Frauen stehen noch im Abseits
Ex-HSV-Vorstand Katja Kraus sieht alte Strukturen und will neue Regeln
Frauen sind im :ännerFußball auf wichtigen Positionen eine Ausnahme. Das ärgert die einstige Vorreiterin Kraus, die andere Verhältnisse will.
KÖLN – Annegret Kramp-Karrenbauers Aufstieg zur neuen CDU-Chefin war für Katja Kraus wieder einmal der Beweis. „Frauen“, findet das frühere Vorstandsmitglied des Traditionsclubs Hamburger SV, „Frauen können das Land führen oder Wirtschaftsunternehmen – aber Fußball-Management wird zur Geheimwissenschaft erklärt.“
Die Ex-Nationalspielerin stieß mit dieser Aussage zur weitgehenden Bedeutungslosigkeit von Frauen im Männer-Fußball zum wiederholten Mal eine Grundsatzdebatte an. „So hermetisch grenzt sich ansonsten nur noch die katholische Kirche gegen weibliche Führungskräfte ab“, hatte Kraus vor einigen Monaten über die althergebrachten Strukturen gesagt.
Sieben Jahre nach Ende ihrer achtjährigen Vorstandsarbeit beim HSV gilt die 48-Jährige tatsächlich noch als Vorreiterin und „Exotin“zugleich, treten Frauen doch im weitgehend geschlossenen MännerSystem von Bundesliga, Europacup und Nationalmannschaft meistens nur als glamouröse Partnerinnen von Profis in Erscheinung. Ausnahmen
bestätigen nur die Regel. Prominenteste Frau im deutschen Fußball ist Bibiana Steinhaus – als Schiedsrichterin in der Männer-Bundesliga. Ihr Debüt im Oberhaus feierte sie 2017 trotz mancher Widerstände. Das Ausland feierte die Polizistin dafür als „Pionierin des Weltfußballs“.
Vor Kraus war nur noch Britta Steilmann in den 1990er Jahren einmal in einer Spitzenposition: Beim damaligen Erstligisten Wattenscheid09 lenkte die Tochter des steinreichen Vereinschefs Klaus Steilmann als Managerin die Geschicke des Clubs. Doch außer Kraus, Steilmann und Steinhaus? Fehlanzeige. Fast jedenfalls: Beim Rekordmeister Bayern München ist zumindest das Gesicht von Kathleen Krüger vielen TV-Zuschauern bekannt. Die ExSpielerin fungiert der Position der Teammanagerin – wobei Spötter despektierlich vom wortwörtlichen „Mädchen für alles“sprechen.
Angesichts einer Bundeskanzlerin, zwei Frauen an der Spitze der beiden größten Regierungsparteien und immerhin auch zwei Ministerpräsidentinnen aber sieht Kraus die Zeit für mehr Frauenpower gekommen – notfalls durch Vorschriften. Denn Frauen, meint die Olympia-Teilnehmerin von 1996, sei „nur durch Druck von außen, durch eine Quote“der Aufstieg in leitende Positionen eines Clubs möglich.
Der heutigen Sportmarketing-Unternehmerin schwebt eine Regelung nach Vorbild der gesetzlichen Vorgaben zur Besetzung von Aufsichtsratsposten in Wirtschaftsunternehmen vor: „Man könnte eine Quote für die Aufsichtsräte und Präsidien festlegen.“
Die einst mächtigste Frau im deutschen Fußball glaubt fest an einen Erfolg solcher Vorschriften: „Ich bin überzeugt, das würde nicht nur den Fußball, sondern den gesamten Sport nach vorn bringen.“Gleichwohl erwartet sie keinen zeitnahen Einstieg einer Trainerin bei einem Männer-Team der oberen Ligen. „Der Kern der Skepsis“, sagt Kraus, „ist nicht mangelndes Fachwissen, sondern das Problem, dass niemand elf gestandenen Männern zutraut, die Anweisungen einer Frau ernst zu nehmen“.