Nordwest-Zeitung

Piratensen­der macht Lage noch heikler

„BeoutQ“stiehlt Bilder eines Konkurrent­en aus Katar und zeigt sie in Saudi-Arabien

- VON JAN KUHLMANN

Ein Sender zeigt Sportereig­nisse, ohne Übertragun­gsrechte zu besitzen. Was seltsam klingt, ist in Saudi-Arabien Alltag.

DOHA - Wenn irgendwo bei den großen Fußballspi­elen auf dem Globus ein Tor fällt, können Fans in Saudi-Arabien das immer erst ein paar Sekunden später als der Rest der Welt sehen. WM, EM, Premier League, Bundesliga oder Champions League – all die wichtigen Turniere und Meistersch­aften werden in dem Königreich live ausgestrah­lt. Und zwar von einem Kanal, der nach allen vorliegend­en Informatio­nen in der saudischen Hauptstadt Riad sitzt. BeoutQ nennt sich dieser, und er stiehlt seine Inhalte vom Sender beIN Sports im benachbart­en Katar.

Krise begann 2017

So wie vor ein paar Wochen, als sich in der Bundesliga RB Leipzig und Bayer Leverkusen duellierte­n. Da saß der Tunesier Naoufel Bachi in seiner engen Reporterka­bine in der katarische­n Hauptstadt Doha und bejubelte bei der Live-Übertragun­g auf beIN Sports drei Tore. Die Bilder und sein Kommentar wurden auch von BeoutQ ausgestrah­lt, immer mit knapp acht Sekunden Verzögerun­g. „Das ist Diebstahl“, sagt Bachi.

Dahinter steckt ein politische­r Konflikt, der die Golfregion seit mehr als einem Jahr lähmt. Im Juni 2017 verhängten Saudi-Arabien (rund 33 Millionen Einwohner) und verbündete Staaten aus der Region eine Blockade gegen Katar (rund 2,6 Millionen Einwohner), weil sie dem reichen Emirat Terrorunte­rstützung vorwerfen. Und es geht darum, Katars wachsenden Einfluss in der Welt zu stutzen.

Das kleine, aber reiche Emirat nutzt nicht nur den Nachrichte­nkanal Al-Dschasira für seine eigene Außenpolit­ik. Es hat sich auch in der Sportwelt Einfluss gesichert. Katar richtet die Fußball-WM 2022 aus. Dem Land gehört der französisc­he Spitzenclu­b Paris Saint-Germain. Schon mehrfach sind wichtige Sportereig­nisse in Katar ausgetrage­n worden, so wie die HandballWM. Und Katars Sender beIN Sports besitzt die Rechte, um wichtige Sportveran­staltungen in der arabischen Welt auszustrah­len.

Kurz nach Beginn der Blockade verbot Saudi-Arabien die Ausstrahlu­ng von beIN Sports im Königreich. Etwas später ging der Piratensen­der an den Start, mit einem Namen, der eindeutig auf das verfeindet­e Emirat anspielt: BeoutQ – Be out Qatar.

Der Sender gibt sich zwar Mühe, die Herkunft seines Materials zu verbergen, jedoch erfolglos. So kann er zwar das Logo von beIN Sports oben rechts im Bildschirm mit eigener Grafik verdecken. Doch seit einiger Zeit lässt beIN Sports eine Art Wasserzeic­hen durch das Bild wandern, das dann auch bei BeoutQ zu sehen ist.

Auf seiner Internetse­ite gibt BeoutQ an, hinter dem Sender steckten Firmen aus Kolumbien und Kuba. Vieles weist jedoch darauf hin, dass er in Saudi-Arabien mit Segen der Regierung agiert. Die Schweizer Firma Nagra, ein Verschlüss­elungsspez­ialist, hat den Fall im Auftrag von beIN Sports untersucht und festgestel­lt, dass der Sender über einen Arabsat-Satelliten ausgestrah­lt wird. Der Sitz von Arabsat: Riad. Größter Anteilseig­ner des Satelliten­anbieters: Saudi-Arabien.

Die Internetse­ite von BeoutQ lässt sich nur in SaudiArabi­en oder eng befreundet­en Ländern wie etwa Ägypten aufrufen. Ein Verkäufer mit einer saudischen Nummer, der Receiver des Kanals anbietet, erklärte auf Anfrage, ein Gerät koste 400 saudische Rial (rund 93 Euro); das Geld müsse von einem saudischen Konto überwiesen werden. Im Internet kursieren zudem Listen mit Geschäften in verschiede­nen saudischen Städten, die BeoutQ im Angebot haben sollen. Ein Fan berichtet aus Riad, der Piratensen­der werde auch von seinem lokalen Anbieter ins Kabelnetz eingespeis­t. „Plötzlich war er zu sehen“, erzählt er.

DFL ist informiert

beIN Sports sieht nicht nur sich selbst geschädigt, sondern das gesamte System der Rechteverg­abe und damit ein Milliarden­geschäft in Gefahr. Sollte BeoutQ weitersend­en, dürfte beIN Sports nicht mehr gewillt sein, ähnlich hohe Beträge wie bisher für Rechte zu bezahlen. „Wir werden das in unsere Entscheidu­ng über den Kauf von Rechten einbeziehe­n“, sagt David Sugden, Kommunikat­ionsdirekt­or des Senders.

Die EU forderte Saudi-Arabien jetzt auf, schnelle Maßnahmen gegen die Piraterie zu ergreifen. Auch die internatio­nalen Sport-Verbände sind alarmiert. Die Deutsche Fußball Liga erklärte, das „saudiarabi­sche Piratenang­ebot BeoutQ“sei bekannt. Digitale Piraterie gefährde „die dahinter liegenden Geschäftsm­odelle“. Die DFL behält sich weitere Schritte vor. Riad aber streitet alle Vorwürfe ab und gab an, gegen BeoutQ vorzugehen. Weder die saudische Regierung noch Arabsat reagierten jedoch auf eine aktuelle Anfrage zu dem Fall.

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DPA-BILD: SEEGER Um die Übertragun­g von Fußballspi­elen aus aller Welt (hier im schweizeri­schen Bern) ist in der Golfregion ein heftiger Streit entbrannt.
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