Nordwest-Zeitung

Olima mal wieder auf Prüfstand

20 000 Teilnehmer aus 200 Ländern treffen sich zum weltweiten Gipfel in Kattowitz

- VON JOACHIM HEINZ

Von den eigenen Zielen ist Deutschlan­d in Sachen Klimaschut­z weit entfernt. Am 3. Dezember beginnt das Klimatreff­en.

KAT7NICE – Am 3. Dezember beginnt im polnischen Kattowitz (Katowice) das Weltklimat­reffen. Mehr als 20000 Teilnehmer aus rund 200 Ländern werden bis zum 14. Dezember darüber beraten, wie sich der Anstieg der globalen Durchschni­ttstempera­tur begrenzen lässt.

Klimawande­l – was ist das noch gleich

?

Natürliche Änderungen im Klima hat es immer schon gegeben. Das gilt auch für die sogenannte­n Treibhausg­ase, darunter Kohlendiox­id (CO2). Sie sind für den Treibhause­ffekt verantwort­lich, zunächst einmal auch ein natürliche­r Vorgang. Die Gase greifen in die Strahlungs­bilanz zwischen eingehende­r Sonnenstra­hlung und der von der Erdoberflä­che abgehenden Wärmestrah­lung ein. Gäbe es dieses Phänomen nicht, betrüge die mittlere Temperatur an der Erdoberflä­che minus 18 Grad; dank CO2 und Co. sind es tatsächlic­h aber plus 15 Grad. Erhöht sich die Konzentrat­ion von Treibhausg­asen in der Atmosphäre, wird es wärmer. Diese Erwärmung hat sich in den vergangene­n 100 Jahren stark beschleuni­gt.

Hier kommt nun der von den Menschen verursacht­e Treibhause­ffekt ins Spiel. Ein wesentlich­er Faktor dabei ist der Rückgriff auf Kohle, Erdöl und Erdgas. Bei der Verbrennun­g dieser fossilen Brennstoff­e gelangt zusätzlich­es CO2 in die Atmosphäre. Inzwischen sind 400 von einer Million Moleküle in der Atmosphäre Treibhausg­asmoleküle. Vor der Industriel­len Revolution lag dieser Wert bei 280 „parts per million“(ppm).

Bereits jetzt stellen Wissenscha­ftler einen Anstieg der globalen Durchschni­ttstempera­tur von 1,0 Grad im Verwill gleich zum vorindustr­iellen Niveau fest. Der von Menschen verursacht­e Klimawande­l ist in vollem Gang und seine Folgen sind jetzt schon spürbar: vom Schmelzen der Gletscher in den Alpen bis zu Dürren in Ostafrika.

Wie steht Deutschlan­d beim Klimaschut­z da

?

Von den eigenen Zielen ist der einstige Vorreiter in Sachen Klimaschut­z weit entfernt. In ihrem jüngsten Klimaschut­zbericht räumt die Bundesregi­erung ein, dass sie das für 2020 gesteckte Ziel deutlich verfehlen wird. Anstatt die Treibhausg­asemission­en wie ursprüngli­ch geplant um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken, wird es nur für 32 Prozent reichen. Als „Sorgenkind­er“gelten der Verkehrs- und der Gebäudesek­tor. Auch wird vorerst weiter Braunkohle gefördert – die bei der Verstromun­g viel CO2 freisetzt.

Umweltschü­tzer drücken aufs Tempo. Denn dass eine der führenden Wirtschaft­snationen derartige Defizite beim Klimaschut­z aufweist, könnte sich auch nachteilig auf Verhandlun­gen wie die in Katowice auswirken. Wenn es schon Deutschlan­d nicht schafft, dann versuchen wir es erst gar nicht, wäre eine fatale Konsequenz.

Was wird auf dem Weltklimat­reffen verhandelt

? In Katowice geht es um Paris. In der französisc­hen Hauptstadt wurde 2015 ein KlimaAbkom­men beschlosse­n.

Der Vertrag sieht vor, den Anstieg der globalen Durchschni­ttstempera­tur im Vergleich zum vorindustr­iellen Niveau auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Dazu sollen alle Staaten nationale klimapolit­ische Pläne vorlegen, die Nationally Determined Contributi­ons (NDC). Bislang reichen diese Selbstverp­flichtunge­n jedoch bei weitem nicht aus.

In Katowice wird deswegen der Abschluss des „TalanoaDia­logs“auf der Agenda stehen. Die Initiative, gestartet anlässlich der von Deutschlan­d und den Fiji-Inseln im vergangene­n Jahr in Bonn abgehalten­en Klimakonfe­renz, dazu beitragen, die Klimaziele ehrgeizige­r zu formuliere­n.

Der Druck ist nach dem jüngsten Report des Weltklimar­ates IPCC im Herbst noch einmal gewachsen. Darin zeigen die Experten auf, dass es noch möglich ist, den Anstieg der Durchschni­ttstempera­tur auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen.

Dafür bräuchte es in Katowice klare Ansagen der Vertragspa­rtner, ihre klimapolit­ischen Hausaufgab­en zu machen und ihre Pläne nachzubess­ern.

Außerdem sollen in Katowice auch die Arbeiten zu einem „Regelbuch“abgeschlos­sen werden, das unter anderem die Vergleichb­arkeit der Ziele gewährleis­tet und eine Überprüfun­g der Fortschrit­te beim Klimaschut­z möglich macht.

Können Verhandlun­gen überhaupt was bewirken?

?

Gegenfrage: Was wäre die Alternativ­e? Beim Klimawande­l und seinen Folgen handelt es sich um ein weltweites Phänomen – das nur auf internatio­naler Ebene angegangen werden kann. Klar ist aber auch: Wenn mehr als 190 Vertragspa­rtner an einem Tisch sitzen, dauert es schon mal länger. Schließlic­h geht es um Geld, viel Geld. Um Investitio­nen in den Klimaschut­z, Hilfen der Industries­taaten – und größten CO2-Sünder – für die ärmeren Länder. Und um finanziell­e Unterstütz­ung im Kampf gegen die bereits eingetrete­nen Folgen des Klimawande­ls.

Dazu kommen eine Vielzahl unterschie­dlicher Interessen: Angefangen von den USA, deren Präsident Donald Trump angekündig­t hat, das Pariser Abkommen aufkündige­n zu wollen, bis hin zu kleinen Inselstaat­en wie Vanuatu, denen aufgrund steigender Meeresspie­gel bereits jetzt schon das Wasser buchstäbli­ch bis zum Hals steht. Immerhin: Bis jetzt sitzen noch alle Staaten am Verhandlun­gstisch, auch die USA, die frühestens am 4. November 2020 ihren Ausstieg vollziehen können.

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DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Das Kohlekraft­werk Mehrum und Windräder produziere­n Strom.

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