Wenn das Abendbrot zur Lebensgefahr wird
Rohwurst im Heim, Räucherfisch in der Klinik? Patienten werden Keimrisiko ausgesetzt
BERLIN – Wenn Opa nach einer Operation zum Abendbrot im Krankenhaus Teewurst bekommt, sind Lebensmittelkontrolleure alarmiert. Denn dieser Aufstrich gehört zu den Rohwürsten. Bei solchen Fleischprodukten liegt das Keimrisiko, das bei geschwächten Menschen leichter zu Infektionen führen kann, generell höher. Nach Meinung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) setzen zu viele deutsche Kliniken und Heime Patienten und Bewohner mit ihrer Essensverpflegung solch unnötigen Gesundheitsrisiken aus. „Es ist erschreckend, dass in so vielen Einrichtungen, in denen man gesund werden soll, das Risiko besteht, am Essen zu erkranken“, sagte Präsident Helmut Tschiersky.
Beleg dafür seien die 1880 bundesweiten Klinik- und Heimkontrollen im Jahr 2017, erläuterte Tschiersky. Mehr als die Hälfte der Betriebe (55 Prozent) kannte laut BVL nicht die Lebensmittel-Empfehlungen für Speisepläne, die es seit 2011 zum Schutz empfindlicher Personengruppen gibt.
Deshalb bekamen Patienten und Bewohner zum Beispiel Harzer und Limburger Käse sowie Räucherfisch serviert. Rotschmierkäse und ungekochter Fisch können wie Rohwürste, Feinkostsalate und Tiefkühlbeeren nach BVL-Angaben jedoch leichter mit Keimen wie zum Beispiel Listerien, E.coli oder Salmonellen belastet sein. Sie können damit kranken oder alten Menschen mit einem geschwächtem Immunsystem schaden. Bei Vorerkrankungen könnten Lebensmittel-Infektionen aber dramatische Verläufe nehmen – bis hin zu Todesfällen.
Um klarzustellen: Es geht um potenzielle Gefahren. Die Bundesbehörde hat bei der Klinik- oder Heimverpflegung 2017 nicht konkret nach Keimen und nach Belegen für tatsächliche Lebensmittel-Infektionen durch die Verpflegung gesucht. Für das Risiko durch Rohwurst fanden sich bei den generellen Betriebskontrollen 2017 aber indirekt viele Anhaltspunkte. Bei jeder achten Probe streichfähiger Rohwurst, die Kontrolleure untersuchten, fanden sie Listerien.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hatte nach eigenen Angaben bisher nicht die Gelegenheit, die neuen Zahlen zu prüfen. Sie sieht das angesprochene Gesundheitsrisiko in Kliniken aber weitestgehend ausgeschlossen. „Zur Essensversorgung besonders empfindlicher Patienten ordnen Ärzte und Pflegekräfte eine auf diese Patienten zugeschnittene Diätkost an“, sagte Sprecher Joachim Odenbach.