Rückzugsgefecht
W er Angela Merkel unterschätzt, hat schon verloren. So hat es einmal ein CSU-Spitzenmann formuliert, der selbst ein Lied davon singen kann. Die Kanzlerin mag zwar ihr Amt als CDU-Chefin aufgeben. Doch aufs politische Altenteil will sie sich noch nicht zurückziehen. Merkel kämpft, denkt gar nicht daran, sich vom Hof jagen zu lassen. Sie wirkt befreit, aber auch entschlossen.
Losgelöst von manchen Zwängen punktet die Regierungschefin in der Generaldebatte des Bundestages, schlagfertig und entschlossen nicht nur gegen die unverfrorene AfD. Merkel macht auch deutlich, dass sie einen radikalen Kurswechsel weg von ihrer Politik nicht tatenlos hinnehmen wird. Ihr Plädoyer für den UN-Migrationspakt und ihre Absage an nationale Alleingänge ist auch an die Adresse ihrer parteiinternen Kritiker gerichtet. Wer jetzt internationaler und europäischer Zusammenarbeit eine Absage erteilt und meint, in den Chor der Nationalisten und Populisten einstimmen zu müssen, der wird weder den schwierigen Herausforderungen im Zeitalter der Globalisierung gerecht, noch kann er damit den politischen Kräften Rechtsaußen den Rang ablaufen.
Allerdings: Merkels Entschlossenheit kommt spät. Viel zu lange hat es die Bundesregierung versäumt, offen und intensiv über das geplante Migrationsabkommen der Vereinten Nationen zu informieren und debattieren. Die Folge ist, dass der Pakt für den innerparteilichen Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Chefin instrumentalisiert werden kann. Die Kanzlerin kämpft. Es geht um ihr politisches Erbe und um einen halbwegs selbstbestimmten Abgang. Und wer sie unterschätzt, hat schon verloren.
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