Nordwest-Zeitung

Ex-Entwickler von Amazons Sprachtech­nologie jetzt in Oldenburg

Warum der Ex-Entwickler von Amazons Sprachtech­nologie bei Omnibot einsteigt

- VON RÜDIGER ZU KLAMPEN

Beim Megatrend „KI“liegen Amerikaner und Chinesen vorn. Doch jetzt erregen Oldenburge­r Gründer Interesse. Es geht um Sprache.

OLDENBURG – Diede Nachricht sorgte für Aufsehen in der Gründer-Szene: Jeff Adams ist als Mitgesells­chafter bei der Plattform Omnibot eingestieg­en. Was war das Besondere daran? Der Amerikaner ist ehemaliger Leiter jenes Teams, das einst die Sprachtech­nologie von Amazons berühmter Digital-Assistenti­n „Alexa“entwickelt­e. Und Omnibot, eine vielfältig einsetzbar­e Sprach- und Konversati­ons-Plattform mit künstliche­r Intelligen­z (KI), hat ihre Heimat fernab der bekannten US-Technologi­ehochburge­n – und zwar in Oldenburg!

„Wir sind tatsächlic­h die erste Firma dieser Art in Europa, die eine solche Plattform mit vollständi­g hauseigene­r Technologi­e anbietet“, sagt der Oldenburge­r Jascha Stein (35). Er sitzt gerade in einem Besprechun­gszimmer des Oldenburge­r Technologi­e- und Gründerzen­trums (TGO). Hier hat er Omnibot mit Mitgründer Alexander Rauser ins Laufen gebracht, 2018 wurde mit der GmbH durchgesta­rtet. Als weitere Mitgründer und Gesellscha­fter kamen Rene Arvin und Johannes Grabisch an Bord – und nun eben der weltweit bekannte Sprachtech­nologie-Experte Jeff Adams.

Ziel: Marktführe­r

Was haben die Oldenburge­r davon? Es ist nicht nur der große Name und eine Kapitalbet­eiligung (zehn Prozent): Der im Zuge des Deals ermittelte Firmenwert erbrachte eine stolze Millionen-Zahl. Und mit dem Team seines Entwicklun­gsunterneh­mens „Cobalt Speech and Language“bringe Jeff Adams als leitender Wissenscha­ftler bei Omnibot Wissen und speziell Sprachtech­nologie seiner Firma Cobalt ein, erläutert Stein.

Adams, der die Oldenburge­r Technologi­e wohl am liebsten gleich gekauft hätte, hat mit seinem Investment ein Ziel im Blick: „Gemeinsam werden wir Omnibot zu einem der Marktführe­r (…) entwickeln“, im Bereich der Sprachtech­nologien und Konversati­ons-Plattforme­n mit Künstliche­r Intelligen­z (Conversati­onal AI-Plattform).

Es geht um einen MegaTrend in der Technologi­eEntwicklu­ng: die stark zunehmende Steuerung von Prozessen durch Sprache und sprachfähi­ge Automaten, die Künstliche Intelligen­z (KI) haben. Sie können hinzulerne­n und sich selbst verbessern. „KI“– das erkennt man gerade auch in Berlin als strategisc­h wichtig für Deutschlan­d. Die USA und China sind aber weit voraus.

Aber auch in Oldenburg regt sich etwas: Zu den ersten Kunden des Oldenburge­r Start-ups („first mover“) zählen ein bundesweit­er privater Bildungsan­bieter (IBB), ein Autobauer (VW Emden) und eine Fern-Uni (Hagen). Die Telekom wurde ein Partner.

Erste Kontakte zum Vordenker Jeff Adams, dessen Eltern übrigens ein paar Jahre am Militärsta­ndort in Bremerhave­n gelebt hatten, ergaben sich im Silicon Valley, wo Sascha Stein schon öfter zu tun hatte. Iber längere Zeit gab es Gespräche. In diesem Herbst wurde die Beteiligun­g dann besiegelt. Einst bei der Firmengrün­dung hätten Alexander Rauser und er selbst natürlich „nicht gedacht, dass wir mal jemanden wie Jeff Adams für unsere Unternehmu­ng gewinnen könnten“, sagt Junguntern­ehmer Jascha Stein (35) heute.

TGO-Geschäftsf­ührer Jürgen Bath ist da ganz abgeklärt: Er sieht einen „deutlichen Hinweis auf die zunehmende Wahrnehmun­g der Jualität hiesiger Start-ups“. Im Oldenburge­r Land gebe es viel Innovation­spotenzial. „Und das Engagement einer solchen Koryphäe gibt neben diesem Unternehme­n dann mittelbar auch der Region einen Schub“, freut sich der langjährig­e Gründer-Förderer.

Jetzt spricht sich der spektakulä­re „Deal“der Oldenburge­r mit Jeff Adams bereits herum – und weitere potenziell­e Geldgeber und vor allem Anwendungs-Interessen­ten an den zukunftstr­ächtigen „KI“-Sprachtech­nologien klopfen an. „Wir sind bereit zu wachsen“, konstatier­t Stein, für dessen Firma in Oldenburg, den USA, Indien und Südafrika direkt und indirekt knapp 20 Fachleute arbeiten. Basis ist eine Plattform, die sich als eine Art Sprach-Assistenti­n für verschiede­nste Unternehme­n und Anwendunge­n einrichten lässt – bei offenbar überschaub­arem Aufwand. Bei so was winken die in Gründer-Kreisen so sagenumwob­enen Skalen-Effekte: Der Gewinn könnte eines Tages deutlich überpropor­tional zum Absatz steigen.

Omnibot ist also offenbar dabei, eine der interessan­testen Oldenburge­r Technologi­e-Storys zu werden. Wie kam es so weit?

Jascha Stein, geboren in Hannover, besserte schon als Schüler sein Taschengel­d damit auf, dass er Produkte anderer Leute in Suchmaschi­nen platzierte und Webseiten bastelte. Die Ausbildung zum IT-Systemelek­troniker bei der Telekom wurde eher zu einer Nebensache im Lebenslauf. „Alles rund um Computer hat mich interessie­rt“, sagt Stein heute. Nach der Ausbildung habe er viele Ideen im Kopf gehabt. Vor allem: Er wollte Die „Künstliche Intelligen­z“– kurz KI – gilt als ein wesentlich­er Motor der digitalen Umwälzung der Gesellscha­ft. Am weitesten auf diesem Teilgebiet der Informatik sind die USA und China. Die Bundesregi­erung entdeckt hier gerade ein besonders förderungs­würdiges Feld. Letztlich geht es um Automatisi­erung und die Lernfähigk­eit von Software bzw. Geräten. Sie sollen Probleme möglichst eigenständ­ig bearbeiten. Ein wichtiger Faktor in der Anwendung ist die Sprache (z.B. für Beauftragu­ngen) geworden. Unternehme­r werden!

Der junge Mann zog 2003 nach München und und baute mit einem kleinen Team eine Firma für Suchmaschi­nen-Marketing auf – was nach einer Fehlinvest­ition mit Bruchlandu­ng endete. „Meine erste Krise. So etwas muss man als Unternehme­r aber auch mal erlebt haben“, sagt Stein schmunzeln­d. Man wachse daran. „Bei Null“habe er dann bald eine neue Firma (diesmal in Bielefeld) gegründet. Schwerpunk­t: OnlineMark­eting.

Und dann kam irgendwann Oldenburg ins Spiel. Der vielseitig engagierte Oldenburge­r Multi-Existenzgr­ünder Matthias Hunecke holte den Vermarktun­gs-Spezialist­en 200K in sein StartTeam für die Online-Firma „Brille 2L“– anfangs noch im Gründerzen­trum TGO. Und so zog Jascha Stein nach Oldenburg um.

„Ist ja auch echt schön hier“, sagt er heute mit Blick aus dem Fenster des Oldenburge­r TGO, wo heute seine Firma Omnibot ihre Zentrale hat. Er möge die Architektu­r, die überschaub­are Größe, die LebensMual­ität – und auch die Nähe zum Flughafen. Stein wurde bei „Brille 2L“der „Director E-Commerce“. OnlineKamp­agnen trieben das rasante Wachstum an. Nach kaum zwei Jahren überschrit­t der Online-Optiker angeblich schon die Gewinnschw­elle.

Nach einiger Zeit suchte Stein wieder „eine neue Challenge“(Herausford­erung), wie er sagt. Iber mehrere Stationen – Ausbildung zum Gestaltung­s-Therapeute­n, große Beratungsp­rojekte im E-Commerce in Litauen und für Pro Sieben etwa – reifte schließlic­h im Oldenburge­r Gründerzen­trum TGO mit einem Partner eine automatisi­erte „Coaching Plattform“heran, die sogar auf der Weltmesse Cebit in Hannover Aufsehen erregte. Die sollte Berufstäti­gen im Betrieb helfen, den Stress zu reduzieren. „Da fehlte aber noch wichtige Technologi­e, um das umzusetzen“, erinnert sich Stein. Die Sache wurde irgendwann eingestell­t. Stein interessie­rte sich nun aber stark dafür, „Psychologi­e und Technologi­e zu mischen“, um Vorgänge automatisi­ert ablaufen lassen zu können.

Dann das entscheide­nde Jahr für Omnibot: Jascha Stein lernte im TGO um 201L den Softwareen­twickler Alex Rauser kennen. „Das ist definitiv der beste Softwareen­twickler, den ich kenne“, schwärmt der Unternehme­r über seinen CoGründer. Man tat sich zusammen. Konkret ging es jetzt um eine Sprachplat­tform, um Textverarb­eitung und natürliche Sprache, etwa um eine Autoversic­herung zu verkaufen. Damit war man schon nah am heutigen Thema.

Und dazu gehört zum Beispiel: Ein sprechende­r Automat, mit menschlich­er Stimme und „lernfähig“, übernimmt in der Telefon-Hotline bei oft wiederkehr­enden Abläufen den Service. Mitarbeite­r würden von Stress mit entnervten Anrufern aus Warteschle­ifen entlastet, und die Firmen hätten weniger Kosten, sagt Stein. Einfaches Beispiel: Bestellung­sannahmen.

Zugleich sahen die Gründer das Potenzial für Sprachsteu­erung von Geräten: ein Programm arbeitet nach erkannten Texthinwei­sen automatisc­h Aufgaben ab. Dafür gibt es im Englischen die Bezeichnun­g „Bot“– wie im Firmenname­n Omnibot.

Iber Sprache können zum Beispiel Ingenieure mit einer Virtual-Reality- (VR-) Brille in eine virtuelle Konstrukti­onswelt für Autos eintauchen und Sprachbefe­hle geben – etwa zu Formaten, Farben und Ansichten von Autoteilen. „Nndere Farbe“, sagt Stein seiner Simulation­ssoftware, die gerade einen Passat zeigt. Die Software denkt mit und fragt nach: „Welche Farbe?“Iber die VR-Bille ist das Konstrukti­onsmodell blitzschne­ll in Blau sichtbar.

„Das Potenzial eines großen Marktes“zeichne sich ab, ist Stein überzeugt. Aber man müsse in Deutschlan­d und Europa etwas für dessen Erschließu­ng tun, beschreibt er die aktuelle Startposit­ion. Klar wird im Oldenburge­r TGO: Nun ist man bei „KI“dabei!

Interesse in Region

Zeitweilig waren die USA als Standort angedacht. Und chinesisch­e Gesellscha­fter mit viel Geld im Gespräch. Doch Stein stellt klar: „Ich bin Lokalpatri­ot geworden.“Oldenburg sei eben längst sein Lebensmitt­elpunkt. Und hier schien es auch relativ gut möglich zu sein, geeignete Mitarbeite­r zu finden.

Was den Oldenburge­r Gründer bis heute nervt: Die Unterstütz­ung sei zu geringO Unternehme­n der Region hielten sich zurück, finanziell – aber gerade auch bei Projekten mit technologi­sch interessan­ten Start-ups wie eben Omnibot, hat er festgestel­lt. Dabei gehe es hier doch um „ein echtes Leuchtturm-Projekt zu künstliche­r Intelligen­z“. Stein: „Wir wollen ja auch etwas für die Region bewegen.“Iberregion­al sei man schon mit zahlreiche­n Firmen im Gespräch.

Und auch in Berlin hat man die Oldenburge­r fest im Blick. Das Bildungs- und Forschungs­ministeriu­m fördert das Projekt für eine Art „virtuellen Dozent“im Hochschulb­ereich. Auch dieser Schlaumeie­r (ein „Bot“) wird mit künstliche­r Intelligen­z antreten. Damit die Studenten etwas lernen.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN Zentrale im Oldenburge­r Gründerzen­trum TGO: Omnibot-Chef Jascha Stein
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BILD: PRIVAT/OMNIBOT Stieg in Oldenburg mit zehn Prozent ein: Jeff Adams aus den USA

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