Irre schöne Wahnsinnsarie
Dinizettis „Lucia di Lammermoor“feiert eindrucksvoll Premiere
EMDEN – „Radziwill und die Gegenwart. Landschaft, Technik, Medien“lautet der Titel einer Ausstellung, die noch bis zum 13. Januar 2019 in der Emder Kunsthalle (Hinter dem Rahmen 13) zu sehen ist. Die Schau thematisiert in der Gegenüberstellung von Gemälden Radziwills mit Werken der Gegenwartskunst das ambivalente Verhältnis des Menschen zur Technik. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 10–17 Uhr, samstags und sonntags 11–17 Uhr.
OLDENBURG – Eine Einzelausstellung des in London und Istanbul lebenden Künstlerpaares Noor Afshan Mirza und Brad Butler ist vom 25. Oktober bis zum 13. Januar im Edith-Russ-Haus für Medienkunst (Katharinenstraße 23) zu besichtigen. Geöffnet: dienstags bis freitags 14–18 Uhr, samstags, so. 11–18 Uhr. DIE FRANZÖSISCHE Schriftstellerin Maryse Condé ist mit dem alternativen Literaturnobelpreis für ihr Lebenswerk geehrt worden. Sie nahm die mit rund 250000 Schwedischen Kronen dotierte Auszeichnung am Sonntag in Stockholm entgegen. Die 81Jährige wurde von der Initiative „Die Neue Akademie“als eine große Erzählerin gewürdigt, deren Werk über die Gewalt des Kolonialismus und das Chaos danach zur Weltliteratur gehört. Das Preisgeld wurde über Crowdfunding gesammelt.
Die Oper von 1835 ist um die berühmte Wahnsinnsarie herum gebaut. In Oldenburg steuert die konservative, aber schlüssige Inszenierung darauf zu, dass Sooyeon Lee sie singt.
OLDENBURG – Zwei Todesfälle. Der eine ein Totschlag in geistiger Verwirrung. Der andere etwas für die Pathologie wegen unklarer Todesursache. Ein dritter, im Libretto als Suizid vorgesehen, wird im aktuellen Fall verhindert. Eine solide Quote für eine Oper voller Ränke, Intrigen, Hinterhältigkeiten und vordergründigen Gewalttaten.
Doch dieser Schottland-„Tatort“hat etwas, was kein anderer hat. Vor ihrem Verbleichen singt die Hauptfigur eine Wahnsinnsarie. Die ist derart irre, gespenstisch, aufwühlend und umwerfend, dass sie in der Musik als einmalig gilt. Zwei Stunden dauert es, bis sich Lucia di Lammermoor zu diesem abgedrehten Koloraturen- und Belcanto-Hit aufrafft. Prompt gerät das Große Haus in Oldenburg total aus dem Häuschen. Knapp drei Stunden insgesamt braucht die Oper dieses Namens von Gaetano Donizetti. Im Staatstheater werden sie nicht lang.
Karierter Schottenlook
Zum einen hat der Komponist 1835 um die Kernarie herum jede Menge anderer ergreifender Arien gefügt. Zum anderen muss ein Theater ja auch über diese tragende zentrale Kraft der Lucia verfügen. Die hat sie in der großartigen Sooyeon Lee. Und um sie herum muss es ein Ensemble einsetzen können, das dieses Niveau bruchlos hält. Auch das schafft Oldenburg. Alles zusammen ergibt dann große Oper.
Stephen Lawless inszeniert das Seelendrama grundlegend konservativ und etwas hausbacken. Lucia liebt Sir Edgardo di Ravenswood, den Erzfeind ihres Bruders Lord Enrico Ashton. Für dessen Besitzund Machterhalt soll sie den einflussreichen Lord Arturo Bucklaw heiraten. Da werden die Briefe der Liebenden abgefangen, die Men-
Die Oper
„Lucia di Lammermoor“von Gaetano Donizetti in der Inszenierung von Stephen Lawless steht im Dezember noch viermal auf dem Spielplan des Oldenburgischen Staatstheaters. Weitere Vorstellungen sind
schen durch Fälschungen zermürbt. Hackerangriffe und Fake News hießen damals noch nicht so, aber das zerstörerische System wirkte gleichermaßen.
Hohe Wände stehen für äußere und innere Eingrenzungen. Metaphern werden sparsam und deutlich eingesetzt. Da kniet Enrico vor einem erlegten Hirsch und sähe vor sich doch lieber den verhassten Edgardo. Der im März verstorbene Benoit Dugardyn hat die Bühne noch konzipiert, Lionel Lesire die Pläne umgesetzt. Sue Willmington streut bei den Kostümen im karierten Schottenlook einen Anflug von Ironie ein.
Überinszeniert wie so oft ist diese „Lucia“nicht. Sie ist 2019 geplant, unter anderem am 6. Februar.
Karten
gibt es an der Theaterkasse, unter 0441/22 25 111 und online unter
@ www.staatstheater.de
aber schlüssig, weil sie in der Enge die Bühnenwucht komprimiert, aber über allem der Musik ihren weiten Raum lässt. Vielschichtig schattieren Ensemble, der oft etwas herumstehende Chor (Einstudierung Markus Popp) und das Staatsorchester (Leitung Vito Cristofaro) in Klangfarbe und Timbre immer wieder dieses Changieren zwischen echten und vorgegaukelten Gefühlen. Cristofaro entfacht farbige und schlagfertige Theatralik, ohne die Sänger in die Klemme zu bringen.
Großeinsatz der Tenöre
Vor allem aber Sooyeon Lee. Die Sopranistin spielt beseelt mit den Tönen. In der weniger ergiebigen tieferen Lage hält sie die Spannung, in der Mitte besticht ihr LegatoFluss, in der Höhe rundet sie Schärfen immer wieder ab. Es geht von dieser Stimme einfach ein bezwingender Zauber aus.
Im Großeinsatz der Tenöre dominiert natürlich Jason Kim (Edgardo) mit seiner emotionalen Unbedingtheit. Kihum Yoon (Enrico/Bariton) baut eine Paraderolle auf zwischen machtstrebendem Macho und von Skrupeln geplagtem Zweifler.
Auch die Tenöre Philipp Kapeller (Arturo) und Timo Schabel (Normanno) entwickeln als randständigere Figuren eigene Leuchtkraft. Tomasz Wija (Bass) zeichnet kernig den zwielichtigen Pfarrer Raimondo. Ann-Beth Solvang (Mezzosopran) gibt Alisa, die Vertraute Lucias.
Auf einmal, am Ende, erlaubt sich die Regie sogar etwas Unerhörtes. Edgardo bleibt am Leben und streut vis-à-vis mit Enrico Erde in Lucias Grab. Ja, wie denn nun weiter? Da fällt der Vorhang.
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