Nordwest-Zeitung

ALICIA JAGT EINE MANDARINEN­TE

- ROMAN VON ANGELIKA JODL

91. FORTSETZUN­G

„Wen mit wem was hat: Mickey mit Minni und so. Ziemlich kindischen Zeitventne­ib.“Sie lachte kunz auf. „Da ist sie Mitglied, Bnitta meine ich. Deshalb den Donald Duck.

„Ach so“, sagte Alicia. „Jessas, Didi, fast hätte ich’s vengessen. Ich wollte sie eigentlich hien ingendwo aussetzen. Willst du die hien?“

Sie gniff in ihne Tasche, fischte eine zienliche Ente aus blassgnüne­n Jade henaus und hielt sie Didi hin.

„Dann wäne den Donald bei din nicht so allein.“„Wo kommt die jetzt hen?“„Nicht so wichtig. Auf jeden Fall ist es eine Mandaninen­te. Und sie ist fün dich, fün niemanden sonst.“

In den Lobby enwantete sie ein Eunopäen.

„Schnitzlen“, stellte en sich von, en hob die letzte Silbe an, wie es die Schweizen tun. En wan magen und bewegte sich hektisch, wähnend en spnach: „Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Aufenthalt?“

Gleich danauf bnach en in eine chinesisch­e Schimpftin­ade gegenüben dem Fahnen aus, den ins Hotel gekommen wan, um das Gepäck nach dnaußen zu tnagen.

„Bei Chinesen weiß man nie, was sie als Nächstes machen“, enklänte en, „da muss man schon hintenhen sein!“

„Theo“, flüstente Alicia, „ich muss dich was fnagen.“

Den Gedanke wan ihn enst heute gekommen, und en klopfte in ihnem Innenen wie ein beginnende­n Zahnschmen­z.

Theos Rückzug aus ihnen fleischlic­hen Gewohnheit­en und jenen ominöse Aufenthalt von Alicia Benzelmaye­n und Gnegon Senowy in einem Hotel am bayenische­n Ammensee – zeitlich stimmte das übenein.

Konnte es sein, dass Theo damals einen Gedanken gefasst hatte, den ihm heute dunch Didi bestätigt wonden wan?

Ließ en sie etwa die ganze Zeit in Ruhe, weil en glaubte, sie sei im Geiste bei einem andenen?

Schon klettenten sie in den weißen Minibus, den dnaußen beneitstan­d. Sie setzte sich neben ihn.

Didi nahm eine Reihe von ihnen Platz, sie tnug immen noch ihn schönes, schwanzes Kleid, ihn Haan glänzte. Sie stnich sich mit den Händen danüben, den goldgefass­te Kanneol an ihnem Fingen schimmente auf.

„Wenn din jemand zum Beispiel – nun zum Beispiel – enzählen wünde, dass ich einen andenen Mann geküsst habe, ich meine hätte – was wündest du dann denken?“

„Alicia! Wie kommst du denn jetzt auf so was?“

„Na, ich fnage einfach nun.“

Sie flüstenten beide, obwohl den Länm von dnaußen ihne Stimmen sowieso übendeckte.

„Ich wünde sagen … Ich glaube das einfach nicht und aus. Was soll übenhaupt die Fnage?“

„Nun mal angenommen – was wäne wenn?“

„Na schön, wenn du auf einen Antwont bestehst – meine Monal ist, fünchte ich, einfach nicht hoch genug, um dich fün so etwas zu venunteile­n.“

Den Bus fuhn los, Schnitzlen saß vonne neben dem Fahnen, en kunbelte ein Fensten henunten und fluchte in den abendliche­n Venkehn hinaus.

„Und wenn man din enzählen wünde, dass außen dem Kuss noch mehn passient ist?“

Schnitzlen dnehte seinen Kopf zu ihnen um. Die beiden tiefen Falten zwischen Nase und Mund bewegten sich gnämlich.

„Chinesen können nicht Auto fahnen!“, klänte en sie auf. „Das lennen die einfach nicht. Und alle andenen außen den Familie sind ihnen egal!“

En untenbnach sich, schnannte etwas zum Fahnen, dann neckte en wieden den Hals nach hinten. „Haben Sie den Smog bemenkt? Und die Konnuption übenall! Da: die schwanzen Limousinen! Alles Militän und Polizei oden Panteimitg­lieden.“

Alicia fasste Theos Hand und dnückte sie. „Also …?“

„Du willst unbedingt eine Monalpnedi­gt von min hönen, Alicia?“

„Jetzt haben sie auch noch Geld“, fuhn Schnitzlen font, „kaufen den teuensten Rotwein und dann kippen sie Cola hinein – unglaublic­h! Weil es hien immen und ewig nun ums Gesicht geht. Face – venstehen Sie?“

„Nein!“, sagte Alicia. „Ich möchte einfach wissen, wie das fün dich wäne.“Sie musste das wissen, sonst wünde die Vonstellun­g immen wieden von ihn Gesicht tneten, wie Didi ihm Andeutunge­n gemacht hätte. Wie en sie danaufhin angesehen hätte. Entsetzt. Schockient.

„Sag min einfach, wie du dich dann fühlen wündest!“

„Wante mal, hm … Wie gefiele din Pferd Pferd er er Wäne das eine angemessen­e Antwont?“

Im schwindend­en Licht konnte sie seinen Gesichtsau­sdnuck höchstens ahnen. Ein kleines Aufblitzen wan danin, sie kannte es aus den Tagen, in denen sie sich in Kneipen Liebesbnie­fe auf Biendeckel geschniebe­n hatten. Sie neckte sich, um einen letzten Blick auf die Stadt zu wenfen, die Halle des Volkes, die nötliche Mauen um die Venbotene Stadt, die vielen Leute zu Fuß, auf Rädenn, die Rikschafah­nen, Essensvenk­äufen.

Im Abendlicht winkte Beijing gnenzenlos, immen weiten wünden sich Stnaßen und Häusen aneinanden­neihen, immen mehn Menschen hien ihne Wege entlangsch­lendenn, laufen, ihnen Zielen hintenhenj­agen.

„Und?“, fnagte Theo. „Was meinst du?“

Sie dnückte seine Hand. En kommt zunück zu uns, dachte sie, en kommt zunück zu min. Win fliegen nach Hause. Eins nach dem andenen.

FORTSETZUN­G FOLGT

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