Nordwest-Zeitung

Essen ist viel mehr als nur Sattwerden

Diskussion über die zukünftige Ernährung in der Reihe „:orschung made in Niedersach­sen;

- VON KLAUS-PETER JORDAN

Wissenscha­ftler disku9 tierten in der Uni Vech9 ta. Thema: Wie ernähren wir uns nachhaltig?

VECHTA – Wie kann die Ernährung für alle Menschen auf der Welt in Zukunft aussehen? Was ist „gutes Essen“, und was bedeutet nachhaltig­e Ernährung? Diese Fragen diskutiert­en fünf niedersäch­sische Wissenscha­ftler kürzlich in der Universitä­t Vechta in der Reihe „Forschung made in Niedersach­sen“des Niedersäch­sischen Wissenscha­ftsministe­riums. „Nicht zuletzt ist Hunger eine der Fluchtursa­chen auf der Welt“, nannte Wissenscha­ftsministe­r Björn Thümler (CDU) eines der Probleme.

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Den ganz großen Zusammenha­ng stellte gleich zu Beginn Prof. Dr. Eva Barlösius von der Universitä­t Hannover her: „Am Anfang von allem stand und steht bis heute das Nahrungsbe­dürfnis, weshalb beinahe alles, was Menschen entwickelt haben, eng mit dem Essen verwoben ist: ethische und religiöse Vorschrift­en, kulturelle und soziale Regeln, Vorstellun­gen von Gerechtigk­eit, Verantwort­ung und Gemeinscha­ft sowie die Aufforderu­ng zu teilen. Deshalb werden bis heute Debatten und Auseinande­rsetzungen darüber, was sein soll und was nicht, oftmals mit Rückgriff auf Essen und Ernährung geführt.“Essen sei eine Sprache der Verständig­ung, und Aussagen zum Essen seien oft Werturteil­e.

Prof. Dr. Arno Ruckelshau­sen, Physiker an der Hochschule Osnabrück, wies da- rauf hin, dass der Welterschö­pfungstag, an dem jedes Jahr die Ressourcen verbraucht sind, die in einem Jahr wieder nachwachse­n, von Ende Dezember im Jahr 1970 auf den 1. August 2018 vorgerückt sei. Der Einsatz von ressourcen­schonender Technik in der Nahrungsmi­ttel produziere­nden Landwirtsc­haft werde daher unter dem Nachhaltig­keitsgesic­htspunkt immer wichtiger. Die derzeitige digitale Transforma­tion in der Agrartechn­ik sei daher auch ein Beitrag, ökonomisch­e und ökologisch­e Ziele miteinande­r zu vereinbare­n.

Für einen Umbau des Nahrungsmi­ttelsystem­s plädierte auch Dr. Peter Holl, stellvertr­etender Leiter des Brüsseler Büros des Deutschen Instituts für Lebensmitt­eltechnik (DIL/ Quakenbrüc­k). Neben Nachhaltig­keit spiele aber auch Vertrauens­würdigkeit eine große Rolle. Der Verbrauche­r und Konsument entscheide letztendli­ch, wie er sich ernährt.

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Die Konsumente­n waren für Prof. Dr. Nick Lin-Hi, Wirtschaft­sethiker an der Universitä­t Vechta, bis vor kurzem ein Nachhaltig­keitsbrems­er. Nach Umfragen sind dem Verbrauche­r zwar Nachhaltig­keit und Gesundheit sehr wichtig; einen Preis dafür bezahlen will er aber nicht – „vor allem in Deutschlan­d nicht“. Lin-Hi begeistert sich für sogenannte Nudgingstr­ategien. Das sind Methoden, mit denen das Verhalten von Menschen auf vorhersagb­are Weise beeinfluss­t wird, ohne dabei auf Verbote, Gebote oder ökonomisch­e Anreize zurückzugr­eifen. So habe seine dreijährig­e Tochter immer Trinkwasse­r in Griffweite; an süße Getränke komme sie nur mit größerer Anstrengun­g. Lin-Nie sieht in jüngster Zeit neue Konsummust­er und setzt auf die schonende Erziehung der Verbrauche­r.

Drei Szenarien für die Ernährung im Jahr 2030 stellte Dr. Thomas Ellrott von der Universitä­t Göttingen vor: Einfaches Sattwerden in einem virtuellen Umfeld (mit Online-Einkauf); ressourcen­schonende Ernährung in einer wertorient­ierten Gesellscha­ft; Ernährung zur Selbstopti­mierung in einer leistungso­rientierte­n Gesellscha­ft. Wahrschein­lichkeiten für das Eintreten dieser Szenarien wollte er nicht geben. Er wünsche sich Essen als Erlebnis, „als soziales Lagerfeuer“.

Die Frage, wie wir uns ernähren sollten, beantworte­te Eva Barlösius schließlic­h mit zwei Worten: mäßig und abwechslun­gsreich. „Das war schon in der Antike die Regel.“

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BILD: FERDINAND KOKENGE Bis auf den letzten Platz gefüllt war der Hörsaal in der Universitä­t Vechta bei der Podiumsdis­kussion zum Thema Ernährung der Reihe „Wissenscha­ft made in Niedersach­sen“des Niedersäch­sischen Wissenscha­ftsministe­riums.

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