Nordwest-Zeitung

„Gefährlich­e Richtung“

Ministerpr­äsident Stephan Weil nennt Grundrecht auf Asyl unantastba­r

- VON LARS LAUE UND KLAUS WIESCHEMEY­ER, BÜRO HANNOVER

FRAGE: Die SPD in Niedersach­sen liegt aktuellen Umfragen zufolge bei rund 26 Prozent und damit sogar hinter der CDU mit rund 27 Prozent – das sind mehr als zehn Prozentpun­kte weniger als bei der Landtagswa­hl vor gut einem Jahr. Was hat die SPD, was haben Sie falsch gemacht? STEPHAN WEIL: Zunächst einmal freue ich mich sehr über die hohe Zufriedenh­eit der Menschen in Niedersach­sen mit der Arbeit der Landesregi­erung und über die auch insgesamt positive Grundstimm­ung der Niedersach­sen. Was die SPD anbelangt, waren die jüngsten Umfrageerg­ebnisse in etwa zu erwarten. Niedersach­sen ist keine Insel. Es wäre sehr ungewöhnli­ch, wenn sich die niedersäch­sische SPD dem Bundestren­d ganz entziehen könnte. Die aktuellen Umfragen in Niedersach­sen sind aber für die SPD deutlich positiver ausgefalle­n, als die Ergebnisse der letzten Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen. Besonders auffällig ist der Abstand zu den Umfrageerg­ebnissen im Bund. Es kommt jetzt vor allem darauf an, dass die SPD im Bund wieder besser in den Tritt kommt. Die Umfragen aus dieser Woche sind ein Auftrag an uns, den Menschen noch klarer zu zeigen, dass die Sozialdemo­kraten auch in Zukunft die drängenden Probleme des Landes am besten lösen können. FRAGE: Andrea Nahles fordert die Abschaffun­g von Hartz IV und erhält Widerspruc­h von Ihnen. Warum fallen Sie Ihrer Parteichef­in in den Rücken? WEIL: Das war kein so arger Widerspruc­h. Es gibt wesentlich­e Elemente der Agenda, die sich bewährt haben – die Abschaffun­g der Sozialhilf­e etwa und der Verwaltung­sumbau hin zu den Arbeitsage­nturen. Andere Fragen stellen sich neu und müssen neu bewertet werden. Zum Beispiel, wie wir älteren Arbeitnehm­ern, die ihr Leben lang in die Sozialkass­en eingezahlt haben, besser gerecht werden können. Wer lange gearbeitet hat, der soll auch besser gestellt werden als andere. FRAGE: In Berlin meinen Beobachter, Sie wollten sich mit solchen Man4vern als NahlesNach­folger an der SPD-Spitze in Stellung bringen. WEIL: Das ist komplett abwegig. Aber wenn eine inhaltlich­e Diskussion angestoßen wird, beteilige ich mich daran. Und als SPD-Landesvors­itzender und als Ministerpr­äsident fühle ich mich pudelwohl. Ich mag meine Arbeit und ich mache sie ausgesproc­hen gern.

FRAGE: 9riedrich Merz, Annegret <ramp-<arrenbauer oder Jens Spahn8 Wen wünschen Sie sich an die Spitze der CDU? WEIL: Das ist ganz und gar Sache der CDU. Mir ist nur wichtig, dass wir es mit verlässlic­hen Partnern zu tun haben, die konsequent daran arbeiten, die mühsam vereinbart­en Koalitions­vereinbaru­ngen umzusetzen.

FRAGE: In der Diskussion über den UN-Migrations­pakt st4=t Jens Spahn in der CDU, für deren Vorsitz er kandidiert, auf <ritik. 7r fordert, über eine deutsche Zustimmung erst noch auf dem Parteitag im Dezember zu diskutiere­n. Was sagen Sie dazu?

WEIL: Was Herr Spahn da macht, ist meines Erachtens unverantwo­rtlich. In dem UN-Migrations­pakt werden viele wichtige Grundprinz­ipien zusammenge­fasst. Nachdem die Bundestags­fraktionen von SPD und CDU/CSU zugestimmt haben, finde ich es nicht akzeptabel, so etwas zum Teil des parteiinte­rnen Wahlkampfs zu machen. FRAGE: Der andere <andidat, 9riedrich Merz, stellt das ;rundrecht auf As>l infrage und will darüber diskutiere­n. WEIL: Mit der SPD wird er darüber nicht diskutiere­n können. Das Grundrecht auf Asyl für verfolgte Menschen ist für Sozialdemo­kraten unantastba­r. Dass Merz und Spahn vor allem großen Applaus von der AfD bekommen, zeigt in welche Niedersach­se Stephan Weil in seinem Büro gefährlich­e Richtung die beiden Herren marschiere­n. FRAGE: Ihre Regierungs­erklärung zum 7in:ährigen der ;roko in Niedersach­sen fiel erwartungs­gemä= sehr positiv aus. Wo gibt es in den nächsten Jahren Handlungsb­edarf? WEIL: Wir haben im ersten Jahr bereits viel erreicht vom gebührenfr­eien Kindergart­en bis hin zum Masterplan Digitalisi­erung. Es ist aber auch noch viel zu tun, zum Beispiel in der Frage des sozialen Wohnungsba­us. In Niedersach­sen wird sich die Zahl der öffentlich geförderte­n Wohnungen in den nächsten Jahren deutlich verringern, da müssen wir gegensteue­rn – bis zum Jahr 2030 sollen 40 000 neue Sozialwohn­ungen entstehen. Oder denken Sie an die Umstellung der wichtigste­n niedersäch­sischen Branche, der Automobili­ndustrie, auf Elektromob­ilität. Da rede ich nicht nur über Volkswagen, sondern dahinter stehen Zehntausen­de Arbeitsplä­tze bei zahlreiche­n Zulieferer­n. Diesen Prozess wird die Landesregi­erung eng begleiten.

FRAGE: Im VW-Werk in 7mden sollen künftig nur noch 7lektroaut­os gebaut werden – mit der 9olge, dass Jobs wegfallen und befristet Beschäftig­te in <assel oder Zuffenhaus­en arbeiten müssen, wenn sie weiter für VW tätig sein wollen. <ann man da noch von einer guten L4sung für die Arbeitnehm­er sprechen? WEIL: Ich gebe ausdrückli­ch zu, dass die Nicht-Weiterbesc­häftigung von 500 befristet Beschäftig­ten mehr als ein Wermutstro­pfen ist, auch wenn es Angebote auf unbefriste­te Arbeitsplä­tze an anderen Standorten gibt. Das ist für die Betroffene­n schon eine sehr bittere Pille. Auf der anderen Seite muss Volkswagen die Modernisie­rung konsequent vorantreib­en, um die Zukunft des Unternehme­ns und der Arbeitsplä­tze langfristi­g zu sichern. Auf Dauer sichert nur eine solche Strategie Arbeitsplä­tze.

FRAGE: Das bedeutet?

WEIL: Das Werk in Emden etwa würde ohne eine Neuaufstel­lung in ernsthafte Schwierigk­eiten kommen. Dass Volkswagen eine Milliarde Euro in Emden investiert, sagt eine Menge darüber aus, wie ernst der Konzern es mit dem Umbau meint. Außerdem gibt es bei Volkswagen eine Beschäftig­ungsgarant­ie bis zum Jahr 2028. In welchem anderen Industrieu­nternehmen hat man das? Dass Elektroaut­os weniger beschäftig­ungsintens­iv sind als die bisherigen Fahrzeuge, lässt sich nicht bestreiten. Wir arbeiten intensiv daran, dass eine wesentlich­e Komponente der Elektrofah­rzeuge, nämlich Batterien und Batterieze­llen, auch in Niedersach­sen hergestell­t wird. Da sehe ich etwa für die Standorte Emden und Salzgitter gute Chancen. FRAGE: Nach dem Schock bei der A56 im 7ssener Stadtgebie­t8 Wann kommen die ersten 9ahrverbot­e in Niedersach­sen? WEIL: Ich bin weiterhin zuversicht­lich, dass wir in Niedersach­sen keine Fahrverbot­e bekommen werden. Die betroffene­n Städte in Niedersach­sen verzeichne­n eine positive Entwicklun­g. Die Luft wird sauberer und die Messwerte sind nicht mehr weit von der Einhaltung des Grenzwerte­s entfernt. FRAGE: Ihr 7in:ähriges als ;roko-Chef wird überschatt­et von einer Panne beim Verfassung­sschutz. <am die Abl4sung der Präsidenti­n Maren Brandenbur­ger zu spät? WEIL: Nein. Das war eine sehr zügige und verantwort­ungsvolle Bearbeitun­g eines sehr unangenehm­en Vorgangs. VLeute dürfen nicht gefährdet werden, deshalb hat Innenminis­ter Pistorius die Angelegenh­eit umgehend untersuche­n lassen. Niemand ist vor individuel­len Fehlern gefeit, aber es gibt eine Verantwort­ung für organisato­rische Defizite. Diese Verantwort­ung hat Frau Brandenbur­ger in einer beeindruck­enden Weise übernommen und sie hat dafür meinen größten Respekt.

@ Video unter www.NWZonline.de/videos

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