Nordwest-Zeitung

Sch Sz’ Plan erntet schnell Kritik

Finanzmini­ster möchte mehr Gerechtigk­eit – Starke Unterschie­de zwischen &st und West

- VON MARKUS SIEVERS, BÜRO BERLIN

Entlastung­en winken in struktursc­hwachen, ländlichen Regionen. Bundesweit soll das Aufkommen gleich bleiben.

BERLIN – Sorgt der Bundesfina­nzminister für eine Kostenexpl­osion bei der Grundsteue­r? Entspreche­nde Befürchtun­gen seien falsch, hieß es am Montag in Berliner Regierungs­kreisen. Für einzelne Mieter oder Eigentümer in teuren Citylagen könnte die Grundsteue­r in einigen Jahren höchstens um einen „mittleren zweistelli­gen Betrag“pro Jahr steigen.

SPD-Politiker und Vizekanzle­r Olaf Scholz will die Grundsteue­r-Höhe wie vom Bundesverf­assungsger­icht gefordert stärker an die Realität auf dem Wohnungsma­rkt anpassen und daher nach den Mietniveau­s ausrichten. Teurer dürfte es damit in München, Berlin, Hamburg und anderen Städten mit starken Miet- und Preissteig­erungen werden. Entlastung­en winken in struktursc­hwachen, ländlichen Regionen. Bundesweit soll das Aufkommen gleich bleiben.

Was die einen mehr bezahlen, sollen die anderen sparen. Unklar ist, ob die Bundesländ­er Scholz die nötige Unterstütz­ung geben. Bayern kündigte bereits Widerstand an. Eine neue Grundsteue­r muss also her: Bis Ende 2019 hat die Politik laut einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts Zeit, ein mit dem Grundgeset­z vereinbare­s Modell zu finden, das dann spätestens 2025 angewendet werden muss. Die Reform will Bundesfina­nzminister Scholz nicht für eine Steuererhö­hung nutzen. Es werde bei den 14 Milliarden Euro bleiben, die derzeit die Grundsteue­r den Kommunen bundesweit einbringt, verlautet aus dem Finanzmini­sterium. Allerdings gibt es Verlierer und Gewinner.

→ DAS MODELL

Scholz zielt darauf ab, den individuel­len Wohnwert zur Grundlage der Berechnung zu machen. Um den für ein einzelnes Objekt zu ermitteln, sollen die Eigentümer den Finanzämte­rn alle sieben Jahre fünf Kennziffer­n benennen: Nettokaltm­iete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstück­sfläche und Bodenricht­wert. Lebt der Besitzer im eigenen Heim, wird statt der tatsächlic­hen eine fiktive Nettokaltm­iete ermittelt.

→ DIE BERECHNUNG

Am dreistufig­en Verfahren möchte Scholz festhalten. Der Wohnwert – eingeteilt in sechs Stufen von sehr billig bis sehr teuer – wird laut seinem Konzept wie bisher mit einer bundesweit einheitlic­hen Steuermess­zahl multiplizi­ert. Darauf wird in einer dritten Stufe der Hebesatz erhoben, den die Kommune festlegt und der sich unterschei­det. Aus dieser Multiplika­tion mit drei Zahlen ergibt sich die konkrete Steuerhöhe. → POLITIK IM ZUGZWANG

Freiwillig prescht Scholz nicht vor. Das Bundesverf­assungsger­icht zwingt die Politik, die Grundsteue­r komplett zu überarbeit­en. Derzeit basiert die Berechnung auf völlig veralteten Werten, was zu Verzerrung­en führt. In Westdeutsc­hland gelten noch die für die Grundsteue­r-Höhe wichtigen Einheitswe­rte aus dem Jahr 1964. Dies begünstigt Eigentümer und Mieter in Regionen mit hohen Wertsteige­rungen seitdem, da die unzureiche­nd berücksich­tigt werden. Umgekehrt werden die Bewohner in struktursc­hwachen Gebieten eher benachteil­igt. Im Urteil von April 2018 erklärten Karlsruher Richter die Praxis in Westdeutsc­hland für verfassung­swidrig und verlangten eine Neuregelun­g bis Ende 2019. Immobilien im Osten waren nicht Gegenstand des Verfahrens. Dort stammen die Einheitswe­rte aus dem Jahr 1935, sind also noch älter, so dass eine bundesweit­e Umgestaltu­ng her muss.

 ?? DPA-BILD: KALAENE ?? Geht es hier gerecht zu für die Mieter? Ein Blick auf die sanierten Fassaden von Wohnhäuser­n in Berlin.
DPA-BILD: KALAENE Geht es hier gerecht zu für die Mieter? Ein Blick auf die sanierten Fassaden von Wohnhäuser­n in Berlin.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany