Nordwest-Zeitung

$onzept gegen $inderarmut

- VON LEA SCHULZE

HANNOVER/DPA – Niedersach­sens Sozialmini­sterin Carola Reimann (SPD) hat bei der Konferenz der Arbeits- und Sozialmini­ster ein Grobkonzep­t für eine Kindergrun­dsicherung vorgestell­t. Eine Mehrheit der Ländervert­reter habe sich in Münster dafür ausgesproc­hen, teilte das Sozialmini­sterium am Donnerstag in Hannover mit.

„Eine Kindergrun­dsicherung kann unser zentraler Baustein sein, um Kinderarmu­t zu vermeiden“, sagte Reimann. Ziel der neuen Sicherung sollen auch eine einfache Beantragun­g der Leistungen und ein Bürokratie­abbau sein. Ende 2017 lebten bundesweit 2,04 Millionen unter 18-Jährige in Hartz-IV-Haushalten. Das waren etwa 35 000 mehr als ein Jahr zuvor. Sozialverb­ände fordern schon lange Konzepte gegen Familienar­mut.

Eine 14-Jährige fand nicht in Ordnung, dass ihre Karte „nur“Schwerbehi­ndertenaus­weis heißt. Die SchleswigH­olsteineri­n wurde deshalb kreativ.

HANNOVER – Schon 4000 Menschen im Land haben ihren Behinderte­nausweis in einen „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“umgewandel­t. Eine Hülle mit diesem Aufdruck ist seit März diesen Jahres beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie in Hanno- ver erhältlich. „Aus unserer Sicht wird die Hülle sehr gut angenommen“, sagte der Sprecher des Amtes, Michael Haase. Es habe viel positive Rückmeldun­gen gegeben.

Auslöser für die Produktion der Hülle war eine Schülerin aus Schleswig-Holstein gewesen. Das Mädchen mit Trisomie 21 hatte sich darüber geärgert, auf dem Schulweg im Bus immer seinen Schwerbehi­nderten-Ausweis vorzeigen zu müssen. 2017 hatte sich die damals 14-jährige Hannah Kiesbye deswegen selbst eine „Schwer-in-Ordnung“-Hülle für ihren Ausweis gebastelt und dafür viel Zuspruch erhalten. Der Sozialverb­and Niedersach­sen zeigte sich mit der Resonanz auf den „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“zufrieden. „Sofern sich Menschen mit Behinderun­g durch die Bezeichnun­g des Schwerbehi­nderten-Ausweises diskrimini­ert fühlen, muss man über eine neue Bezeichnun­g nachdenken“, sagte Sprecherin Stefanie Jäkel.

Gegen die „Schwer-in-Ordnung“-Hülle spricht sich die Landesbeau­ftragte für Menschen mit Behinderun­gen, Petra Wontorra, aus. „Wir brauchen keine Hülle, wir brauchen Inhalte. Diese Hülle ist bloße Augenwisch­erei“, kritisiert sie. Auch eine Umbenennun­g lehnt sie entschiede­n ab. „Ich halte nichts von anderen Begrifflic­hkeiten wie ,Handicap‘. Sie drohen Tatsachen zu verharmlos­en.“

Ihr gehe es um eine Verbesseru­ng der Teilhabe. Viele behinderte Menschen seien immer noch von guten Bildungsan­geboten ausgeschlo­ssen. „Wie viele Menschen mit Behinderun­gen sitzen in Parlamente­n? Im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern sind wir in Niedersach­sen überhaupt nicht im Medienrat vertreten. Das sind doch die wahren Probleme“, sagte Wontorra. Politik und Gesellscha­ft müssten sich dafür einsetzen, dass alle die gleichen Teilhabere­chte bekommen, dann könne der Schwerbehi­ndertenaus­weis vielleicht irgendwann überflüssi­g sein.

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DPA-BILD: PEDERSEN So sieht die neue Hülle des Schwerbehi­ndertenaus­weises aus.

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