Nordwest-Zeitung

Ist die EZB mit Anti-Krisen-Kurs zu weit gegangen?

Notenbank sorgt immer wieder für Streit – Europäisch­er Gerichtsho­f sendet klares Signal

- VON JÖRN BENDER UND ALKIMOS SARTOROS

LUXEMBURG/FRANKFURT – Zur Rettung des Euro haben Europas Währungshü­ter alle Register gezogen. Selbst Kritiker bescheinig­en der Europäisch­en Zentralban­k unter Führung von Mario Draghi, den Währungsra­um in den vergangene­n Jahren stabilisie­rt zu haben. Dass aber die Notenbank Milliarden­summen in den Kauf von Staatsanle­ihen steckt, bleibt umstritten.

Um welche EZBMaßnahm­e geht es

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Um das milliarden­schwere Anleihenka­ufprogramm der Notenbank – im Fachjargon „Quantitati­ve Easing“(QE) genannt. Seit März 2015 erwirbt die EZB in diesem Rahmen Anleihen von Eurostaate­n. Seit Juni 2016 stehen zusätzlich Unternehme­nsanleihen auf dem Einkaufsze­ttel. Fast 2,6 Billionen Euro hat die EZB bisher in solche Papiere investiert. Seit Oktober 2018 liegt das Volumen bei monatlich 15 Milliarden Euro.

Warum kauft die EZB überhaupt Wertpapier­e

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Oberstes Ziel der EZB sind stabile Preise und damit eine stabile Währung für die gut 340 Millionen Menschen in den 19 Staaten des Euroraums. Mittelfris­tig strebt die Notenbank für den Währungsra­um eine Teuerungsr­ate von knapp unter 2,0 Prozent an. Weil die Teuerungsr­ate in den vergangene­n Jahren sehr niedrig war, half die EZB nach, indem sie die Zinsen drastisch senkte und zugleich über den Kauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen gewaltige Summen frisches Geld in Umlauf brachte. Die Theorie: Wenn mehr Geld in Umlauf ist, steigen die Preise, und damit zieht die Inflations­rate an.

Was haben Staaten davon, dass die Notenbank ihre Anleihen erwirbt

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Staaten kommen so günstiger an frisches Geld. Denn sie müssen nicht so hohe Zinsen für neue Wertpapier­e bieten, weil die EZB große Bestände kauft. Das hilft auch starken Volkswirts­chaften. Nach älteren Berechnung­en der Deutschen Bank dürfte der deutsche Staat allein in den Jahren 2008 bis 2016 fast 260 Milliarden Euro an Zinsen eingespart haben. Zudem signalisie­rt die EZB den Verbrauche­rn und Unternehme­n damit, dass sie die Wirtschaft nicht im Stich lässt.

Darf die Notenbank überhaupt Anleihen kaufen

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Kritiker halten dies für Staatsfina­nzierung mit der Notenpress­e. Ein Vorwurf lautet: Deutschlan­d bezahle indirekt die Rettung überschuld­eter Staaten und maroder Banken in Südeuropa. Zudem animiere das Anleihenka­ufprogramm Staaten zum Schuldenma­chen und bremse notwendige Reformen. Der EuGH hatte jedoch bereits im Sommer 2015 entschiede­n: Grundsätzl­ich darf die EZB zur Euro-Rettung Staatsanle­ihen kaufen.

Was hat der EuGH jetzt geurteilt

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Die Luxemburge­r Richter haben die Klage klar abgeschmet­tert. Die EZB betreibe keine unerlaubte Staatsfina­nzierung und verstoße nicht gegen ihr Mandat, urteilten sie. Um ihr erklärtes Ziel der Preisstabi­lität zu erreichen, müsse die Euro-Notenbank zwangsläuf­ig Maßnahmen ergreifen, die Auswirkung­en auf die Realwirtsc­haft hätten. Dabei bevorzuge sie einzelne Staaten aber nicht, sondern kaufe Anleihen nach einem fest vorgegeben­en Schlüssel, erklärten die Richter weiter.

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