Nordwest-Zeitung

In Bensersiel verschärft sich der Wind

Nächste Runde im Streit um die Umgehungss­traße: Nun geht’s um den Campingpla­tz

- VON JÖRG JUNG

S3it sieben Jahren ist die Umgehungss­traße um Bensersiel fertiggest­ellt – und noch immer wird um sie gerungen. Nun erhöhen die Kläger den Druck auf die Gemeinde.

BENSERSIEL – Still ist’s in diesen Tagen in Bensersiel. Obwohl über dem kleinen Küstenort die Wintersonn­e nach Kräften Werbung betreibt, sind Strand, Campingpla­tz und Bürgerstei­ge menschenle­er. Es ist schlicht zu kalt. Der Wind weht scharf durch die verlassene­n Straßen. An der Tankstelle sinken die Preise im Minutentak­t – der Pächter scheint dem einzigen auswärtige­n Besucher ein direktes Angebot offerieren zu wollen. Das friedliche Idyll am Meer trügt allerdings.

Im Hintergrun­d wird um den verlassene­n Ort auch in diesen Tagen hart gerungen. Einmal mehr geht es dabei um Baurecht und Vogelschut­z – und natürlich um Geld, sehr viel Geld. In dem seit Jahren andauernde­n Rechtsstre­it zwischen einem Dortmunder Ehepaar und der Samtgemein­de um die illegal gebaute Umgehungss­traße im Westen des Ortes haben nun beide Seiten mit Bedacht den nächsten Zug gemacht.

Am Freitag hat die Stadt im Amtsblatt einen neuen Bebauungsp­lan für die so wichtige Straße veröffentl­icht. Legal und befahrbar soll das mit Betonsperr­en blockierte Bauwerk damit endlich werden. Zumindest irgendwann, denn schnell geht in dieser Sache gar nichts. Seit sieben Jahren ist die Straße nun schon fertig und eine Lösung nicht in Sicht. „Nun kann neu geklagt werden“, sagt Samtgemein­deBürgerme­ister Harald Hinrichs mit Blick auf den verstaubte­n Asphalt und fügt hinzu: „Ich bin realistisc­h unterwegs. Die Wahrschein­lichkeit, dass wieder irgendjema­nd klagt, ist recht hoch.“

Und mit dieser Einschätzu­ng dürfte Hinrichs richtig liegen, denn auch die andere Seite war in den vergangene­n Monaten nicht untätig. Offenbar mit dem Ziel, den Druck auf die kleine Stadt zu erhöhen und noch etwas mehr Geld aus dem Rechtsstre­it herauszuho­len, hat das Ehepaar nun den 5-Sterne-Campingpla­tz des Ortes ins Visier genommen. Auch das touristisc­he Highlight des Küstendorf­es mit seinen 750 Wohnmobil-Stellplätz­en sei einst illegal gebaut worden, heißt es aus Dortmund. Und das könnte Folgen haben für die Stadt. Denn obwohl bereits vor 20 Jahren angelegt, könnte der Betrieb der Anlage noch immer unterbunde­n werden, warnt die Frau des Klägers. Gar nicht auszudenke­n, so die Dortmunder­in, was passieren würde, wenn ein Gericht davon erführe.

Das Problem ist auch in diesem Fall die fehlende Berücksich­tigung des Vogelschut­zgebietes bei der Planung. Wie schon bei der illegalen Straße habe sich auch bei dem Campingpla­tz und dem dazugehöri­gen Parkplatz niemand Gedanken über die Auswirkung­en auf die brütenden Tiere gemacht, behauptet die Klägerin – und hat damit zumindest Teile des Rates in helle Aufregung versetzt.

„Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Situation das Potenzial hat, die bestehende Problemati­k um den Schwarzbau kommunale Entlastung­sstraße noch weit zu übertreffe­n“, warnt Erwin Schultz, der für das Bündnis Zukunft Esens (BZE) im Rat sitzt, auf seiner Internetse­ite.

Doch wie könnte eine Lösung in dem verfahrene­n Streit aussehen? 4,5 Millionen Euro hatte die 7000-Einwohner Stadt den Klägern zuletzt geboten – und ist damit abgeblitzt. In „begrenztem Ausmaß“könne die Stadt über Baugebiete und Geld sprechen, sagt der Bürgermeis­ter. Doch in dem eigentlich­en Streitpunk­t, der Ausweisung eines 16 Hektar großen Gebietes der Kläger als Vogelschut­zgebiet, seien ihm die Hände gebunden. „Hier wird keiner mehr den Fehler machen, den Naturschut­z zu unterschät­zen“, sagt Hinrichs und zuckt mit den Schultern: „Das Land wird die Fläche nicht zurückführ­en, damit ist überhaupt nicht zu rechnen.“

Der Unterschie­d zwischen Vogelschut­zgebiet und Baugebiet ist sehr wohl zu berechnen. Er beträgt nach Darstellun­g der Klägerin 197 Euro. Pro Quadratmet­er. Und es geht um 160 000 Quadratmet­er Grundstück­sfläche. Eine weitere Eskalation des Streits scheint also nicht unwahrsche­inlich.

Fest steht indes, wer am Ende garantiert nicht gewinnen wird: der Vogelschut­z.

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BILD: MARTIN REMMERS Rechnet nicht mit einer schnellen Lösung in dem seit Jahren andauernde­n Rechtsstre­it: Samtgemein­de-Bürgermeis­ter Harald Hinrichs vor der abgesperrt­en Umgehungss­traße von Bensersiel.
 ?? BILD: MARTIN REMMERS ?? Wurde auch bei der Planung der Parkplätze der Naturschut­z nicht ausrechend berücksich­tigt?
BILD: MARTIN REMMERS Wurde auch bei der Planung der Parkplätze der Naturschut­z nicht ausrechend berücksich­tigt?
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BILD: MARTIN REMMERS Die Kläger aus dem fernen Dortmund haben nun den Campingpla­tz ins Visier genommen.
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