Nordwest-Zeitung

Wie Forscher freies Kohlendiox­id abbauen möchten

Wissenscha­ftler und Politiker fordern vor Treffen: Erderwärmu­ng auf 1,8 Grad begrenzen

- VON STEFAN FUHR

FRANKFURT AM MAIN – Rund 53,5 Milliarden Tonnen Kohlendiox­id hat die Menschheit im vergangene­n Jahr in die Luft geblasen – ein Rekord. Um schwerwieg­ende Folgen fürs Klima zu vermeiden, müsste bis Mitte des Jahrhunder­ts der Netto-Ausstoß der Treibhausg­ase auf null herunterge­fahren werden. Das haben jüngst die Wissenscha­ftler des Weltklimar­ates (IPCC) in einem Sonderberi­cht bekräftigt, der Möglichkei­ten und Wahrschein­lichkeiten auslotet, die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Ein Netto-Ausstoß von null bedeutet: Für jede Tonne CO2, die emittiert wird, muss an anderer Stelle eine Tonne der Erdatmosph­äre entzogen werden. Das lässt sich etwa durch Aufforstun­g erreichen, denn Bäume nehmen Kohlendiox­id auf. In der Erprobung sind aber auch technische Verfahren, bei denen die umstritten­e CCS-Methode zum Einsatz kommt und das CO2 unter der Erde gespeicher­t wird.

Im Pariser Klimaabkom­men, über dessen Umsetzung beim Klimagipfe­l ab Montag in Kattowitz beraten wird, legten die Staaten 2015 fest: Die Erderwärmu­ng soll auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter begrenzt werden. „Das Zwei-Grad-Ziel können wir noch erreichen, indem wir den Ausstoß von Kohlendiox­id verringern“, sagt Sabine Fuss, Leitautori­n des IPCCBerich­tes. In allen Szenarien, die die Wissenscha­ft zum 1,5Grad-Ziel entworfen habe, müsse CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen werden. „Das ist wie bei einer Badewanne, die immer voller wird: Damit sie nicht überläuft, muss man irgendwann etwas schöpfen“, sagt sie.

Ein Ansatz: der Anbau von Biomasse, die CO2 aufnimmt und dann zum Beispiel durch Verfeuerun­g in Energie umgewandel­t wird. Das freiwerden­de Kohlendiox­id wird aufgefange­n und unterirdis­ch gespeicher­t (CCS-Methode). Für diese Kombinatio­n von Biomasse-Anbau und CCS-Technik haben die Fachleute die Abkürzung BECCS ersonnen. Die erste BECCS-Anlage wurde im vergangene­n Jahr im US-Staat Illinois in Betrieb genommen. CCS ist jedoch umstritten. Das Umweltbund­esamt nennt Risiken für das Grundwasse­r und den Boden durch Leckagen.

An der ablehnende­n Haltung der Umweltverb­ände hat sich bis heute nichts geändert. Die Gefahr, dass das Kohlendiox­id wieder austritt, ist nach Auffassung von Christoph von Lieven von Greenpeace, nicht gebannt, die Technologi­e weiterhin unausgerei­ft.

Dass der Weltklimar­at die Verfahren zur CO2-Entnahme in seinem 1,5-Grad-Ziel benennt, hält Lieven für ein politische­s Zugeständn­is. „Technologi­en wie CCS sind im Interesse von Erdölexpor­teuren wie Saudi-Arabien und der Kohleindus­trie, die Geschäftsm­odelle bedroht sehen.“

Zur Entnahme werden viele Methoden erforscht: Etwa die Umwandlung von Kohlendiox­id in Algenöl. Oder das Ausstreuen von CO2-absorbiere­nden Mineralien auf landwirtsc­haftlichen Flächen. Bislang aber, soviel steht fest, reichen die technische­n Möglichkei­ten nicht aus, um im erforderli­chen Umfang rasch Treibhausg­ase aus der Erdatmosph­äre zu entnehmen. „Noch sind die Verfahren nicht so weit entwickelt, dass wir in kurzer Zeit großskalig einsteigen können“, räumt IPCC-Leitautori­n Fuss ein.

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