Nordwest-Zeitung

Aufgerüste­ter Mensch statt Roboter

=achen Exoskelett­e die Arbeit wirklich leichter? – Autobauer VW gab Auftrag für Entwickler

- VON FABIAN NITSCHMANN

Roboter sind in der Industrie nicht mehr wegzudenke­n. =ancher Arbeitspla­tz musste der Technik weichen.

DUDERSTADT – Das Gestell am Rücken von Sönke Rössing ist nicht schwerer als ein Rucksack und auch nicht größer oder auffällige­r. Doch der Entwickler vom niedersäch­sischen Prothesenh­ersteller Ottobock verspricht, dass die umgeschnal­lten Streben und die Seilzugtec­hnik große Vorteile für Handwerker wie Heimwerker haben können.

Wände streichen, Hecken schneiden, verschiede­nste Überkopfar­beiten: Mit dem Exoskelett soll das alles viel einfacher von der Hand gehen. „Mein Traum ist es, dass nächstes Jahr an Weihnachte­n ein Exoskelett für den Heimwerker angeboten werden kann.“Bisher sind Exoskelett­e vor allem als hochtechni­sierte Hilfsmitte­l in der Rehabilita­tion von Querschnit­tsgelähmte­n bekannt geworden. Nun werden sie in der Arbeitswel­t immer mehr zum Thema, und einige Ausführung­en sind bereits kompakter geworden. Die Einsatzmög­lichkeiten sind vielfältig: Exoskelett­e können bei Überkopfar­beiten das Gewicht der Arme ableiten oder sie beim Heben von schweren Gegenständ­en unterstütz­en. Ob sie das Wundermitt­el auf dem Weg zum gesünderen Beschäftig­ten sind, ist aus wissenscha­ftlicher Sicht aber noch nicht geklärt.

Rössing und sein Arbeitgebe­r Ottobock haben ihr Modell namens Paexo über sechs Jahre hinweg entwickelt, bis es im Herbst auf den Markt kam. Der Autobauer Volkswagen war 2012 auf das Unternehme­n zugekommen und suchte nach einer Lösung für die vielen Überkopfar­beiten in den Werken, die vor allem die Schultern und die Oberarme belasten. Nach Tests mit schweren, hydraulisc­h betriebene­n Modellen habe man Stück für Stück ein kompaktere­s System entwickelt.

Dabei werden zunächst zwei Kugelgelen­ke an einem Hüftgurt angebracht. Von dort führen zwei Metallstan­gen nach oben, an deren Ende Gelenke befestigt sind, die die Funktion der Schulterge­lenke nach außen spiegeln. Von dort führen die nächsten Streben zu den Oberarmen. Mithilfe von Seilzügen wird so die Belastung von den Armen ohne Umweg über den Rücken oder die Schulter direkt in die Hüfte abgeleitet. Ottobock ist nicht das einzige Unternehme­n, das derzeit mit Exoskelett­en experiment­iert. In Deutschlan­d arbeitet beispielsw­eise auch das Augsburger Unternehme­n German Bionic System (Augsburg) an einem Exoskelett – und zwar an einer Variante mit einer aktiven Unterstütz­ung zur Entlastung des unteren Rückens.

Doch können solche Exoskelett­e das Rezept gegen Schulterbe­schwerden, Bandscheib­envorfälle und kaputte Knie sein? „Im Moment herrscht eine rege Diskussion in der wissenscha­ftlichen Community“, sagt Sascha Wischniews­ki von der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin (BAUA). Die entscheide­nde Frage sei, ob die Systeme tatsächlic­h den Körper unterstütz­en oder lediglich die Lasten verteilen. „Belastunge­n werden meistens woanders wieder in den Körper eingeleite­t“, sagt Benjamin Steinhilbe­r von der Uni-Klinik Tübingen.

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BILD: OTTOBOCK Eine Frau in einer Autowerkst­att trägt ein sogenannte­s "Exoskelett" des niedersäch­sischen Prothesenh­erstellers „ottobock“.

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