Streit über die Höhe des Pflichtteils
Wer trägt die Kosten für ein privates Verkehrswertgutachten?
Die Höhe eines Pflichtteilsanspruchs hängt oft vom Wert einer im Nachlass befindlichen Immobilie ab. Aus dem in § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Wertermittlungsanspruch folgt, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf dessen Verlangen ein Immobilienwertgutachten vorzulegen hat. In § 2314 Abs. 2 BGB ist klar geregelt, dass diese Gutachterkosten aus dem Nachlass zu zahlen sind.
Im vom OLG Köln zu entscheidenden Fall versuchten die Erben, die Gutachterkosten auf den Pflichtteilsberechtigten abzuwälzen. Sie wollten die Gutachterkosten als Kosten des Rechtsstreits gegen den Pflichtteilsberechtigten festsetzen lassen.
Ein Pflichtteilsberechtigter hatte gegenüber zwei Erben zunächst beim Landgericht Köln Auskunft über den Bestand des Nachlasses und sodann Zahlung seines Pflichtteils gefordert. Die Erben waren durch ein Teilanerkenntnisurteil verpflichtet worden, die Auskunft zu erteilen. Die Erben holten auf eigene Faust ein privates Wertermittlungsgutachten bezüglich einer im Nachlass befindlichen Wohnung ein. Dieses kostete 1.518,61. Sodann stellte der Pflichtteilsberechtigte in der 2. Stufe auf Zahlung eines bestimmten Betrages um. Er konnte am Ende aber nur 30 % der von ihm eingeklagten Summe vor Gericht durchsetzen. Das Landgericht entschied deshalb bezüglich der Kosten des Rechtsstreits, dass der Pflichtteilsberechtigte 70 % der entstandenen Kosten und die Erben 30 % zu tragen hätten.
Die Parteien stritten immer noch weiter: nun nämlich darüber, wer die Gutachterkosten trägt. Die Erben beantragten, dass auch die Gutachterkosten als Kosten des Rechtsstreits nach der 70 : 30 - Quote zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten verteilt würden. Der Pflichtteilsberechtigte widersprach diesem Kostenantrag. Nach seiner Ansicht seien die für das Gutachten angefallenen Kosten Karin Schulze Rechtsanwältin Fachanwältin für Familienrecht und Sozialrecht, Mediatorin
Nachlassverbindlichkeiten und daher insgesamt vom Nachlass, somit von den Erben, zu tragen. So würde es der gesetzlichen Regelung des § 2314 Abs. 2 BGB entsprechen. Sie seien keine Kosten des Rechtsstreits.
Die Rechtspflegerin beim Landgericht setzte die Gutachterkosten zunächst, wie von den Erben beantragt, in der vollen Höhe mit fest. Hiergegen legte der Pflichtteilsberechtigte sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ein. Das OLG hatte Verständnis für das Anliegen des Pflichtteilsberechtigten und gab seiner Beschwerde statt.
Die Gutachterkosten seien nur dann Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO und im Rahmen der gerichtlichen Kostenfestsetzung berücksichtigungsfähig, wenn die Einholung des Gutachtens im Ausnahmefall „notwendig war, um der Darstellungspflicht im Prozess zu genügen“, oder wenn beispielsweise der Erbe in einem laufenden Rechtsstreit ein privates Gutachten einhole, um ein Gerichtsgutachten zu widerlegen. Im zu entscheidenden Fall hätten die angefallenen Kosten für das Gutachten, so das OLG, im Rahmen der Kostenfestsetzung aber nicht berücksichtigt werden dürfen. Das Gericht sah insoweit die Gefahr, dass ein Erbe, der ein Wertgutachten erst im laufenden Prozess einholt, die gesetzlich im BGB in § 2314 Abs. 2 vorgesehene Kostentragungspflicht umgehen könnte. Selbst eine Verwertung des Gutachtens durch das Landgericht hätte nach Ansicht des OLG Köln nicht zur Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten geführt. Kosten für während eines Rechtsstreits eingeholte private Gutachten seien nämlich nur ausnahmsweise erstattungsfähig. Ganz kommt der Pflichtteilsberechtigte jedoch im Ergebnis nicht um die Gutachterkosten herum. Er nimmt, da die Gutachterkosten eine Nachlassverbindlichkeiten darstellen, allerdings nur mit seiner Pflichtteilsquote wirtschaftlich an den Gutachterkosten teil. (OLG Köln – Beschluss vom 16.04.2018 – 17 W 39/18)
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