Wie Forscher freies Kohlendioxid abbauen möchten
Wissenschaftler und Politiker fordern vor Treffen: Erderwärmung auf 1,8 Grad begrenzen
FRANKFURT AM MAIN – Rund 53,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid hat die Menschheit im vergangenen Jahr in die Luft geblasen – ein Rekord. Um schwerwiegende Folgen fürs Klima zu vermeiden, müsste bis Mitte des Jahrhunderts der Netto-Ausstoß der Treibhausgase auf null heruntergefahren werden. Das haben jüngst die Wissenschaftler des Weltklimarates (IPCC) in einem Sonderbericht bekräftigt, der Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten auslotet, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Ein Netto-Ausstoß von null bedeutet: Für jede Tonne CO2, die emittiert wird, muss an anderer Stelle eine Tonne der Erdatmosphäre entzogen werden. Das lässt sich etwa durch Aufforstung erreichen, denn Bäume nehmen Kohlendioxid auf. In der Erprobung sind aber auch technische Verfahren, bei denen die umstrittene CCS-Methode zum Einsatz kommt und das CO2 unter der Erde gespeichert wird.
Im Pariser Klimaabkommen, über dessen Umsetzung beim Klimagipfel ab Montag in Kattowitz beraten wird, legten die Staaten 2015 fest: Die Erderwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden. „Das Zwei-Grad-Ziel können wir noch erreichen, indem wir den Ausstoß von Kohlendioxid verringern“, sagt Sabine Fuss, Leitautorin des IPCCBerichtes. In allen Szenarien, die die Wissenschaft zum 1,5Grad-Ziel entworfen habe, müsse CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen werden. „Das ist wie bei einer Badewanne, die immer voller wird: Damit sie nicht überläuft, muss man irgendwann etwas schöpfen“, sagt sie.
Ein Ansatz: der Anbau von Biomasse, die CO2 aufnimmt und dann zum Beispiel durch Verfeuerung in Energie umgewandelt wird. Das freiwerdende Kohlendioxid wird aufgefangen und unterirdisch gespeichert (CCS-Methode). Für diese Kombination von Biomasse-Anbau und CCS-Technik haben die Fachleute die Abkürzung BECCS ersonnen. Die erste BECCS-Anlage wurde im vergangenen Jahr im US-Staat Illinois in Betrieb genommen. CCS ist jedoch umstritten. Das Umweltbundesamt nennt Risiken für das Grundwasser und den Boden durch Leckagen.
An der ablehnenden Haltung der Umweltverbände hat sich bis heute nichts geändert. Die Gefahr, dass das Kohlendioxid wieder austritt, ist nach Auffassung von Christoph von Lieven von Greenpeace, nicht gebannt, die Technologie weiterhin unausgereift.
Dass der Weltklimarat die Verfahren zur CO2-Entnahme in seinem 1,5-Grad-Ziel benennt, hält Lieven für ein politisches Zugeständnis. „Technologien wie CCS sind im Interesse von Erdölexporteuren wie Saudi-Arabien und der Kohleindustrie, die Geschäftsmodelle bedroht sehen.“
Zur Entnahme werden viele Methoden erforscht: Etwa die Umwandlung von Kohlendioxid in Algenöl. Oder das Ausstreuen von CO2-absorbierenden Mineralien auf landwirtschaftlichen Flächen. Bislang aber, soviel steht fest, reichen die technischen Möglichkeiten nicht aus, um im erforderlichen Umfang rasch Treibhausgase aus der Erdatmosphäre zu entnehmen. „Noch sind die Verfahren nicht so weit entwickelt, dass wir in kurzer Zeit großskalig einsteigen können“, räumt IPCC-Leitautorin Fuss ein.