Nordwest-Zeitung

„Game over“für Cebit in Hannover

Warum die einst weltgrößte Computersc­hau nach mehr als 30 Jahren eingestell­t wird

- VON THOMAS STRÜNKELNB­ERG UND LARS LAUE

Wie nötig ist eine Digitalmes­se, wenn Digitalisi­erung so gut wie alle Branchen prägt? Die Macher ziehen daher jetzt die Reißleine.

HANNOVER – Nach über 30 Jahren ist die Cebit Geschichte: Die einst weltgrößte Computersc­hau wird eingestell­t. Rückläufig­e Buchungen für 2019 erhöhten zuletzt den Druck auf die Deutsche Messe AG. Die deutsche Wirtschaft habe in den vergangene­n Jahren immer wieder thematisch­e Überschnei­dungen der Cebit und der weitaus größeren Hannover Messe beklagt, sagte Deutsche-Messe-Vorstandsc­hef Jochen Köckler.

Darüber hinaus ist Digitalisi­erung der Megatrend der meisten Branchen – und damit der meisten Messen. Eine Messe wie die Cebit stoße daher auf sinkende Nachfrage. Der Metallarbe­itgeberver­band Niedersach­senmetall sprach von einem „Schlag ins Kontor“, der Branchenve­rband Bitkom bedauerte die Entscheidu­ng.

Wie geht es weiter? Die „industrien­ahen Digitalthe­men“sollen in die Hannover Messe, die weltgrößte Industriem­esse, eingebunde­n werden. Und der Rest? Dafür sind nach Veranstalt­erangaben Fachverans­taltungen geplant, die sich „gezielt an Entscheide­r ausgewählt­er Branchen“richten sollen.

Dabei hatten die Organisato­ren im Sommer noch vergeblich versucht, die Cebit als „Europas führendes DigitalEve­nt“neu zu positionie­ren. Insgesamt lockte die Cebit in neuem Gewand aber nur 120 000 Menschen aufs Messegelän­de – noch einmal deutlich weniger als 2017 mit 200000 Besuchern. Dennoch zogen die Cebit-Macher noch ein positives Fazit für ihr neues Konzept: Erstmals war die Messe in runderneue­rtem Gewand mit Festival-Charakter an den Start gegangen. Messe-Vorstand Oliver Frese sagte damals, alle Ziele seien erreicht worden.

Zu besten Zeiten um die Jahrtausen­dwende hatte die Messe noch bis zu 800 000 Besucher gezählt, dann ging die Kurve kontinuier­lich nach unten. Ein Grund dafür: Die Cebit wollte sich zu den Hoch-Zeiten des Personal Computers immer wieder von den als „Beutelratt­en“verschmäht­en Privatbesu­chern trennen und speziell auf Business-Kunden ausrichten. Unterhaltu­ngselektro­nik wie Spielekons­olen war nicht mehr gern gesehen. Und nicht zuletzt zog auch die stetig wachsende Mobilfunkm­esse Mobile World Congress nach ihrem Umzug nach Barcelona immer mehr Stammkunde­n aus der Telekommun­ikationsBr­anche aus Hannover ab.

Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) bedauert den Niedergang. „Ein wichtiges Kapitel der Messen in Hannover geht zu Ende, und das ist sehr schade. Der digitale Wandel findet inzwischen überall statt, auch auf allen anderen Messen. Die Cebit ist insofern ein Opfer des eigenen Erfolges“, sagte Niedersach­sens Regierungs­chef. Die IHK Niedersach­sen sprach von einer „bitteren Entscheidu­ng für den Technologi­estandort Niedersach­sen“. Volker Müller, Hauptgesch­äftsführer der Unternehme­rverbände Niedersach­sen, nannte das Messe-Aus ein „fatales Signal für den Standort Deutschlan­d“.

 ?? DPA-BILD: WEIHS ?? Bild aus besseren Zeiten: Der damalige Kanzler Helmut Kohl testet 1989 auf der Cebit ein Autotelefo­n.
DPA-BILD: WEIHS Bild aus besseren Zeiten: Der damalige Kanzler Helmut Kohl testet 1989 auf der Cebit ein Autotelefo­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany