wie man es sich auch in Deutschlan­d wünscht.

„Es ist natürlich unser Ziel, einen deutschen Magnus Carlsen hervorzubr­ingen“, sagt Marcus Fenner, Geschäftsf­ührer des Deutschen Schachbund­es: „Was ein solcher Spieler für den Schachspor­t bewirken kann, hat man in Norwegen gesehen.“Doch obwohl man hierzuland­e über eine äußerst aktive Szene verfügt und die Bundesliga als stärkste Liga der Welt gilt, fehlt ein absoluter Spitzenspi­eler – noch. Es sei natürlich „immer schwer, solche Ausnahmeer­scheinunge­n vorherzusa­gen“, sagt Fenner: „Aber wir haben da einen. Er ist ein großer Hoffnungst­räger.“

Gemeint ist der gerade 14 Jahre alt gewordene Vincent Keymer aus Mainz. Im Frühjahr gewann er sensatione­ll die Grenke Open in Karlsruhe, Vincent Keymer (14) gilt als groYes Schach-Talent. Ob er es bis in die Weltspitze schafft, ist allerdings – wie auch bei Talenten in anderen Bereichen – offen.

ein Turnier mit etlichen internatio­nalen Spitzenspi­elern. Sein Spielnivea­u war dabei auf dem gleichen Level, wie es einst beim 13-jährigen Magnus Carlsen war.

Eine letzte Norm fehlt dem Deutschen noch, um als zweitjüngs­ter Europäer nach Carlsen den Titel des Großmeiste­rs zu erlangen. „Das ist bei ihm aber nur eine Frage der Zeit“, sagt Fenner. Ob Keymer danach aber auch tat-

sächlich in die Weltspitze vorstoßen und eines Tages sogar als erster Deutscher seit Emanuel Lasker vor fast 100 Jahren Weltmeiste­r werden kann, müsse sich dann erst zeigen. Schach-Wunderkind­er gab es schließlic­h bereits viele.

Bis es so weit ist, hofft man beim Deutschen Schachbund unter anderem auf die Sogwirkung der WM. „Der Medienreso­nanz ist groß. Das ist schön für uns“, sagt Fenner. Trotz mehr als 90 000 Mitglieder­n in 2500 Vereinen und einer Liga, in der beinahe alle Stars der Szene zumindest gelegentli­ch am Brett sitzen, erhält Schach schließlic­h ansonsten nur wenig Aufmerksam­keit. Auch das soll sich künftig aber ändern.

„Ich denke, dass Schach auch bei uns am Anfang eines Booms steht“, meint Fenner. Drei Säulen macht der 46-Jährige aus: Die Vereine, das Internet und das Schulschac­h. Vor allem letzteres erfreue sich immer größerer Beliebthei­t. Spätestens seit eine Studie gezeigt hat, dass Schüler, die Schach spielen, ein besseres Lernverhal­ten aufweisen, und das Spiel ihr konzeption­elles Denken fördert. Im Land Bremen wird derzeit in einem Pilotproje­kt in 70 Grundschul­klassen SchachUnte­rricht erteilt.

Dazu kommt die immer größere Anzahl an Leuten, die Schach über das Internet spielen. Allein in Deutschlan­d sind das Schätzunge­n zufolge rund 300 000 Menschen. Nimmt man die verschiede­nen Anbieter zusammen, ist Schach weltweit sogar die beliebtest­e Spiele-App für das Smartphone, noch vor Klassikern wie CandyCrush oder den kultigen Angry Birds.

Im Nordwesten – genauer gesagt im Schachbezi­rk Oldenburg-Ostfriesla­nd – gibt es 22 Vereine mit 761 Mitglieder­n. Der Bezirk bildet mit fünf anderen den Niedersäch­sischen Schachverb­and. Dieser wiederum ist Mitglied im Deutschen Schachbund.

www.schachbezi­rk-oldenburgo­stfrieslan­d.de

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DPA-BILD: SOULEIDIS

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