Essen ist viel mehr als nur Sattwerden
Diskussion über die zukünftige Ernährung in der Reihe „:orschung made in Niedersachsen;
Wissenschaftler disku9 tierten in der Uni Vech9 ta. Thema: Wie ernähren wir uns nachhaltig?
VECHTA – Wie kann die Ernährung für alle Menschen auf der Welt in Zukunft aussehen? Was ist „gutes Essen“, und was bedeutet nachhaltige Ernährung? Diese Fragen diskutierten fünf niedersächsische Wissenschaftler kürzlich in der Universität Vechta in der Reihe „Forschung made in Niedersachsen“des Niedersächsischen Wissenschaftsministeriums. „Nicht zuletzt ist Hunger eine der Fluchtursachen auf der Welt“, nannte Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) eines der Probleme.
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Den ganz großen Zusammenhang stellte gleich zu Beginn Prof. Dr. Eva Barlösius von der Universität Hannover her: „Am Anfang von allem stand und steht bis heute das Nahrungsbedürfnis, weshalb beinahe alles, was Menschen entwickelt haben, eng mit dem Essen verwoben ist: ethische und religiöse Vorschriften, kulturelle und soziale Regeln, Vorstellungen von Gerechtigkeit, Verantwortung und Gemeinschaft sowie die Aufforderung zu teilen. Deshalb werden bis heute Debatten und Auseinandersetzungen darüber, was sein soll und was nicht, oftmals mit Rückgriff auf Essen und Ernährung geführt.“Essen sei eine Sprache der Verständigung, und Aussagen zum Essen seien oft Werturteile.
Prof. Dr. Arno Ruckelshausen, Physiker an der Hochschule Osnabrück, wies da- rauf hin, dass der Welterschöpfungstag, an dem jedes Jahr die Ressourcen verbraucht sind, die in einem Jahr wieder nachwachsen, von Ende Dezember im Jahr 1970 auf den 1. August 2018 vorgerückt sei. Der Einsatz von ressourcenschonender Technik in der Nahrungsmittel produzierenden Landwirtschaft werde daher unter dem Nachhaltigkeitsgesichtspunkt immer wichtiger. Die derzeitige digitale Transformation in der Agrartechnik sei daher auch ein Beitrag, ökonomische und ökologische Ziele miteinander zu vereinbaren.
Für einen Umbau des Nahrungsmittelsystems plädierte auch Dr. Peter Holl, stellvertretender Leiter des Brüsseler Büros des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik (DIL/ Quakenbrück). Neben Nachhaltigkeit spiele aber auch Vertrauenswürdigkeit eine große Rolle. Der Verbraucher und Konsument entscheide letztendlich, wie er sich ernährt.
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Die Konsumenten waren für Prof. Dr. Nick Lin-Hi, Wirtschaftsethiker an der Universität Vechta, bis vor kurzem ein Nachhaltigkeitsbremser. Nach Umfragen sind dem Verbraucher zwar Nachhaltigkeit und Gesundheit sehr wichtig; einen Preis dafür bezahlen will er aber nicht – „vor allem in Deutschland nicht“. Lin-Hi begeistert sich für sogenannte Nudgingstrategien. Das sind Methoden, mit denen das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise beeinflusst wird, ohne dabei auf Verbote, Gebote oder ökonomische Anreize zurückzugreifen. So habe seine dreijährige Tochter immer Trinkwasser in Griffweite; an süße Getränke komme sie nur mit größerer Anstrengung. Lin-Nie sieht in jüngster Zeit neue Konsummuster und setzt auf die schonende Erziehung der Verbraucher.
Drei Szenarien für die Ernährung im Jahr 2030 stellte Dr. Thomas Ellrott von der Universität Göttingen vor: Einfaches Sattwerden in einem virtuellen Umfeld (mit Online-Einkauf); ressourcenschonende Ernährung in einer wertorientierten Gesellschaft; Ernährung zur Selbstoptimierung in einer leistungsorientierten Gesellschaft. Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten dieser Szenarien wollte er nicht geben. Er wünsche sich Essen als Erlebnis, „als soziales Lagerfeuer“.
Die Frage, wie wir uns ernähren sollten, beantwortete Eva Barlösius schließlich mit zwei Worten: mäßig und abwechslungsreich. „Das war schon in der Antike die Regel.“