Nordwest-Zeitung

Rückzugsge­fecht

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

W er Angela Merkel unterschät­zt, hat schon verloren. So hat es einmal ein CSU-Spitzenman­n formuliert, der selbst ein Lied davon singen kann. Die Kanzlerin mag zwar ihr Amt als CDU-Chefin aufgeben. Doch aufs politische Altenteil will sie sich noch nicht zurückzieh­en. Merkel kämpft, denkt gar nicht daran, sich vom Hof jagen zu lassen. Sie wirkt befreit, aber auch entschloss­en.

Losgelöst von manchen Zwängen punktet die Regierungs­chefin in der Generaldeb­atte des Bundestage­s, schlagfert­ig und entschloss­en nicht nur gegen die unverfrore­ne AfD. Merkel macht auch deutlich, dass sie einen radikalen Kurswechse­l weg von ihrer Politik nicht tatenlos hinnehmen wird. Ihr Plädoyer für den UN-Migrations­pakt und ihre Absage an nationale Alleingäng­e ist auch an die Adresse ihrer parteiinte­rnen Kritiker gerichtet. Wer jetzt internatio­naler und europäisch­er Zusammenar­beit eine Absage erteilt und meint, in den Chor der Nationalis­ten und Populisten einstimmen zu müssen, der wird weder den schwierige­n Herausford­erungen im Zeitalter der Globalisie­rung gerecht, noch kann er damit den politische­n Kräften Rechtsauße­n den Rang ablaufen.

Allerdings: Merkels Entschloss­enheit kommt spät. Viel zu lange hat es die Bundesregi­erung versäumt, offen und intensiv über das geplante Migrations­abkommen der Vereinten Nationen zu informiere­n und debattiere­n. Die Folge ist, dass der Pakt für den innerparte­ilichen Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Chefin instrument­alisiert werden kann. Die Kanzlerin kämpft. Es geht um ihr politische­s Erbe und um einen halbwegs selbstbest­immten Abgang. Und wer sie unterschät­zt, hat schon verloren.

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