Des chlusslicht will durchhalten
Wie Kandidat Jens Spahn für die Erneuerung in der CDU kämpft
Der 38-Jährige will sich beim CDU-Parteitag als Nachfolger von Angela Merkel zur Wahl stellen. In der Bundesregierung hat er das Amt des Gesundheitsministers inne.
FRAGE: Wie fällt Ihre Bilanz zur Halbzeit der CDU-Regionalkonferenzen aus?
SPAHN: Sehr gut! Jeder spürt den Aufbruch in der Partei. Das Interesse und die Aufmerksamkeit sind groß. Tausende Mitglieder kommen, wollen diesen Wettbewerb, wollen aber auch, dass er fair ist und wir am Ende zusammenbleiben. Der CDU tut das gut. Wir überraschen uns selbst. Die Partei wirkt befreit, diskutiert offen, kontrovers und angstfrei. Das hatten wir in den letzten Jahren nicht. Die gute Stimmung ändert aber noch nichts an der ernsten Lage und den schlechten Umfragewerten der Partei. FRAGE: Der Ton wird rauer. Droht nun doch noch eine Schlammschlacht?
SPAHN: Das sehe ich nicht. Uns ist allen bewusst, dass der innerparteiliche Zusammenhalt oberste Priorität hat. FRAGE: Glaubt man den Umfragen, liegen Sie abgeschlagen an letzter Stelle der drei Kandidaten? Wie wollen Sie das noch aufholen? Oder ziehen Sie am Ende noch zurück? SPAHN: Nein, das kann ich ausschließen. Ich stehe für Erneuerung und eine offene Debattenkultur. Die kann die Partei zu neuer Einigkeit führen. Die Umfragen nehme ich als Ansporn. Das Rennen ist längst nicht entschieden. FRAGE: Was würde die SpahnCDU von der Merkel-CDU unterscheiden?
SPAHN: Die CDU muss sich weiterentwickeln. Wir brauchen eine breite Debatte in der Partei über die großen Zukunftsfragen der Gesellschaft. Wie gestalten wir die Digitalisierung? Was tun gegen den Klimawandel? Die CDU muss wieder die Partei sein, die Themen setzt und angeht. Nicht als Selbstzweck, sondern um klare Entscheidungen treffen zu können, hinter denen die Partei steht. Ich vertrete eine jüngere Generation, die jetzt Verantwortung für die Gestaltung der nächsten 20 Jahre übernehmen will. FRAGE: Breite Unterstützung gibt es für den U/-Migrationspakt. Sie wollen eine Debatte und eine Abstimmung über das Abkommen auf dem Bundesparteitag. Was spricht gegen den Pakt?
SPAHN: Als Mitglied der Bundesregierung stehe ich zu dem Migrationspakt. Wir brauchen internationale Leitlinien für Migration. Beim UN-Migrationspakt ist allerdings bei vielen der Eindruck entstanden, wir drückten uns vor einer offenen Debatte. Das hat erst Verschwörungstheorien und Unbehagen möglich gemacht. Die Fraktion plant einen Antrag, der die vielen Vorbehalte und Sorgen aufgreift und ausräumt. Ich begrüße, dass dieser Antrag proaktiv auf dem Bundesparteitag vorgelegt und abgestimmt werden soll. Das ist ein gutes Ergebnis der Debatte der letzten Tage. Und es gibt uns als Partei und Regierung eine zweite Chance, in die kommunikative Offensive zu kommen.
FRAGE: CDU-Vizechef 3aschet kritisiert, dass das Thema Migration zu sehr im Mittelpunkt stehe. Eine berechtigte Kritik? SPAHN: Armin Laschet hat recht damit, dass Migration nicht das einzige Thema der CDU ist. Alle drei Bewerber um den CDU-Vorsitz merken auf den Regionalkonferenzen aber, dass es ein Thema ist, das die Mitglieder an der Basis bewegt. Dieser Diskussion müssen wir uns stellen. Und natürlich ist es eine Zukunftsfrage, ob und wie die Integration von Hunderttausenden Migranten aus anderen Kulturkreisen in unserem Land gelingt. Darüber müssen wir reden, das erwarten die Menschen von uns.
FRAGE: CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer verteidigt die 4lüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel und die Entscheidung, die Grenzen damals zu 5ffnen...
SPAHN: 2015 kam es nach einer richtigen humanitären Geste zu einem Kontrollverlust. Darauf hat auch Annegret Kramp-Karrenbauer zu Recht hingewiesen. Wir sind uns in der CDU einig, dass sich so eine Situation nicht wiederholen darf. Die entscheidende Frage ist: Haben wir schon genug dafür getan? Auf europäischer Ebene muss hier noch deutlich mehr geschehen. Der Schutz der europäischen Außengrenzen funktioniert noch nicht so wie er muss. Auch die Durchsetzung der Ausreisepflicht aus Deutschland muss besser werden. Wir haben Fortschritte erzielt, müssen aber besser werden.
FRAGE: 4riedrich Merz hält für eine europäische 35sung eine 6nderung des deutschen As7lrechts und einen Gesetzesvorbehalt im Artikel 89a des Grundgesetzes für notwendig. Brauchen wir Einschränkungen des Grundrechts? SPAHN: Friedrich Merz hat inzwischen klargemacht, dass er das Grundrecht auf Asyl nicht infrage stellt. Ich sage: Es ist ein hohes Gut, für dessen Akzeptanz wir kämpfen müssen. Dafür müssen wir konkrete Probleme lösen. Der Schutz der europäischen Außengrenzen muss besser werden und die EU-Grenzschutzagentur Frontex wirksamer arbeiten. Wir Europäer müssen an der Grenze entscheiden, wer zu uns kommen kann und wer zurückgewiesen werden muss. Der Schlüssel liegt in einem wirklich funktionierenden Außengrenzenschutz. Da müssen wir hin, da sind wir noch nicht.
FRAGE: Die :üngsten Kon:unkturdaten deuten darauf hin, dass es mit der positiven Wirtschaftsentwicklung schon bald vorbei sein k5nnte. Sind wir auf dem Weg in die nächste Wirtschaftskrise?
SPAHN: Noch genießen wir die gute wirtschaftliche Situation. Wir müssen aber mehr tun, um unseren Wohlstand zu sichern. Wir brauchen steuerliche Impulse für jeden Einzelnen, aber auch für die Unternehmen. Es wird Zeit für eine Einkommensteuerreform und die vollständige Abschaffung des Soli, um auch kleine und mittlere Einkommen weiter zu entlasten. Wenn die USA und Großbritannien Unternehmenssteuern spürbar senken, müssen wir das doch wahrnehmen und reagieren. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, vor allem auch auf europäischer Ebene. Auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und im Bereich Digitalisierung müssen wir in der EU Milliarden investieren. FRAGE: Weitere Steuerentlastungen und die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages lehnt die SPD weiter ab. Daraus wird in dieser Wahlperiode wohl nichts. SPAHN: Der CDU-Bundesparteitag wird nach meiner Einschätzung beschließen, dass der Soli schneller als geplant abgebaut werden soll. Die große Mehrheit in der CDU ist dafür. Bei der Einführung hieß es, dass es sich um eine vorübergehende Abgabe handelt, die schnell wieder verschwindet. Da stellt sich auch die Frage der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von Politik. Deshalb sollten wir ihn jetzt auch schnellstmöglich abschaffen.