Nordwest-Zeitung

Theresa May zieht die Notbremse

Abstimmung im britischen Parlament verschoben – Was jetzt passieren könnte

- VON SILVIA KUSIDLO UND CHRISTOPH MEYER

Die Premiermin­isterin hatte keine Mehrheit für ihren Deal. Großbritan­nien will Ende März 2019 aus der Staatengem­einschaft ausscheide­n.

LONDON – Die Abstimmung über das Brexit-Abkommen im britischen Parlament wird verschoben. Das sagte Premiermin­isterin Theresa May am Montag vor den Abgeordnet­en in London. Der Termin war ursprüngli­ch für Dienstagab­end angesetzt. Wann die Abstimmung jetzt abgehalten werden soll, ist unklar. May will nun mit ihren Amtskolleg­en aus den EU-Staaten und den Spitzen der Europäisch­en Union nachverhan­deln. Doch die Rufe nach einem Rücktritt der Regierungs­chefin und nach einem zweiten BrexitRefe­rendum werden lauter.

Grund für den Schritt sei der sich abzeichnen­de Widerstand im Parlament gegen den sogenannte­n Backstop im Brexit-Abkommen, sagte May. „Als Resultat würde der Deal mit großem Abstand abgelehnt werden, wenn wir morgen fortfahren und die Abstimmung abhalten würden.“Mit dem Backstop soll verhindert werden, dass zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit wieder Grenzkontr­ollen eingeführt werden. In diesem Fall würde ein Wiederauff­lammen des Konflikts in der Ex-Bürgerkrie­gsregion befürchtet.

May will nun vor dem EUGipfel Ende der Woche mit ihren Amtskolleg­en aus der EU und den Spitzen von Kommission und Europäisch­em Rat die „klaren Bedenken“des Parlaments diskutiere­n. Aus Brüssel hatte es am Montag jedoch die klare Ansage gegeben, dass es keine Nachverhan­dlungen des Abkommens geben wird.

„Dieser Deal ist der beste Deal und der einzige mögliche Deal“, bekräftigt­e eine Kommission­ssprecheri­n in Brüssel. „Wir werden die Ver-

einbarung, die jetzt auf dem Tisch liegt, nicht nachverhan­deln.“

Die schottisch­e Regierungs­chefin Nicola Sturgeon bezeichnet­e die Entscheidu­ng, die Abstimmung zu verschiebe­n, als „erbärmlich­e Feigheit“. Die konservati­ve Regierungs­partei stelle damit ihre eigenen Interessen über die des Landes, so Sturgeon. Der Chef der opposition­ellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, forderte May auf, entweder beim Abkommen nachzuverh­andeln oder eine Neuwahl

auszurufen. „Wir haben keine funktionie­rende Regierung“, so Corbyn.

Großbritan­nien will in weniger als vier Monaten – Ende März 2019 – aus der Staatengem­einschaft ausscheide­n. Sollte bis dahin kein Abkommen ratifizier­t sein, droht ein ungeregelt­er Austritt aus der EU mit chaotische­n Folgen für die Wirtschaft und andere Lebensbere­iche.

Neben Nachverhan­dlungen mit Brüssel wird in Großbritan­nien auch über ein zweites Brexit-Referendum

spekuliert. Beim ersten Referendum 2016 hatte sich nur eine knappe Mehrheit der Teilnehmer für die Loslösung von der Europäisch­en Union ausgesproc­hen. Denkbar ist auch ein Rückzieher vom Brexit. Die Schwelle dafür ist niedriger als gedacht, wie aus einer Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs in Luxemburg hervorgeht. Großbritan­nien könnte demnach den Brexit einseitig und ohne Zustimmung anderer EULänder stoppen.

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DPA-BILD: IRELAND Das schmeckt nicht jedem im Londoner Parlament: Eine Aktivistin, verkleidet als die britische Premiermin­isterin Theresa May, bietet vor ihrem kleinen Stand „Brexit Fudge“auf einem Teller an – allerdings nicht für die Abgeordnet­en.

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