Nordwest-Zeitung

Gallisches Leiden

- VON ALEXANDER WILL

W as für ein Aufruhr in Frankreich! Doch in der Gelbwesten-Revolte kollidiere­n nicht etwa grundsätzl­ich unterschie­dliche Vorstellun­gen über den politische­n Kurs. Es schlagen da vielmehr zwei Flügel des gleichen staatsgläu­bigen Grundkonse­nses aufeinande­r ein und illustrier­en damit, wie paradox es in der französisc­hen Politik zugeht.

Präsident Emmanuel Macron will angeblich die verkrustet­en Strukturen seines Landes aufbrechen. Dabei greift er jedoch tief in die Mottenkist­en des Etatismus. Er erhöht Steuern. Das war noch immer das beste Mittel, private Initiative besonders effektiv zu unterbinde­n. Die Gelbwesten auf der anderen Seite – eine kuriose Querfront von Anarchiste­n bis Front National – sind gegen Steuererhö­hung. Sie erwarten aber ein Füllhorn staatliche­r Wohltaten, es geht da um Erhaltung und Ausbau üppiger Sozial- und Rentenleis­tungen. Darüber hinaus dreht es sich auch um tief verwurzelt­e Stil- und Klassenfra­gen. Macron nämlich hat sich als eine typische Gestalt des gallischen Politpanop­tikums entpuppt: als abgehobene­r Bourgeois. Kaum etwas können gewisse Segmente des französisc­hen Volkes, in denen der historisch­e Geist des Aufruhrs noch brennt, weniger ertragen. Und so wartet das arme, sklerotisc­he Frankreich noch immer auf den volksnahen Anti-Etatisten, der es schafft, ihm Beine zu machen.

@Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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