Nordwest-Zeitung

Des chlusslich­t will durchhalte­n

Wie Kandidat Jens Spahn für die Erneuerung in der CDU kämpft

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Der 38-Jährige will sich beim CDU-Parteitag als Nachfolger von Angela Merkel zur Wahl stellen. In der Bundesregi­erung hat er das Amt des Gesundheit­sministers inne.

FRAGE: Wie fällt Ihre Bilanz zur Halbzeit der CDU-Regionalko­nferenzen aus?

SPAHN: Sehr gut! Jeder spürt den Aufbruch in der Partei. Das Interesse und die Aufmerksam­keit sind groß. Tausende Mitglieder kommen, wollen diesen Wettbewerb, wollen aber auch, dass er fair ist und wir am Ende zusammenbl­eiben. Der CDU tut das gut. Wir überrasche­n uns selbst. Die Partei wirkt befreit, diskutiert offen, kontrovers und angstfrei. Das hatten wir in den letzten Jahren nicht. Die gute Stimmung ändert aber noch nichts an der ernsten Lage und den schlechten Umfragewer­ten der Partei. FRAGE: Der Ton wird rauer. Droht nun doch noch eine Schlammsch­lacht?

SPAHN: Das sehe ich nicht. Uns ist allen bewusst, dass der innerparte­iliche Zusammenha­lt oberste Priorität hat. FRAGE: Glaubt man den Umfragen, liegen Sie abgeschlag­en an letzter Stelle der drei Kandidaten? Wie wollen Sie das noch aufholen? Oder ziehen Sie am Ende noch zurück? SPAHN: Nein, das kann ich ausschließ­en. Ich stehe für Erneuerung und eine offene Debattenku­ltur. Die kann die Partei zu neuer Einigkeit führen. Die Umfragen nehme ich als Ansporn. Das Rennen ist längst nicht entschiede­n. FRAGE: Was würde die SpahnCDU von der Merkel-CDU unterschei­den?

SPAHN: Die CDU muss sich weiterentw­ickeln. Wir brauchen eine breite Debatte in der Partei über die großen Zukunftsfr­agen der Gesellscha­ft. Wie gestalten wir die Digitalisi­erung? Was tun gegen den Klimawande­l? Die CDU muss wieder die Partei sein, die Themen setzt und angeht. Nicht als Selbstzwec­k, sondern um klare Entscheidu­ngen treffen zu können, hinter denen die Partei steht. Ich vertrete eine jüngere Generation, die jetzt Verantwort­ung für die Gestaltung der nächsten 20 Jahre übernehmen will. FRAGE: Breite Unterstütz­ung gibt es für den U/-Migrations­pakt. Sie wollen eine Debatte und eine Abstimmung über das Abkommen auf dem Bundespart­eitag. Was spricht gegen den Pakt?

SPAHN: Als Mitglied der Bundesregi­erung stehe ich zu dem Migrations­pakt. Wir brauchen internatio­nale Leitlinien für Migration. Beim UN-Migrations­pakt ist allerdings bei vielen der Eindruck entstanden, wir drückten uns vor einer offenen Debatte. Das hat erst Verschwöru­ngstheorie­n und Unbehagen möglich gemacht. Die Fraktion plant einen Antrag, der die vielen Vorbehalte und Sorgen aufgreift und ausräumt. Ich begrüße, dass dieser Antrag proaktiv auf dem Bundespart­eitag vorgelegt und abgestimmt werden soll. Das ist ein gutes Ergebnis der Debatte der letzten Tage. Und es gibt uns als Partei und Regierung eine zweite Chance, in die kommunikat­ive Offensive zu kommen.

FRAGE: CDU-Vizechef 3aschet kritisiert, dass das Thema Migration zu sehr im Mittelpunk­t stehe. Eine berechtigt­e Kritik? SPAHN: Armin Laschet hat recht damit, dass Migration nicht das einzige Thema der CDU ist. Alle drei Bewerber um den CDU-Vorsitz merken auf den Regionalko­nferenzen aber, dass es ein Thema ist, das die Mitglieder an der Basis bewegt. Dieser Diskussion müssen wir uns stellen. Und natürlich ist es eine Zukunftsfr­age, ob und wie die Integratio­n von Hunderttau­senden Migranten aus anderen Kulturkrei­sen in unserem Land gelingt. Darüber müssen wir reden, das erwarten die Menschen von uns.

FRAGE: CDU-Generalsek­retärin Kramp-Karrenbaue­r verteidigt die 4lüchtling­spolitik von Kanzlerin Merkel und die Entscheidu­ng, die Grenzen damals zu 5ffnen...

SPAHN: 2015 kam es nach einer richtigen humanitäre­n Geste zu einem Kontrollve­rlust. Darauf hat auch Annegret Kramp-Karrenbaue­r zu Recht hingewiese­n. Wir sind uns in der CDU einig, dass sich so eine Situation nicht wiederhole­n darf. Die entscheide­nde Frage ist: Haben wir schon genug dafür getan? Auf europäisch­er Ebene muss hier noch deutlich mehr geschehen. Der Schutz der europäisch­en Außengrenz­en funktionie­rt noch nicht so wie er muss. Auch die Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht aus Deutschlan­d muss besser werden. Wir haben Fortschrit­te erzielt, müssen aber besser werden.

FRAGE: 4riedrich Merz hält für eine europäisch­e 35sung eine 6nderung des deutschen As7lrechts und einen Gesetzesvo­rbehalt im Artikel 89a des Grundgeset­zes für notwendig. Brauchen wir Einschränk­ungen des Grundrecht­s? SPAHN: Friedrich Merz hat inzwischen klargemach­t, dass er das Grundrecht auf Asyl nicht infrage stellt. Ich sage: Es ist ein hohes Gut, für dessen Akzeptanz wir kämpfen müssen. Dafür müssen wir konkrete Probleme lösen. Der Schutz der europäisch­en Außengrenz­en muss besser werden und die EU-Grenzschut­zagentur Frontex wirksamer arbeiten. Wir Europäer müssen an der Grenze entscheide­n, wer zu uns kommen kann und wer zurückgewi­esen werden muss. Der Schlüssel liegt in einem wirklich funktionie­renden Außengrenz­enschutz. Da müssen wir hin, da sind wir noch nicht.

FRAGE: Die :üngsten Kon:unkturdate­n deuten darauf hin, dass es mit der positiven Wirtschaft­sentwicklu­ng schon bald vorbei sein k5nnte. Sind wir auf dem Weg in die nächste Wirtschaft­skrise?

SPAHN: Noch genießen wir die gute wirtschaft­liche Situation. Wir müssen aber mehr tun, um unseren Wohlstand zu sichern. Wir brauchen steuerlich­e Impulse für jeden Einzelnen, aber auch für die Unternehme­n. Es wird Zeit für eine Einkommens­teuerrefor­m und die vollständi­ge Abschaffun­g des Soli, um auch kleine und mittlere Einkommen weiter zu entlasten. Wenn die USA und Großbritan­nien Unternehme­nssteuern spürbar senken, müssen wir das doch wahrnehmen und reagieren. Wir brauchen Investitio­nen in die Zukunft, vor allem auch auf europäisch­er Ebene. Auf dem Gebiet der künstliche­n Intelligen­z und im Bereich Digitalisi­erung müssen wir in der EU Milliarden investiere­n. FRAGE: Weitere Steuerentl­astungen und die vollständi­ge Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­es lehnt die SPD weiter ab. Daraus wird in dieser Wahlperiod­e wohl nichts. SPAHN: Der CDU-Bundespart­eitag wird nach meiner Einschätzu­ng beschließe­n, dass der Soli schneller als geplant abgebaut werden soll. Die große Mehrheit in der CDU ist dafür. Bei der Einführung hieß es, dass es sich um eine vorübergeh­ende Abgabe handelt, die schnell wieder verschwind­et. Da stellt sich auch die Frage der Verlässlic­hkeit und Glaubwürdi­gkeit von Politik. Deshalb sollten wir ihn jetzt auch schnellstm­öglich abschaffen.

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