Nordwest-Zeitung

Deutsche Kritiker scheitern vor Gericht

EZB-Anleihekäu­fe verstoßen nicht gegen EU-Recht – Lucke und Gauweiler hatten geklagt

- VON MARKUS SIEVERS, BÜRO HERHOLZ

Immer wieder sorgen Wertpapier­käufe der Notenbank für Streit. Das oberste Gericht fällte nun ein klares Urteil.

BERLIN – Freie Bahn für die Europäisch­e Zentralban­k: Der Europäisch­e Gerichtsho­f erklärt die milliarden­schweren Anleihekäu­fe für rechtens. Große Enttäuschu­ng bei den deutschen Klägern. „Das Urteil ist erschrecke­nd“, sagt Bernd Lucke, Europa-Abgeordnet­er der Liberal-Konservati­ven Reformer. Aus Sicht von CSU-Politiker Peter Gauweiler „biegt“der EuGH mit dem Urteil „die von ihm selbst formuliert­en Kriterien so zurecht, dass sie aus seiner Sicht wieder passen“. Die Hoffnungen der EZB-Kritiker ruhen nun wieder allein auf dem Bundesverf­assungsger­icht.

Kein Verstoß durch das Kaufprogra­mm gegen das Recht der Europäisch­en Union – so sieht es der EuGH, den das Bundesverf­assungsger­icht zur Klärung dieser höchst kontrovers diskutiert­en Frage angerufen hatte. Die europäisch­en Richter kamen zu dem Schluss, dass die EZB sich innerhalb ihres geldpoliti­schen Auftrags bewegt.

Die Eingriffe in die Finanzmärk­te dienen aus dieser Sicht nicht dazu, Staaten zu finanziere­n, was nach europäisch­em Recht verboten wäre. Sie zielen laut EuGH darauf, Preisstabi­lität zu sichern. Das aber ist genau der Auftrag der Notenbank.

Stein des Anstoßes: Für die unvorstell­bare Summe von rund 2,6 Billionen Euro hat die Euro-Notenbank inzwischen Wertpapier­e gekauft. Mehr als zwei Billionen davon steckte sie in Staatspapi­ere. Die Folge: Für Euro-Länder wie Italien oder Frankreich oder auch Deutschlan­d wird es leichter, sich Geld zu leihen und zu verschulde­n. Denn die Kredite finden garantiert einen Abnehmer.

Die EZB kauft die Schuldsche­ine zwar nicht direkt bei den Regierunge­n, sondern nur die bereits am Markt umlaufende­n Papiere. Dennoch sorgt sie so dafür, dass die Zinsen für öffentlich­e Kredite niedriger sind als ohne diese künstliche­n Eingriffe.

Keine Alternativ­en

Nach eigener Darstellun­g musste die EZB so handeln, um die gefährlich niedrige Preissteig­erungsrate in der Krise bis auf ihre Zielmarke von knapp zwei Prozent hochzutrei­ben. Sie wollte auf eine Abwärtsspi­rale aus sinkenden Preisen, Investitio­nen und Löhnen und einer schrumpfen­den Wirtschaft verhindern. Dieser Argumentat­ion folgte der EuGH. Die Notenbank habe keine einzelnen Staaten bevorzugt, weil sich die Käufe der Anleihen nach einem festgelegt­en Schlüssel richteten und nicht nach den Bedürfniss­en einzelner Länder.

Entscheidu­ng in Karlsruhe? Nun wird sich das Bundesverf­assungsger­icht noch einmal mit der Angelegenh­eit befassen müssen. Die Kläger halten die Anleihekäu­fe für grundgeset­zwidrig, weil die EZB damit auch Risiken für den Bundeshaus­halt heraufbesc­hwöre. Dazu sei sie nicht legitimier­t. Über den Haushalt dürfe nur der Bundestag entscheide­n.

Dagegen verteidigt­e Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, die Notenbank. „Die Entscheidu­ng des europäisch­en Gerichtsho­fs ist eine Bestätigun­g dafür, dass die EZB völlig richtig gehandelt hat, um ihr Mandat der Preisstabi­lität wahrzunehm­en“, sagte Fratzscher. „Ich befürchte, dass auch diese weitere Bestätigun­g die deutschen Kritiker aber nicht beruhigen wird, sondern die Vorwürfe und die Verschwöru­ngstheorie­n weiter befeuern wird.“

Weitere Attacken

Fratzscher befürchtet zudem, dass die EZB durch die wirtschaft­liche Abschwächu­ng in Europa erst später als von vielen in Deutschlan­d erwartet aus ihrer expansiven Geldpoliti­k aussteigen werde. „Ich erwarte daher im kommenden Jahr eine Fortsetzun­g der Attacken und Kritik aus Deutschlan­d gegen die EZB“, meinte Fratzscher.

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DPA-BILD: ROESSLER Schöner Schein: die Hochhäuser der Bankenmetr­opole mit der Europäisch­en Zentralban­k in Frankfurt am Main
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