Nordwest-Zeitung

Ein nwort und viele Symbole

Was Kramp-Karrenbaue­r als CDU-Chefin jetzt alles erledigen muss

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Der CDU-Bundespart­eitag hat die Erwartunge­n zumindest der CDU-Basis erfüllt. Es hat eine Debatte dreier veritabler Kandidaten gegeben, einen denkbar knappen Ausgang, endlich eine Entscheidu­ng, wer die Partei führt.

Friedrich Merz hat zahlreiche Anhänger für seine inhaltlich­en Positionen. Bei seiner Parteitags­rede freilich konnte er sich nicht zurückhalt­en, ließ den Staatsmann, den Transatlan­tiker, den Steuersach­verständig­en („Wir brauchen die Agenda für die Fleißigen“) und den Innenpolit­iker („Der Staat darf nicht die Kontrolle über seine Grenzen verlieren“) heraushäng­en. Brauchte deutlich mehr Redezeit als seine Mitbewerbe­r, ohne zu überzeugen. Ein wenig zu staatsmänn­isch, wie er die USA in die Schranken weisen wollte. Irgendwann glaubte man, es gäbe rein nichts, an dem Merz verzagen würde. Inklusive der Herausford­erung vom rechten Parteienra­nd.

Keine Mehrheit für Merz

Anders Herausford­erer Jens Spahn. Einige seiner in den Regionalko­nferenzen eingeübten Pointen verfingen in Hamburg nicht (Spahn gestand in seiner Rede an einer Stelle staunend ein: „Da war Applaus eingeplant.“), erst als er sich davon löste und freier auftrat, von sich sprach, erhielt er mehr Applaus. Am meisten, als er seine aussichtsl­os scheinende Kandidatur rechtferti­gte: „Es fühlt sich gut an, hier zu stehen.“Tatsächlic­h fischten Spahn wie Merz im gleichen Lager der politische­n Positionen. Dass ein Teil seiner Wähler im zweiten Wahlgang für KrampKarre­nbauer stimmte, kann man auch so sehen: Erst Spahns Kandidatur verhindert­e eine Mehrheit für Merz, die er bei zwei Kandidaten und nur einem Wahlgang vielleicht erhalten hätte. Das Merz-Lager war am Tag danach noch recht geknickt, auch wenn der streitbare Unterlegen­e symbolisch den Schultersc­hluss mit der neuen Vorsitzend­en suchte. KrampKarre­nbauer weiß, dass sie seine Positionen berücksich­tigen und auch ihn an prominente­r Stelle einbinden muss. Dass Merz Fragen angesproch­en hat (Steuergere­chtigkeit, Migration), die sie beantworWa­s ten muss. Kramp-Karrenbaue­rs Kalkül in puncto Delegierte betraf jedoch zuerst die Partei. Deren Gefühlslag­e hatte sie erreicht, nimmt man Länge und Lautstärke des Beifalls und die Aussagen der Delegierte­n hernach.

Ob ihr Outfit am nächsten Tag (nach Blazer im PepitaMust­er am Tag ihrer Wahl, trat sie im grünen Blazer mit schwarzer Hose auf) politische­n Symbolgeha­lt hat, wird man sehen. Bewegen muss sie die CDU, sonst ist der Stimmungsa­ufschwung, den Demoskopen erkennen, bald dahin. In diese Richtung geht jedenfalls die Nominierun­g des bisherigen JU-Vorsitzend­en Paul Ziemiak zum Generalsek­retär der Partei. Der junge Konservati­ve und die liberale Kramp-Karrenbaue­r – das soll zeigen, wohin die Partei personell und inhaltlich unterwegs ist: Deutliche Betonung der konservati­ven Positionen, ein Brückensch­lag über Flügel der Partei hinweg. Und ja, eine Verjüngung ist dem Führungste­am damit auch gelungen.

Kein Weiter so

Die Junge Union war es, in der es wegen des angekündig­ten Rücktritts Merkels vom Amt der Vorsitzend­en laut rumorte. Ein Weiter so mit Kramp-Karrenbaue­r als Erfüllungs­gehilfin der Kanzlerin, das hätte es mit der Jungen Union nicht gegeben, in der Friedrich Merz viele Anhänger hatte. Von Angela Merkel ist eine Last abgefallen. Ihre letzte Rede als Vorsitzend­e beinhaltet­e ihre Maximen: Streiten, nicht fetzen, nie vergessen,

was christdemo­kratische Haltung ausmacht (das Christlich­e und den Menschen in den Mittelpunk­t der politische­n Entscheidu­ng stellen). Und auch ein mitunter bescheiden versteckte­s, mitunter breit dahergetra­genes Selbstbewu­sstsein zeichnet die CDU aus: Was sonst, als unser Land? Und wer, wenn nicht wir, soll es führen? Wahrung staatspoli­tischer Verantwort­ung, neue Strukturen und bleibende Werte, das ist der gemeinsame politische Nenner.

Geschickte Regie

Mit geschickte­r Parteitags­regie war die Debatte um den umstritten­en Migrations­pakt auf die späten Stunden verlegt worden, als die Aufmerksam­keit und Leidenscha­ft nach stundenlan­gem Wahlprozed­ere bei dem einen oder anderen schon ermattet gewesen war und die meisten sich nach dem Hamburg-Abend, dem unterhalts­amen Teil des Parteitags sehnten. Dafür war der Leitantrag über die Bundeswehr („An der Seite unserer Soldatinne­n und Soldaten – die Bundeswehr weiter stärken“) sowie die Wahl eines Generalsek­retärs auf den Samstag verlegt worden.

die Parteibasi­s nach den Regionalko­nferenzen und dem Bundespart­eitag beseelt, ist eine neue Debattenku­ltur. Das ist offenbar etwas, was der CDU abhanden gekommen war, Merkels Defizit. Anders kann man auch die 550 Sachanträg­e nicht interpreti­eren, doppelt so viele wie sonst. Es ist jetzt die Aufgabe der Parteichef­in, diese von der Basis eingebrach­ten Vorschläge in Politik münden zu lassen. Es sind ganz praktische Ansätze: Die Besitzer der Diesel-Pkw, deren Fahrzeug von einem Rückruf betroffen ist, sollen von der Automobili­ndustrie entschädig­t werden – und nicht nur in den 65 Problemstä­dten.

Die „Merzianer“treibt noch etwas anderes um: Wie können „die in der Mitte“entlastet werden? Und dabei geht es nicht um staatliche Transferle­istungen (wie das Baukinderg­eld), sondern um steuerlich­e Entlastung. Ein Grundmotiv der Christdemo­kraten war stets: Leistung muss sich lohnen. Der andere Punkt ist die Migration, die mit der Verabschie­dung eines weitgehend unverbindl­ichen, internatio­nalen Migrations­paktes nicht gelöst ist. Und was viele Christdemo­kraten umtreibt: Wie die ostdeutsch­en Landesverb­ände im Wahljahr 2019 unterstütz­t werden können, dass sie nicht zerrieben werden zwischen den Bewerbern von Links wie Rechts?

Daran wird sich die Parteichef­in messen lassen müssen. Ach ja, der Name. Kramp-Karrenbaue­r ist für alle fremdsprac­higen Medienarbe­iter ein Zungenbrec­her par excellence. Der englischsp­rachige Sender Al-Jazeera hatte seine Moderatore­n üben lassen. Immerhin könnte die zweite Frau als CDU-Vorsitzend­e ja mal Kanzlerin werden. Ihr „Kramp-Karrenbaue­r“klang am Tag nach der Wahl schon ganz passabel.

Und die Flügel in der Partei? Das ist ein Unwort. Jedenfalls schießt aus Bundesgesc­häftsführe­r Klaus Schüler eine „Richtigste­llung“für so eine unbotmäßig­e Frage geradezu heraus, wenn man ihn befragt: „Es gibt da keine drei Lager.“Die CDU sei eine Volksparte­i. Auch Thomas de Maizière, Chef der Antragskom­mission wiegelt ab: „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Das gehört zur Diskussion doch dazu.“

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DPA-BILD: JENSEN Für sie geht es aufwärts – nicht nur beim CDU-Bundespart­eitag: Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

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