In Bensersiel verschärft sich der Wind
Nächste Runde im Streit um die Umgehungsstraße: Nun geht’s um den Campingplatz
S3it sieben Jahren ist die Umgehungsstraße um Bensersiel fertiggestellt – und noch immer wird um sie gerungen. Nun erhöhen die Kläger den Druck auf die Gemeinde.
BENSERSIEL – Still ist’s in diesen Tagen in Bensersiel. Obwohl über dem kleinen Küstenort die Wintersonne nach Kräften Werbung betreibt, sind Strand, Campingplatz und Bürgersteige menschenleer. Es ist schlicht zu kalt. Der Wind weht scharf durch die verlassenen Straßen. An der Tankstelle sinken die Preise im Minutentakt – der Pächter scheint dem einzigen auswärtigen Besucher ein direktes Angebot offerieren zu wollen. Das friedliche Idyll am Meer trügt allerdings.
Im Hintergrund wird um den verlassenen Ort auch in diesen Tagen hart gerungen. Einmal mehr geht es dabei um Baurecht und Vogelschutz – und natürlich um Geld, sehr viel Geld. In dem seit Jahren andauernden Rechtsstreit zwischen einem Dortmunder Ehepaar und der Samtgemeinde um die illegal gebaute Umgehungsstraße im Westen des Ortes haben nun beide Seiten mit Bedacht den nächsten Zug gemacht.
Am Freitag hat die Stadt im Amtsblatt einen neuen Bebauungsplan für die so wichtige Straße veröffentlicht. Legal und befahrbar soll das mit Betonsperren blockierte Bauwerk damit endlich werden. Zumindest irgendwann, denn schnell geht in dieser Sache gar nichts. Seit sieben Jahren ist die Straße nun schon fertig und eine Lösung nicht in Sicht. „Nun kann neu geklagt werden“, sagt SamtgemeindeBürgermeister Harald Hinrichs mit Blick auf den verstaubten Asphalt und fügt hinzu: „Ich bin realistisch unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, dass wieder irgendjemand klagt, ist recht hoch.“
Und mit dieser Einschätzung dürfte Hinrichs richtig liegen, denn auch die andere Seite war in den vergangenen Monaten nicht untätig. Offenbar mit dem Ziel, den Druck auf die kleine Stadt zu erhöhen und noch etwas mehr Geld aus dem Rechtsstreit herauszuholen, hat das Ehepaar nun den 5-Sterne-Campingplatz des Ortes ins Visier genommen. Auch das touristische Highlight des Küstendorfes mit seinen 750 Wohnmobil-Stellplätzen sei einst illegal gebaut worden, heißt es aus Dortmund. Und das könnte Folgen haben für die Stadt. Denn obwohl bereits vor 20 Jahren angelegt, könnte der Betrieb der Anlage noch immer unterbunden werden, warnt die Frau des Klägers. Gar nicht auszudenken, so die Dortmunderin, was passieren würde, wenn ein Gericht davon erführe.
Das Problem ist auch in diesem Fall die fehlende Berücksichtigung des Vogelschutzgebietes bei der Planung. Wie schon bei der illegalen Straße habe sich auch bei dem Campingplatz und dem dazugehörigen Parkplatz niemand Gedanken über die Auswirkungen auf die brütenden Tiere gemacht, behauptet die Klägerin – und hat damit zumindest Teile des Rates in helle Aufregung versetzt.
„Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Situation das Potenzial hat, die bestehende Problematik um den Schwarzbau kommunale Entlastungsstraße noch weit zu übertreffen“, warnt Erwin Schultz, der für das Bündnis Zukunft Esens (BZE) im Rat sitzt, auf seiner Internetseite.
Doch wie könnte eine Lösung in dem verfahrenen Streit aussehen? 4,5 Millionen Euro hatte die 7000-Einwohner Stadt den Klägern zuletzt geboten – und ist damit abgeblitzt. In „begrenztem Ausmaß“könne die Stadt über Baugebiete und Geld sprechen, sagt der Bürgermeister. Doch in dem eigentlichen Streitpunkt, der Ausweisung eines 16 Hektar großen Gebietes der Kläger als Vogelschutzgebiet, seien ihm die Hände gebunden. „Hier wird keiner mehr den Fehler machen, den Naturschutz zu unterschätzen“, sagt Hinrichs und zuckt mit den Schultern: „Das Land wird die Fläche nicht zurückführen, damit ist überhaupt nicht zu rechnen.“
Der Unterschied zwischen Vogelschutzgebiet und Baugebiet ist sehr wohl zu berechnen. Er beträgt nach Darstellung der Klägerin 197 Euro. Pro Quadratmeter. Und es geht um 160 000 Quadratmeter Grundstücksfläche. Eine weitere Eskalation des Streits scheint also nicht unwahrscheinlich.
Fest steht indes, wer am Ende garantiert nicht gewinnen wird: der Vogelschutz.