Nordwest-Zeitung

Vhne ihn keine deutsche Einheit

Trauer in Vereinigte­n Staaten um früheren Präsidente­n George Bush

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS, BÜRO WASHINGTON

Ein gebrochene­s Wahlverspr­echen wird immer mit ihm verbunden sein: „Lest meine Lippen. Keine neuen Steuern!“Und glaubt das bitteschön. Diese Aussage ist ein die politische Karriere prägendes Zitat, das untrennbar mit dem jetzt im Alter von 94 Jahren – nur ein gutes halbes Jahr nach der Trauerfeie­r für seine Gattin Barbara – in Texas gestorbene­n George Herbert Walker Bush verbunden bleiben wird. Worte, die stellvertr­etend für den Zynismus vieler Politiker stehen könnten – und für gebrochene Wahlverspr­echen. Keine Steueranhe­bungen, das hatte der 41. Präsident der USA und Patriarch der Bush-Dynastie den Bürger in einem legendären TV-Auftritt fest zugesagt, als er im Jahr 1988 um ihre Stimmen warb. 1990 brach er dann dieses Verspreche­n.

Doch aus dem deutschen, nicht von amerikanis­cher Innenpolit­ik geprägten Blickwinke­l verbindet sich mit den Erinnerung­en an den Republikan­er etwas ganz anderes, das weitaus schwerer – und durchaus positiv – wiegen Der ehemalige US-Präsident George Bush

sollte: Man kann den Nachfolger Ronald Reagans („Mr. Gorbatscho­w, reißen Sie diese Mauer nieder“) durchaus als Mit-Architekte­n der deutschen Wiedervere­inigung sehen, der in der kritischen Phase direkt nach dem Fall der Mauer durch engen Kontakt mit dem Kreml sicherstel­lte, dass sich die Ängste in Moskau nach diesem beispiello­sen Vorgang in Grenzen hielten – und dass gleichzeit­ig jene Strömungen, die ein Ende des Kalten Krieges zwischen den Supermächt­en und schließlic­h zwei Jahre später sogar den Zerfall der Sowjetunio­n gebracht hatten, nicht abrissen. Zentral dafür waren neben steter stiller Diplomatie von George H. W. Bush zwei Vorgänge. Am 2. und 3. Dezember 1989 traf er sich gegen den Widerstand von Hardlinern und US-Generälen, aber ermuntert von Francois Mitterrand, Margaret Thatcher und Helmut Kohl, auf der Mittelmeer­insel Malta mit Gorbatscho­w.

Obwohl es wie erwartet zu keinen konkreten Abkommen kam, so diente dieser Gipfel doch einem alles andere überlagern­den Zweck: Man versichert­e sich gegenseiti­g friedliche Absichten und äußerte einen klaren Willen zu Entspannun­gspolitik. Das wurde damals auch im AbschlussK­ommuniJué Gorbatscho­ws deutlich, der formuliert­e: „Ich habe dem Präsidente­n der USA versichert, dass die Sowjetunio­n niemals einen Erstschlag gegen die USA führen würde. Dies ist erst der Anfang. Wir stehen erst am Beginn unseres langen Weges zu einer lang anhaltende­n friedvolle­n Periode.“

Anderthalb Jahre später unterzeich­neten Bush und Gorbatscho­w dann in Moskau das START I-Abkommen zur Abrüstung strategisc­her Atomwaffen, das die Arsenale der Großmächte in den kommenden sieben Jahren um rund 35 Prozent innerhalb von sieben Jahren reduzieren würde. „Ein halbes Jahrhunder­t von Misstrauen nähert sich dem Ende“, charakteri­sierte Bush den Vertrag. Ironischer­weise hatte Bush senior jahrelang aber auch zunächst zu diesem Spannungsv­erhältnis beigetrage­n: Ein knappes Jahr diente er unter Präsident Gerald Ford von Januar 1976 bis Januar 1977 als Direktor der CIA, die damals vor allem Moskau im Visier hatte.

Sollte das politische Vermächtni­s seines Sohnes George W. Bush, dem 43. Präsidente­n der USA, weitgehend durch die Terroransc­hläge von 9/11 und die vergeblich­e Suche nach Massen-Vernichtun­gswaffen während der Irak-Invasion geprägt werden, so ist auch die Vita von „Bush the Elder“(Bush dem Älteren) eng mit dem Irak verbunden. Doch kritische Fragen zur Berechtigu­ng von George H. W. Bush, auf die Invasion von Kuwait durch Saddam Hussein militärisc­h zu reagieren, dominieren nicht den Rückblick auf dieses US-Engagement.

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AP-BILD: SLOMOWITZ

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