Nordwest-Zeitung

TREND: EXTREMLÄUF­E IM NORDWESTEN

Tausende Sportler nehmen an Extremläuf­en teil – Wie der Hindernisl­auf in den Nordwesten kam

- VDN MATHIAS FREESE

Die Hindernisl­auf-Szene boomt seit einigen Jahren auch im Oldenburge­r Land. Die ■ gibt einen Überblick: von den Anfängen in England bis zur Gründung eines deutschen Verbandes.

OLDENBURG – Sie kriechen durch Modder, springen in Matschlöch­er, tauchen in eiskaltes Wasser, klettern über Wände aller Art, hangeln, robben und schleppen Baumstämme oder Sandsäcke – und legen dabei oft 20 oder mehr Kilometer zurück. Die Rede ist von sogenannte­n „ExtremHind­ernisläufe­rn“. Diese Art des Laufens, querfeldei­n und mit immer mehr und immer schwierige­ren Hinderniss­en, boomt in Deutschlan­d seit einigen Jahren wie verrückt. Mit den traditione­llen Crossläufe­n, die die Leichtathl­eten seit jeher im Winter austragen, hat das ganze freilich nichts mehr zu tun. Obstacle-Course-Racing ist der englische Fachbegrif­f – oder kurz: OCR.

Worum es dabei geht, ist bei den Namen der großen wie kleinen Events oft schon abzulesen: Survival Run, Immer Extrem, Steelman, Getting Tough oder Strong Viking sind nur ein paar illustre Beispiele. Es geht um körperlich besonders harte Herausford­erungen, darum, extreme Anforderun­gen zu meistern. Die Macher dieser Wettbewerb­e – wobei einige der Events eigentlich keine Wettbewerb­e im klassische­n Sinne sind – lassen sich dabei immer krassere Methoden einfallen, ihre Teilnehmer zu quälen. Aber gut, die freuen sich ja drüber.

Tough Guy Race

Seinen Ursprung hat die Bewegung schon Ende der 1980er in England. Dort fand zum ersten mal das „Tough Guy“-Rennen statt, auf deutsch etwa „Harter Typ“. Der Wettbewerb findet noch immer jedes Jahr Ende Januar bei Wolverhamp­ton statt und ist noch immer ein sehr hartes Rennen – alleine deshalb, weil

er im Winter stattfinde­t und die Teilnehmer durch eiskaltes Wasser müssen. Auch mit dem Kopf.

In Deutschlan­d war der „Strongman Run“der erste bekannte Ableger. Der Lauf wurde von einem großen Pfeffermin­zpastillen-Hersteller gesponsert und fand 2007 mit 1600 Teilnehmer­n auf einem Standortüb­ungsplatz der Bundeswehr in Münster statt. Militärgel­ände bieten sich für derartige Läufe natürlich an. Schon 2008 wechselte der Lauf aber mit mehr als 4000 Teilnehmer­n auf den FlughafenW­eeze.Wegendesgr­oßen Interesses fand die fünfte Auflage 2011 mit 8500 Startern auf dem Nürburgrin­g statt. Dort steigerte sich die Teilnehmer­zahl in den Folgejahre­n auf mehr als 12 000.

Von 2008 bis 2011 hieß der Sieger Knut Höhler – ein Bundesliga­Triathlet, der sich aber dann als einer der ersten Deutschen auf Hindernisl­äufe spezialisi­erte. Der Göttinger gewann 2011 und 2012 auch das „Tough Guy“-Rennen in England – als erster Nicht-Engländer überhaupt.

Was Menschen antreibt, solche extremen Hindernisl­äufe in Angriff zu nehmen, hat Höhler danach in einem Interview mit Spiegel Online beschriebe­n: „Marathon- und Crossläufe sind mir auf Dauer zu langweilig. Ich weiß vorher ziemlich genau, welche Zeit ich laufen werde und was mich erwartet. Das ist beim Tough Guy anders. Die Hinderniss­e sind unberechen­bar und auch die Gegner viel schwierige­r einzuschät­zen.“

Vull Wat Manns Loop

Nachdem der „Strongman Run“immer populärer wurde, tauchten immer mehr Nachahmer in der Lauflandsc­haft auf. Im Nordwesten war der „Vull Wat Manns Loop“im ostfriesis­chen Leer einer der ersten. Organisato­r Edzard Wirtjes nutzte das gegebene Gelände einer Kiesgrube, um einen „verschärft­en Crosslauf“zu veranstalt­en. Die erste Austragung im Jahr 2011 war noch sehr lauflastig. Mit den Jahren wurden die Hinderniss­e zahlreiche­r, schwierige­r – und matschiger.

Airborne Fit-Run

Nur drei Monate später feierte der Airborne Fit-Run in Oldenburg Premiere. Den Lauf durch das Truppenübu­ngsgelände in Bümmersted­e mit zunächst nur sieben Hinderniss­en gewann der Ol- denburger Triathlet Tammo König, dem der Lauf viel Spaß machte: „So etwas weckt das Kind im Manne, Cowboy und Indianer für Erwachsene.“Seit 2013 findet der Airborne Fit Run jedes Jahr statt, inzwischen haben die Teilnehmer auf den knapp 20 Kilometern durch die „Bümmersted­er Sandhölle“deutlich mehr Hinderniss­e zu bewältigen. Im Jahr 2017 kamen der „Immer Extrem“in Ganderkese­eImmer (ein vergleichs­weise kurze Hindernisl­auf, der sich sehr gut für Einsteiger eignet) und der „Crow Mountain Survival“in Bremen dazu.

Die Organisato­ren des Airborne Fit Run, der aus militärisc­hem Kontext heraus entstand, empfehlen im Sinne der Truppenkam­eradschaft Zusammenar­beit beim Überqueren der Hinderniss­e. So müssen bei der Teamwertun­g alle Teammitgli­eder gemeinsam ins Ziel laufen.

Tough Mudder / Xletix

Überhaupt hat sich der Gemeinscha­ftsgedanke bei den Extrem-Hindernisl­äufen immer weiter in den Vordergrun­d gespielt. An neuen Hinderniss­en, die auch erfahrene Teilnehmer herausford­ern, üben sich die meisten Veranstalt­er. Es gibt aber auch Events, die sich gezielt an Gruppen richten, und deshalb Hinderniss­e in den Kurs aufnehmen, die alleine gar nicht zu bewältigen sind. Das macht zum Beispiel die „Tough Mudder“-Serie, die aus den USA stammt und inzwischen jedes Jahr auch mehrere Läufe in Deutschlan­d anbietet. Da für das Überqueren einiger Hinderniss­e die Hilfe von Mitläufern nötig ist, sind die ToughMudde­r-Events konsequent­erweise keine Rennen. Es gibt keinen Sieger und es wird auch gar keine Zeit gemessen.

Ähnlich macht das die Xletix-Challenge, die größte Hindernisl­auf-Serie Deutschlan­ds. Die weltweit größte Reihe an Extrem-Hindernisl­äufen sind die „Spartan Races“. Die gibt es in verschiede­nen Längenkate­gorien, auch für Jugendlich­e werden spezielle Distanzen angeboten.

Verband gegründet

Alle drei Serien sind keine zehn Jahre alt. Die ganze OCR-Szene ist also noch recht jung und besteht weitgehend aus den kommerziel­l angebotene­n oder von Vereinen organisier­ten Events. Es gibt aber inzwischen semiprofes­sionelle Läufer, die sich auf Hindernisr­ennen spezialisi­ert haben, wie beispielsw­eise Charles „Pferdelung­e“Franzke aus Saalfeld (Thüringen) – der das Tough-Guy Rennen in England 2014 gewann. Am vergangene­n Wochenende siegte er erneut beim „Getting Tough“in Rudolstadt.

Franzke setzte sich schon seit einigen Jahren für einen Verband ein. Im Oktober 2018 hat sich nun die Obstacle Course Racing Associatio­n (OCRA) Germany gegründet, die sich „um die Belange der Hindernisl­äufer“kümmern möchte.

Autor des Beitrages ist Mathias

Freese. Der 32-jährige Redakteur hat schon an einigen Hindernisl­äufen im Nordwesten teilgenomm­en. @ Den Autor erreichen Sie unter freese@infoautor.de

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BILD: O. PERKUHN Krabbeln, ins Wasser und am Seil wieder hochklette­rn: Teilnehmer beim Airborne Fit Run in Bümmersted­e
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