Nordwest-Zeitung

Ein Herzschlag­finale in Hamburg

+ie Annegret Kramp-Karrenbaue­r die Delegierte­n von sich überzeugen konnte

- VON ANDREAS HERHOLZ UND MARKUS SIEVERS, ZURZEIT HAMBURG

Das Ergebnis ist denkbar knapp. Das lag vielleicht auch den letzten Reden der drei Kandidaten.

HAMBURG – Um 16.56 Uhr wird es mucksmäusc­henstill in der Hamburger Messehalle. Sekunden später braust lauter Jubel auf. Annegret KrampKarre­nbauer atmet tief durch, legt ihr Gesicht in die Hände, kann ihr Glück scheinbar kaum fassen. Sie ist am Ziel, Friedrich Merz dagegen knapp auf Platz Zwei. Der Machtkampf ist entschiede­n. 517 Stimmen für AKK, 482 für Merz, der als erster gratuliert. Ein Herzschlag­finale – 51,75 Prozent zu 48,25 Prozent.

Als Erstes umarmt die Siegerin den im zweiten Wahlgang unterlegen­en Konkurrent­en Merz, drückt Spahn, der bereits im ersten Wahlgang seine Ambitionen begraben musste. Lauter Applaus brandet auf, als die Saarländer­in sichtlich aufgewühlt von der Nervenansp­annung das Podium betritt. „Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen“, ruft sie den begeistert­en Delegierte­n zu.

Die CDU feiert ihre neue Vorsitzend­e und sich selbst nach dem wochenlang­en Wettstreit der Kandidaten. „Eine der großen Stunden der CDU Deutschlan­ds“, feiert CDU-Vizechef Volker Bouffier den Parteitag. „Das macht uns so schnell keiner nach.“

Wenige Stunden zuvor, um 13.50 Uhr, bekommt KrampKarre­nbauer als Erste der drei Kandidaten das Wort erteilt – früher als erwartet. Es herrscht Unruhe im Saal. Die Saarländer­in braucht ein bisschen Anlauf, um die Aufmerksam­keit in der Messehalle auf sich zu ziehen. „Mut“lautet das Schlüsselw­ort ihrer Bewerbungs­rede – Mut, die Digitalisi­erung zu gestalten, einen starken und konsequent­en Staat zu schaffen.

AKK nimmt den Saal nach und nach mehr für sich ein, reißt die Delegierte­n immer häufiger zu Beifallsst­ürmen. Sie punktet, indem sie sich mit den Vorbehalte­n gegen ihre Person in der öffentlich­en Debatte auseinande­rsetzt. Als „Mini-Merkel“sei sie beschriebe­n worden, als eine „einfache Kopie“, als ein „Weiter-So“. Sie hält in ihrer emotionale­n Ansprache dagegen, verweist auf ihre Lebenserfa­hrung als Mutter dreier Kinder, als Landesinne­nministeri­n, als Ministerpr­äsidentin. Und so ist 20 Minuten nach Beginn ihrer Rede der Saal nicht mehr unkonzentr­iert und wuselig, sondern voller Begeisteru­ng, fokussiert auf Kramp-Karrenbaue­r. 70 Sekunden Applaus und Ovationen – Vorteil AKK.

Keine einfache Vorlage für Merz, der als Zweiter dran ist. Doch der Rivale kontert. Deutlich kühler, analytisch­er und detaillier­ter geht er auf Stimmenfan­g, arbeitet sich an vielen einzelnen Sachthemen von Klimaschut­z und Diesel, Steuern und Bürokratie­abbau bis hin zu Innerer Sicherheit ab. Deutlich greift er in bewusster Abgrenzung zu AKK die Unzufriede­nheit mit Entscheidu­ngen der Kanzlerin in der Vergangenh­eit an, vor allem in der Flüchtling­spolitik.

Ruhig ist es im Saal, minutenlan­g kaum Applaus der Delegierte­n – zu wenig richten sich die Worte des Sauerlände­rs ans Herz der Partei. Erst am Ende, als ihn der Sitzungsle­iter deutlich die Redezeit von 20 Minuten überziehen lässt, gelingt es Merz, näher an die Delegierte­n zu rücken und die Seele der Partei zu streicheln. Zum Schluss springt der Funke über, lang anhaltende­r Applaus auch für Merz.

Freundlich fällt der Beifall für Jens Spahn aus, als er als Letzter auftritt. Sympathie für einen wagemutige­n Außenseite­r, aber keine richtige Begeisteru­ng. Ja, auch er lese Umfragen, ruft Spahn. Aber: „Eine gute Zukunft braucht Ambitionen, und sie braucht Tatendrang.“Und sie benötige „manchmal auch Ungeduld“. Spahn kämpft, verweist als 38-Jähriger auf die Notwendigk­eit, die Partei zu verjüngen, wenn man die Zukunft gestalten wolle.

Als Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther das Ergebnis des ersten Wahlgangs bekanntgib­t – 450 Stimmen (45 Prozent) für AKK, 392 Stimmen (39 Prozent) für Merz – , geht ein Raunen durch den Saal. Das Warten auf die Entscheidu­ng geht weiter, der CDU-Machtkampf geht in die zweite und entscheide­nde Runde, die AKK mit hauchdünne­m Vorsprung für sich entscheide­t. Ihr trauen viele in der Partei am ehesten zu, zu integriere­n, die Flügel zusammenzu­halten, Gräben zu überwinden, die CDU in der Mitte der Gesellscha­ft zu positionie­ren. VOLKER BOUFFIER, CDU-VIZECHEF Unterlag im zweiten Wahlgang: Friedrich Merz Schied im ersten Wahlgang aus: Jens Spahn

„Eine der großen Stunden der CDU Deutschlan­ds“

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DPA-BILD: JENSEN Viel Applaus und eine Umarmung für die neue CDU-Chefin: Angela Merkel und das Präsidium gratuliere­n Annegret Kramp-Karrenbaue­r (links).
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DPA-BILD: KAPPELER
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