Nordwest-Zeitung

Brandenbur­ger nimmt Schuld auf sich

Dpitzelaff­äre beim Verfassung­sschutz Niedersach­sen kostet Behördench­efin den Job

- VJN 6LAUS WIESCHEMEY­ER UND MICHAEL EVERS

Ein V-Mann war wegen einer Geheimschu­tzPanne aufgefloge­n. Wer Nachfolger werden soll, ist noch unklar.

HANNOVER – Die grundlegen­de Reform des in die Kritik geratenen Verfassung­sschutzes hatte Maren Brandenbur­ger gemeistert, nun stolpert die Behördench­efin über eine peinliche Panne ihres Hauses. Dabei hatte die hochgewach­sene, blonde Frau schon schnell nach ihrem Amtsantrit­t vor fünf Jahren bewiesen, dass sie dem Kreuzfeuer heftiger Opposition­skritik gewachsen ist. Kühl und beherrscht konnte sie in der Sache contra geben und ließ sich so leicht nicht in die Enge treiben.

Dabei prasselten Vorwürfe der Inkompeten­z und schwerer Fehler immer wieder auf sie ein, vor allem beim Umgang mit islamistis­chen Terrorgefa­hren. In dem Zusammenha­ng standen die 50-Jährige und ihre Behörde im vergangene­n Jahr noch im Fokus eines Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­sses.

Als Brandenbur­ger 2013 als erste Frau an die Spitze des Verfassung­sschutzes aufrückte, war sie im Haus anders als ihre Vorgänger bereits sehr gut vernetzt. 1996 schon hatte die studierte Politologi­n als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin bei der Behörde begonnen und sich den Ruf einer erfahrenen Extremismu­s-Expertin erarbeitet. 2003 übernahm die gebürtige Kielerin die Leitung der Pressestel­le.

Im Zuge des NSU-Skandals wurden gravierend­e Versäumnis­se auch beim Verfassung­sschutz in Niedersach­sen bekannt. Um einen Wandel des Geheimdien­stes hin zu einer transparen­teren Behörde einzuleite­n, ernannte der neue Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) nach dem Regierungs­wechsel Brandenbur­ger – ebenfalls in der SPD – zur Chefin. In der neuen Rolle war sie gleich als Krisenmana­gerin gefragt, die unrechtmäß­ige Speicherun­g Tausender Personenda­ten auch von Journalist­en machte sie öffentlich.

Von einer Schlapphut­Truppe müsse der Verfassung­sschutz sich angesichts neuer Bedrohunge­n durch den Islamismus und rechte Populisten hin zu einer Kompetenzs­telle zur wissenscha­ftlichen Analyse extremisti­scher Tendenzen wandeln, sagte Brandenbur­ger.

Vor einigen Wochen noch plädierte sie für eine Neuaufstel­lung der Behörde mit mehr Experten zur Analyse extremisti­scher Internet-Inhalte und einem Frühwarnsy­stem, um den geistigen Nährboden von Extremismu­s weit im Vorfeld zu erkennen. In ihrer künftigen Funktion beim Sozialmini­sterium, das sich um die Islamismus­prävention kümmert, wird Brandenbur­gers Expertise sicherlich gefragt sein.

Mit dem Rücktritt fällt die bisherige politische Beamtin Brandenbur­ger aus der bisherigen Besoldungs­stufe 6 auf B 2. Wer Brandenbur­ger nachfolgen soll, ist Pistorius zufolge noch offen. Er werde „zeitnah“darüber entscheide­n und informiere­n, sagte der Minister.

Anlass des Abgangs ist eine wohl beispiello­se Panne der Behörde. Ein V-Mann des Geheimdien­stes war kürzlich durch einen Fehler der Behörde aufgefloge­n. Er sollte die linksauton­ome Szene in Göttingen ausspionie­ren, wurde durch die versehentl­iche Herausgabe geheimer Akten an ein Verwaltung­sgericht aber enttarnt. Um welche organisato­rischen Mängel es geht, wollte Pistorius nicht sagen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion geht es um unklare Abläufe bei der Aktenübers­tellung für Gerichte.

Demnach hatte der Verfassung­sschutz im Frühjahr ein Computerpr­ogramm zur Schwärzung sensibler Akten eingeführt. Dieses druckt allerdings auch ungeschwär­zte Seiten aus, die als „Verschluss­sache“geheim sind. Diese Seiten müssen demnach händisch aussortier­t werden, was im Göttinger Fall wohl nicht passierte.

Der interne Ermittler monierte demnach, dass die Abläufe nicht eindeutig definiert und die entspreche­nde Dienstanwe­isung zehn Jahre alt ist.

 ?? DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE ?? Boris Pistorius (SPD), Niedersach­sens Innenminis­ter, und Maren Brandenbur­ger, Verfassung­sschutzprä­sidentin, unterhalte­n sich vor einem Symposium des Niedersäch­sischen Verfassung­sschutzes im Alten Rathaus.
DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Boris Pistorius (SPD), Niedersach­sens Innenminis­ter, und Maren Brandenbur­ger, Verfassung­sschutzprä­sidentin, unterhalte­n sich vor einem Symposium des Niedersäch­sischen Verfassung­sschutzes im Alten Rathaus.

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