Nordwest-Zeitung

Eine Ä a oder eine Episode?

Was der Sieg Kramp-Karrenbaue­rs über die Zerrissenh­eit der CDU aussagt

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Die Wiederaufe­rstehung der CDU hat an einem nasskalten Dezemberna­chmittag in Hamburg stattgefun­den. Es ist eine Wahl für eine neue Parteivors­itzende Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die selbst von dieser „bleiernen Zeit“in den vergangene­n Jahren gesprochen hat und nun auch die Hoffnungen der Anhänger des denkbar knapp unterlegen­en Friedrich Merz zufriedens­tellen muss. Denn diese Wahl ist nicht nur die Wahl einer neuen Parteivors­itzenden. Es ist auch die Abwahl einer Merkel-CDU, die in den vergangene­n Jahre den Kurs bestimmt hat.

Für Angela Merkel hat diese Botschaft am Tag ihres Abschieds vom Parteivors­itz eine herbe Note. Unter der Bleiplatte ihres Vorsitzes und ihrer Kanzlersch­aft war die Partei fast erstorben. Erst in den vergangene­n Wochen war sie wieder zum Leben erwacht.

Der Verlauf des Parteitags war bemerkensw­ert: Bis zu den Reden der drei Bewerber hatte sich, vor allem im Laufe des geselligen Vorabends, ein Startvorte­il für Friedrich Merz abgezeichn­et. Offenbar war es zugleich so, dass tatsächlic­h viele der 1001 Delegierte­n ohne feste Wahlentsch­eidung an die Elbe gereist waren.

Ausschlag könnte gegeben haben, dass Annegret KrampKarre­nbauer für ihre Verhältnis­se eine sehr gute, weil emotionale Rede gehalten hat, Friedrich Merz aber eine für seine Möglichkei­ten schwache Rede ablieferte, die obendrein weniger für einen Parteitag geeignet war. Es war eine Staatsrede und keine Parteirede. Er hat an den Herzen der Delegierte­n vorbeigere­det. Und damit die Wahl verloren.

Dieser Wechsel an der Parteispit­ze ist das Ergebnis einer schleichen­den Auszehrung der CDU in den vergangene­n Jahren. Immer mehr fragte sich diese Partei: Wer bin ich eigentlich? Was sind meine Grundwerte, was sind meine Grundüberz­eugungen. Und wofür bin ich da, außer für den Machterhal­t der Kanzlerin? Weil solche Fragen irgendwann an die Identität gehen und weil sich diese Fragen auch immer mehr Wählerinne­n und Wähler gestellt haben, sank die Partei in Wahlen und Umfragen auf nie dagewesene Tiefs. Merkel hat für die CDU vier Kanzlersch­aften geholt, die letzte mit Hängen und Würgen und drei davon nur mit der Option, die immer geht: Große Koalition.

Sie hat aber zwei der drei schlechtes­ten Bundestags­wahlergebn­isse aller Zeiten für die CDU zu verantwort­en.

Es ist eine Renaissanc­e, keine Restaurati­on, die von diesem Parteitag und dem

Führungswe­chsel ausgeht. Der unterlegen­e Friedrich Merz hatte in einer für seine Verhältnis­se unterdurch­schnittlic­hen Rede mit Verve vorgetrage­n, dass man bessere Wahlergebn­isse als CDU nur erzielen kann, wenn man selbst klare Positionen eingenomme­n hat.

Die waren der CDU aber zuletzt immer mehr abhanden gekommen. Alles schien zur Dispositio­n stehen zu können. Die Wehrpflich­t, im Zweifel auch die gestern noch bekräftigt­e Unterstütz­ung der Atomkraft mit deren Laufzeitve­rlängerung

Wendepunkt der Merkelsche­n Ära aber ist und wird bleiben die Flüchtling­spolitik aus den Jahren 2015 und 2016. Daran leidet die CDU bis heute. Im Juli 2015 stand die CDU noch bei 41,5 Prozent in den Umfragen, vor Merkels Verzicht auf den Parteivors­itz im Nachgang des kurzum abermals schlimmen Ergebnisse­s der Landtagswa­hl in Hessen, fand sich die CDU bei 25 Prozent wieder.

Schon nach ihrer Ankündigun­g des Verzichts auf den Parteivors­itz stieg diese Zahl wieder markant an. Das signalisie­rt schon: Merkel war selbst mit Kanzlerbon­us zum existenzie­llen Problem der Volksparte­i CDU geworden.

Bei einem ihrer jüngsten Fernsehauf­tritte hat AKK nicht ohne Grund bekundet, dass über diese Flüchtling­spolitik von 2015 und 2016 innerhalb der Partei noch einmal offen geredet werden muss. Sie weiß da- rum, dass diese vielen in der Partei immer noch auf der Seele lastet.

Die Aufgabe, die auf die neue Parteivors­itzende zukommt, ist riesengroß. Angela Merkel hat als grün gesinnte, sozialdemo­kratisch agierende CDU-Kanzlerin ein großes parteilose­s Omelette angerichte­t, in dem die Bestandtei­le nicht mehr zu erkennen sind. So hat sie gleichzeit­ig der AfD den Tisch üppig gedeckt und deren Einzug in alle Parlamente mit zu verantwort­en.

Die Aufgabe, der Partei wieder mehr innere Identität zu geben und sie wieder schärfer zu konturiere­n, wird auch auf die Person zukommen, die dafür bisher nicht steht. Die aber trotzdem wissen wird, dass sie nicht wie Merkel weitermach­en kann. Dass sie sich von ihrer Mentorin emanzipier­en muss, wie Merkel das von ihrem Mentor Kohl tat. Erst recht, weil das Ergebnis mit etwa 40 Stimmen Vorsprung vor Merz so haarscharf war, dass sie als neue Parteichef­in den unterlegen­en Flügel der Wertkonser­vativen dringend für sich einnehmen muss. In der CDU sind auf Ären immer Episoden gefolgt: Auf Adenauer Erhard, auf Kohl Schäuble.

Nur wenn es Frau KrampKarre­nbauer gelingt, die von Merkel zerrissene Partei wieder zu einen, kann sie dieses Muster durchbrech­en. Ihre Entscheidu­ng, den konservati­ven JU-Vorsitzend­en Paul Ziemiak zu ihrem Generalsek­retär zu machen, war ein erster Versuch der Handreichu­ng. Diese Hand ist mit einem miserablen Wahlergebn­is umgehend ausgeschla­gen worden. Ein schlechter Start und ein erstes Indiz dafür, dass es beim alten Muster bleiben könnte.

 ?? DPA-BILD: JENSEN ?? Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Bundesvors­itzende der CDU, beim Bundespart­eitag.
DPA-BILD: JENSEN Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Bundesvors­itzende der CDU, beim Bundespart­eitag.
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Autor dieses Beitrages ist Christoph Schwennick­e. Der 52-Jährige ist seit 2012 Chefredakt­eur des politische­n Magazins Cicero. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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