TREND: EXTREMLÄUFE IM NORDWESTEN
Tausende Sportler nehmen an Extremläufen teil – Wie der Hindernislauf in den Nordwesten kam
Die Hindernislauf-Szene boomt seit einigen Jahren auch im Oldenburger Land. Die ■ gibt einen Überblick: von den Anfängen in England bis zur Gründung eines deutschen Verbandes.
OLDENBURG – Sie kriechen durch Modder, springen in Matschlöcher, tauchen in eiskaltes Wasser, klettern über Wände aller Art, hangeln, robben und schleppen Baumstämme oder Sandsäcke – und legen dabei oft 20 oder mehr Kilometer zurück. Die Rede ist von sogenannten „ExtremHindernisläufern“. Diese Art des Laufens, querfeldein und mit immer mehr und immer schwierigeren Hindernissen, boomt in Deutschland seit einigen Jahren wie verrückt. Mit den traditionellen Crossläufen, die die Leichtathleten seit jeher im Winter austragen, hat das ganze freilich nichts mehr zu tun. Obstacle-Course-Racing ist der englische Fachbegriff – oder kurz: OCR.
Worum es dabei geht, ist bei den Namen der großen wie kleinen Events oft schon abzulesen: Survival Run, Immer Extrem, Steelman, Getting Tough oder Strong Viking sind nur ein paar illustre Beispiele. Es geht um körperlich besonders harte Herausforderungen, darum, extreme Anforderungen zu meistern. Die Macher dieser Wettbewerbe – wobei einige der Events eigentlich keine Wettbewerbe im klassischen Sinne sind – lassen sich dabei immer krassere Methoden einfallen, ihre Teilnehmer zu quälen. Aber gut, die freuen sich ja drüber.
Tough Guy Race
Seinen Ursprung hat die Bewegung schon Ende der 1980er in England. Dort fand zum ersten mal das „Tough Guy“-Rennen statt, auf deutsch etwa „Harter Typ“. Der Wettbewerb findet noch immer jedes Jahr Ende Januar bei Wolverhampton statt und ist noch immer ein sehr hartes Rennen – alleine deshalb, weil
er im Winter stattfindet und die Teilnehmer durch eiskaltes Wasser müssen. Auch mit dem Kopf.
In Deutschland war der „Strongman Run“der erste bekannte Ableger. Der Lauf wurde von einem großen Pfefferminzpastillen-Hersteller gesponsert und fand 2007 mit 1600 Teilnehmern auf einem Standortübungsplatz der Bundeswehr in Münster statt. Militärgelände bieten sich für derartige Läufe natürlich an. Schon 2008 wechselte der Lauf aber mit mehr als 4000 Teilnehmern auf den FlughafenWeeze.Wegendesgroßen Interesses fand die fünfte Auflage 2011 mit 8500 Startern auf dem Nürburgring statt. Dort steigerte sich die Teilnehmerzahl in den Folgejahren auf mehr als 12 000.
Von 2008 bis 2011 hieß der Sieger Knut Höhler – ein BundesligaTriathlet, der sich aber dann als einer der ersten Deutschen auf Hindernisläufe spezialisierte. Der Göttinger gewann 2011 und 2012 auch das „Tough Guy“-Rennen in England – als erster Nicht-Engländer überhaupt.
Was Menschen antreibt, solche extremen Hindernisläufe in Angriff zu nehmen, hat Höhler danach in einem Interview mit Spiegel Online beschrieben: „Marathon- und Crossläufe sind mir auf Dauer zu langweilig. Ich weiß vorher ziemlich genau, welche Zeit ich laufen werde und was mich erwartet. Das ist beim Tough Guy anders. Die Hindernisse sind unberechenbar und auch die Gegner viel schwieriger einzuschätzen.“
Vull Wat Manns Loop
Nachdem der „Strongman Run“immer populärer wurde, tauchten immer mehr Nachahmer in der Lauflandschaft auf. Im Nordwesten war der „Vull Wat Manns Loop“im ostfriesischen Leer einer der ersten. Organisator Edzard Wirtjes nutzte das gegebene Gelände einer Kiesgrube, um einen „verschärften Crosslauf“zu veranstalten. Die erste Austragung im Jahr 2011 war noch sehr lauflastig. Mit den Jahren wurden die Hindernisse zahlreicher, schwieriger – und matschiger.
Airborne Fit-Run
Nur drei Monate später feierte der Airborne Fit-Run in Oldenburg Premiere. Den Lauf durch das Truppenübungsgelände in Bümmerstede mit zunächst nur sieben Hindernissen gewann der Ol- denburger Triathlet Tammo König, dem der Lauf viel Spaß machte: „So etwas weckt das Kind im Manne, Cowboy und Indianer für Erwachsene.“Seit 2013 findet der Airborne Fit Run jedes Jahr statt, inzwischen haben die Teilnehmer auf den knapp 20 Kilometern durch die „Bümmersteder Sandhölle“deutlich mehr Hindernisse zu bewältigen. Im Jahr 2017 kamen der „Immer Extrem“in GanderkeseeImmer (ein vergleichsweise kurze Hindernislauf, der sich sehr gut für Einsteiger eignet) und der „Crow Mountain Survival“in Bremen dazu.
Die Organisatoren des Airborne Fit Run, der aus militärischem Kontext heraus entstand, empfehlen im Sinne der Truppenkameradschaft Zusammenarbeit beim Überqueren der Hindernisse. So müssen bei der Teamwertung alle Teammitglieder gemeinsam ins Ziel laufen.
Tough Mudder / Xletix
Überhaupt hat sich der Gemeinschaftsgedanke bei den Extrem-Hindernisläufen immer weiter in den Vordergrund gespielt. An neuen Hindernissen, die auch erfahrene Teilnehmer herausfordern, üben sich die meisten Veranstalter. Es gibt aber auch Events, die sich gezielt an Gruppen richten, und deshalb Hindernisse in den Kurs aufnehmen, die alleine gar nicht zu bewältigen sind. Das macht zum Beispiel die „Tough Mudder“-Serie, die aus den USA stammt und inzwischen jedes Jahr auch mehrere Läufe in Deutschland anbietet. Da für das Überqueren einiger Hindernisse die Hilfe von Mitläufern nötig ist, sind die ToughMudder-Events konsequenterweise keine Rennen. Es gibt keinen Sieger und es wird auch gar keine Zeit gemessen.
Ähnlich macht das die Xletix-Challenge, die größte Hindernislauf-Serie Deutschlands. Die weltweit größte Reihe an Extrem-Hindernisläufen sind die „Spartan Races“. Die gibt es in verschiedenen Längenkategorien, auch für Jugendliche werden spezielle Distanzen angeboten.
Verband gegründet
Alle drei Serien sind keine zehn Jahre alt. Die ganze OCR-Szene ist also noch recht jung und besteht weitgehend aus den kommerziell angebotenen oder von Vereinen organisierten Events. Es gibt aber inzwischen semiprofessionelle Läufer, die sich auf Hindernisrennen spezialisiert haben, wie beispielsweise Charles „Pferdelunge“Franzke aus Saalfeld (Thüringen) – der das Tough-Guy Rennen in England 2014 gewann. Am vergangenen Wochenende siegte er erneut beim „Getting Tough“in Rudolstadt.
Franzke setzte sich schon seit einigen Jahren für einen Verband ein. Im Oktober 2018 hat sich nun die Obstacle Course Racing Association (OCRA) Germany gegründet, die sich „um die Belange der Hindernisläufer“kümmern möchte.
Autor des Beitrages ist Mathias
Freese. Der 32-jährige Redakteur hat schon an einigen Hindernisläufen im Nordwesten teilgenommen. @ Den Autor erreichen Sie unter freese@infoautor.de