Ein Herzschlagfinale in Hamburg
+ie Annegret Kramp-Karrenbauer die Delegierten von sich überzeugen konnte
Das Ergebnis ist denkbar knapp. Das lag vielleicht auch den letzten Reden der drei Kandidaten.
HAMBURG – Um 16.56 Uhr wird es mucksmäuschenstill in der Hamburger Messehalle. Sekunden später braust lauter Jubel auf. Annegret KrampKarrenbauer atmet tief durch, legt ihr Gesicht in die Hände, kann ihr Glück scheinbar kaum fassen. Sie ist am Ziel, Friedrich Merz dagegen knapp auf Platz Zwei. Der Machtkampf ist entschieden. 517 Stimmen für AKK, 482 für Merz, der als erster gratuliert. Ein Herzschlagfinale – 51,75 Prozent zu 48,25 Prozent.
Als Erstes umarmt die Siegerin den im zweiten Wahlgang unterlegenen Konkurrenten Merz, drückt Spahn, der bereits im ersten Wahlgang seine Ambitionen begraben musste. Lauter Applaus brandet auf, als die Saarländerin sichtlich aufgewühlt von der Nervenanspannung das Podium betritt. „Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen“, ruft sie den begeisterten Delegierten zu.
Die CDU feiert ihre neue Vorsitzende und sich selbst nach dem wochenlangen Wettstreit der Kandidaten. „Eine der großen Stunden der CDU Deutschlands“, feiert CDU-Vizechef Volker Bouffier den Parteitag. „Das macht uns so schnell keiner nach.“
Wenige Stunden zuvor, um 13.50 Uhr, bekommt KrampKarrenbauer als Erste der drei Kandidaten das Wort erteilt – früher als erwartet. Es herrscht Unruhe im Saal. Die Saarländerin braucht ein bisschen Anlauf, um die Aufmerksamkeit in der Messehalle auf sich zu ziehen. „Mut“lautet das Schlüsselwort ihrer Bewerbungsrede – Mut, die Digitalisierung zu gestalten, einen starken und konsequenten Staat zu schaffen.
AKK nimmt den Saal nach und nach mehr für sich ein, reißt die Delegierten immer häufiger zu Beifallsstürmen. Sie punktet, indem sie sich mit den Vorbehalten gegen ihre Person in der öffentlichen Debatte auseinandersetzt. Als „Mini-Merkel“sei sie beschrieben worden, als eine „einfache Kopie“, als ein „Weiter-So“. Sie hält in ihrer emotionalen Ansprache dagegen, verweist auf ihre Lebenserfahrung als Mutter dreier Kinder, als Landesinnenministerin, als Ministerpräsidentin. Und so ist 20 Minuten nach Beginn ihrer Rede der Saal nicht mehr unkonzentriert und wuselig, sondern voller Begeisterung, fokussiert auf Kramp-Karrenbauer. 70 Sekunden Applaus und Ovationen – Vorteil AKK.
Keine einfache Vorlage für Merz, der als Zweiter dran ist. Doch der Rivale kontert. Deutlich kühler, analytischer und detaillierter geht er auf Stimmenfang, arbeitet sich an vielen einzelnen Sachthemen von Klimaschutz und Diesel, Steuern und Bürokratieabbau bis hin zu Innerer Sicherheit ab. Deutlich greift er in bewusster Abgrenzung zu AKK die Unzufriedenheit mit Entscheidungen der Kanzlerin in der Vergangenheit an, vor allem in der Flüchtlingspolitik.
Ruhig ist es im Saal, minutenlang kaum Applaus der Delegierten – zu wenig richten sich die Worte des Sauerländers ans Herz der Partei. Erst am Ende, als ihn der Sitzungsleiter deutlich die Redezeit von 20 Minuten überziehen lässt, gelingt es Merz, näher an die Delegierten zu rücken und die Seele der Partei zu streicheln. Zum Schluss springt der Funke über, lang anhaltender Applaus auch für Merz.
Freundlich fällt der Beifall für Jens Spahn aus, als er als Letzter auftritt. Sympathie für einen wagemutigen Außenseiter, aber keine richtige Begeisterung. Ja, auch er lese Umfragen, ruft Spahn. Aber: „Eine gute Zukunft braucht Ambitionen, und sie braucht Tatendrang.“Und sie benötige „manchmal auch Ungeduld“. Spahn kämpft, verweist als 38-Jähriger auf die Notwendigkeit, die Partei zu verjüngen, wenn man die Zukunft gestalten wolle.
Als Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther das Ergebnis des ersten Wahlgangs bekanntgibt – 450 Stimmen (45 Prozent) für AKK, 392 Stimmen (39 Prozent) für Merz – , geht ein Raunen durch den Saal. Das Warten auf die Entscheidung geht weiter, der CDU-Machtkampf geht in die zweite und entscheidende Runde, die AKK mit hauchdünnem Vorsprung für sich entscheidet. Ihr trauen viele in der Partei am ehesten zu, zu integrieren, die Flügel zusammenzuhalten, Gräben zu überwinden, die CDU in der Mitte der Gesellschaft zu positionieren. VOLKER BOUFFIER, CDU-VIZECHEF Unterlag im zweiten Wahlgang: Friedrich Merz Schied im ersten Wahlgang aus: Jens Spahn
„Eine der großen Stunden der CDU Deutschlands“