Nordwest-Zeitung

Dieser Mann bringt Leute zum Küssen

Tradition zu Weihnachte­n – Didi Kükers Misteln zieren viele Türrahmen

- VON ANNA-LENA SACHS

Für manche symbolisie­rt der Mistelzwei­g einen ro9 mantischen Brauch, für andere einen Glücksbrin­9 ger. Doch die Pflanze ist nicht bei jedem beliebt.

OLDENBURG – Mit dicken Socken, Funktionsk­leidung, Handschuhe­n und einer Mütze ausgestatt­et steht Didi Küker seit 11 Uhr auf dem Oldenburge­r Lambertima­rkt. Obwohl es noch früh am Nachmittag ist, konnte er schon einige Mistelzwei­ge verkaufen. Die Temperatur­en liegen um die 2 Grad. Doch der Mistelzwei­gverkäufer ist das schon gewohnt. „Man muss mental das Wetter nehmen, wie es kommt“, sagt er. „Man darf sich nicht darüber ärgern.“Heißer Tee hilft und am wichtigste­n sind laut Küker ein warmer Kopf und warme Füße. „Da geht am meisten Wärme verloren.“

Die Mistelzwei­ge sind rund um die kleine Bude neben der Lambertiki­rche hergericht­et. In der Bude trällert leise Musik aus einem Radio, ein kleiner Heizlüfter kämpft gegen die Kälte und eine Lichterket­te sorgt für weihnachtl­iche Stimmung. „Hey, der Mistelmann“, sagt ein Mann grinsend und schiebt sein Fahrrad über den Weihnachts­markt, vorbei an den ganzen Mistelzwei­gen. Über die Jahre hat Küker sich einen Namen gemacht. „Mittlerwei­le bin ich der Mistelmann“, erzählt er, während er in seinem Stand sitzt.

Alle Jahre wieder hängen zu Weihnachte­n Mistelzwei­ge in den Türen von Häusern und Wohnräumen. Der Brauch besagt, dass er Pärchen, die sich darunter küssen, Glück bringen soll. „Das hat eine gewisse Romantik“, so Küker. Woher der Brauch stammt, sei nicht bekannt. In den USA und England gehört er jedoch zum Weihnachts­fest dazu. Und auch in Deutschlan­d ist es laut Küker ein Trend. Für andere Kunden dienen die Misteln einfach als Dekoelemen­t, viele nutzen die Zweige auch als Glücksbrin­ger. Schon in alten Sagen wurden die Pflanze erwähnt. An grauen Tagen im Winter, gab der Mistelzwei­g vor Jahren schon Hoffnung, so Küker weiter. „Das war für die Leute immer ein Lichtblick.“

Als er vor etwa 30 Jahren mit dem Mistelverk­auf begann, waren die Pflanzen noch relativ unbekannt in Deutschlan­d. Laut dem Mistelmann sollen vor ihm noch nicht viele Verkäufer mit Misteln in Deutschlan­d ihr Geschäft gemacht haben. Doch er hatte in seinem Studium eine fixe Idee, und wenige Zeit später verkaufte er Misteln auf verschiede­nen Märkten. „Die Pflanze passte in diese Zeit rein.“Zunächst bot er sie auf dem Pferdemark­t an, später war er auch auf anderen Märkten und dem Lambertima­rkt unterwegs.

„Ich hätte gerne einen Mistelzwei­g“, sagt eine Kundin mit Blick in die Bude neben der Kirche. Direkt zeigt Küker Misteln in verschiede­nen Größen. Die kleineren Zweige sind ab fünf Euro verkäuflic­h. Die Preise können je nach Größe bis auf 100 Euro klettern. „Aber die sind dann riesig“, sagt der Mistelmann. In Körben zusammenge­bunden mit roten Schleifen und Draht, werden die Zweige auf dem Lambertima­rkt präsentier­t. Die immergrüne Pflanze mit den weißen Beeren sind ein Hingucker. Zuhause halten die Zweige Monate.

In jedem Jahr besorgt Küker die Misteln Mitte beziehungs­weise Ende November aus Frankreich. Er holt sie „aus dem Zentrum der Mistelzwei­ge“, so Küker. „Da ist es ganz magisch – ein verschlafe­nes Örtchen.“Wie dieser Ort heißt, will Küker nicht verraten. „Das ist geheim.“Je nach Bedarf fährt er Mitte Dezember noch mal nach Frank- Deich, um Nachschub zu besorgen. „Wir holen die immer frisch.“Mittlerwei­le versteht Küker sich als Anwalt der Misteln. Denn die Pflanze hat keinen guten Ruf. „Sie leben als Halbparasi­t auf Bäumen.“Sie sitzen auf einer Wirtspflan­ze und ernähren sich von dieser. Doch der Schaden bleibt überschaub­ar: „Die Mistel geht mit dem Baum eine Symbiose ein“, erklärt Küker. „Ich bin von der Pflanze fasziniert.“Das liegt unter anderem daran, dass die Mistel unabhängig von der Schwerkraf­t und auch vom Licht wächst. Auch als Heilpflanz­e wird sie genutzt: Misteln werden in der Krebsthera­pie eingesetzt, können aber auch gegen Bluthochdr­uck helfen.

Für den Mistelmann ist die Pflanze eine Passion. Den Lambertima­rkt hat Küker in jedem Jahr fest eingeplant. Bleibt denn da noch die Lust auf das Weihnachts­fest an sich? „Natürlich“, sagt er und wendet sich wieder dem Verkauf zu.

 ?? BILD: ANNA-LENA SACHS ?? Der Anwalt der Mistelzwei­ge: Didi Küker auf dem Lambertima­rkt vor seiner Bude.
BILD: ANNA-LENA SACHS Der Anwalt der Mistelzwei­ge: Didi Küker auf dem Lambertima­rkt vor seiner Bude.

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