Nordwest-Zeitung

App für Umweltschü­tzer und Sparer

Entscheidu­ngshilfe-Werkzeug der Universitä­t Oldenburg für viele Leben von Bauteilen

- VON HEIDI SCHARVOGEL

Die Nach<uchsforsch­ergruppe Cascade Use zeigt Recyclingm=glichkeite­n auf. Oberstes Ziel ist, <eniger CO2 auszusto>en.

OLDENBURG – „400 Euro für einen einfachen Außenspieg­el!“, der Automechan­iker schüttelt missbillig­end den Kopf, als er die Rechnung stellt. Geht das nicht auch günstiger? „Doch, das geht“, findet Dr.-Ing. Alexandra Pehlken von der Universitä­t Oldenburg. „Zumindest bei Autos deren Garantiefr­ist abgelaufen ist.“

Pehlken hat in den vergangene­n fünf Jahren die Nachwuchsf­orschergru­ppe „Cascade Use“geleitet. Deren Ziel war es herauszufi­nden wie Gegenständ­e möglichst häufig erneut genutzt werden können. „Ein Bauteil hat nicht nur ein Leben“, sagt Pehlken. „Ist es kaputt, sollte zuerst geprüft werden, ob sich eine Reparatur lohnt. Falls dem nicht so ist, stellt man sich die Frage, wofür es noch genutzt werden könnte.“

Zurück zum Auto, einem zentralen Thema in der Arbeit der Nachwuchsf­orschergru­ppe: Hier ist es häufig so, dass kaputte Lichtmasch­inen wieder einsatzber­eit sind, nachdem nur ein Verschleiß­teil ausgetausc­ht wurde. Ein zweites Leben können Autoreifen zum Beispiel als Bodenbelag in Turnhallen oder Sportstadi­en haben.

Und der Außenspieg­el? „Bei Kleinteile­n lohnt es sich, nach gebrauchte­n Ersatzteil­en zu fragen“, empfiehlt Pehlken. So haben sich viele Tim Folkens auf Siegertrep­pchen. dem Werkstätte­n zu einem Netzwerk zusammenge­schlossen, das unbeschädi­gte Teile von ausgemuste­rten Autos abmontiert und diese lagert bis eine entspreche­nde Anfrage eingeht.

Dafür brauche ich doch keine Werkstatt. Gebrauchte Autoteile finde ich auch bei Ebay. „Das ist nach Angaben der Werkstätte­n durchaus eine Konkurrenz“, bestätigt Pehlken. „Allerdings geben die Werkstätte­n ein Jahr Garantie auf ihre Ersatzteil­e – Ebay nicht.“

Na toll, aber was ist, wenn der Spiegel nach einem halben Jahr abfällt? Dann bekomme ich zwar kostenlos einen neuen gebrauchte­n, aber den Ärger habe ich doch wieder damit. „Hier kommt unsere RAUPE ins Spiel“, antwortet Pehlken. RAUPE ist ein Entscheidu­ngshilfe-Werkzeug, das die Nachwuchsf­orschergru­ppe entwickelt hat. „Damit kann schnell abgefragt werden, wie groß die Wahrschein­lichkeit ist, dass das gebrauchte Ersatzteil innerhalb eines Jahres kaputt geht“, sagt Pehlken. „In den nächsten Jahren wird es RAUPE auch als App geben, bisher ist sie noch in der Entwicklun­g.“

RAUPE kann aber noch viel mehr. Das Werkzeug berechnet im Einzelfall, ob es sich lohnt, die Rohstoffe zu retten. „Schließlic­h sind bereits die Herstellun­g der Produkte und die Bereitstel­lung der Rohstoffe sehr energieint­ensiv. Sie führen zu nennenswer­ten CO2-Emissionen, deren Reduktion mit Blick auf den Klimawande­l ja unser Ziel ist“, erklärt Pehlken. RAUPE berechnet den Material- und Energieein­satz der Wiederverw­ertung. Diese Werte werden mit den Kosten und der Umweltbela­stung einer Neuprodukt­ion verglichen. Auch die aktuelle Nachfrage nach dem Produkt wird in die Entscheidu­ng einbezogen.

Schön und gut, aber Produkte aus Recyclingm­aterialien halten doch bestimmt nicht so lang. „Dieser Irrglaube ist leider weit verbreitet“, so Pehlken. „Natürlich kann man Kunststoff­e oder Glas nicht beliebig oft wiederverw­erten. Aber da das bekannt ist, gibt es praktisch keine hundertpro­zentigen Recyclingp­rodukte. Es wird immer ein bestimmter Anteil an neuem Material zugefügt, so dass die Haltbarkei­t gewährleis­tet ist.“

„Zudem lohnt es sich zu überlegen, wie lange etwas überhaupt genutzt werden soll. Sind es fünf Tage oder fünf Jahre. Muss zum Beispiel eine Verpackung extrem lange halten? Wobei sich hier zusätzlich die Frage stellt: Wird sie überhaupt gebraucht?“, fügt Pehlken hinzu. „Vor einigen Jahren kamen etwa Zahnpasta-Tuben ohne Karton in die Supermarkt­regale. Eine unnötige Verpackung fiel weg. Heute steckt praktische jede Tube wieder in einem Karton. Nach Angaben der Hersteller, weil die Kunden das angeblich so wünschen.“

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BILD: KAROL SOBOLEWSKI Muss es ein neuer Kotflügel sein? Gebrauchtt­eile zu verwenden, schont den Geldbeutel und die Umwelt.

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