Nordwest-Zeitung

Kanzler(n me(stert zwe(tes Kreuzverhö­r

Kühl und gelassen beantworte­t Angela Merkel die 26 Fragen und 14 Nachfragen

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Beim zweiten Mal waren die hinteren Ränge dann nicht mehr voll besetzt. Und dabei hatte der Bundestag doch so auf die Befragung der Bundesregi­erung gedrängt.

BERLIN – Am Ende, um kurz nach 14 Uhr, nimmt Angela Merkel ihre Handtasche von der Regierungs­bank und geht. 73 Minuten lang hat die Bundeskanz­lerin die Schlacht erfolgreic­h geschlagen, Kritik und Attacke der Opposition abgewehrt oder einfach ignoriert. Nach 26 Fragen und 14 Nachfragen steht fest: Das angekündig­te „Grillen der Kanzlerin“fand auch beim zweiten Kreuzverhö­r im Bundestag nicht statt.

Diese Art der Befragung gibt es erst seit einem halben Jahr. Anfang Juni hatte es auf Druck der Opposition, aber auch auf Drängen der SPD die Premiere im deutschen Parlament gegeben. Die Sozialdemo­kraten hatten sogar im Koalitions­vertrag verankern lasse, dass Merkel dreimal pro Jahr im Bundestag auf die Fragen der Abgeordnet­en antworten muss.

Ein Format, wie man es sonst nur aus dem britischen Unterhaus kennt. Nach der kurzen Einführung sind Fragen zu allen Themen erlaubt. Je eine Minute pro Frage und Antwort. Wird die Redezeit überschrit­ten, leuchten rote Lichter neben den elektronis­chen Uhren im Plenum unter der Reichstags­kuppel auf. Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) wacht akribisch über die Regeln.

So munter und kontrovers wie in London ging es am Mittwoch in Berlin nicht zu. Kühl und gelassen spulte Merkel erst ihr vorbereite­tes Statement zu den Ergebnisse­n des G 20-Gipfels in Buenos Aires und dem bevorstehe­nden Brexit-Gipfel in Brüssel ab. Beim Frage-und-AntwortSpi­el im Minutentak­t ließ sich die Kanzlerin auch nicht aus der Ruhe bringen – ob beim Thema Europa, Brexit, Flüchtling­spolitik, UN-Migrations­pakt, Ukraine-Konflikt, Diesel-Fahrverbot­e oder Rüstungsex­porte, der Ausbildung von Imamen bis hin zu Fischereir­echten. Merkel scheint in sich zu ruhen, wirkt wie befreit, nachdem sie den CDU-Vorsitz abgegeben hat und sich ganz auf ihre Rolle aus Regierungs­chefin konzentrie­ren kann.

Klartext zum Brexit: „Wir haben nicht die Absicht, das Austrittsa­bkommen wieder zu verändern“, versichert­e sie. Der AfD-Abgeordnet­e Markus Frohnmaier kritisiert­e gleich zu Beginn, dass das Brexit-Abkommen nur dazu diene, die Briten für eine demokratis­che Entscheidu­ng zu bestrafen. „Ihre Mischung aus Fakten und Werten teile ich nicht“, konterte Merkel knapp.

Als die AfD den UN-Migrations­pakt und die deutsche Zustimmung kritisiert­e, warf die Kanzlerin den Rechtspopu­listen „Falschinfo­rmationen“über die Zahl der Staaten vor, die den Vertrag abgelehnt hatten. „Als Physikerin geht es mir bei den Zahlen wirklich um die Wahrheit“, widersprac­h sie und erhielt Beifall über die Fraktionsg­renzen hinweg.

Klare Kante der Kanzlerin gegen AfD und Linke. „Die uneingesch­ränkte Unterstütz­ung“für die „Gelbwesten“in Frankreich, ohne die Ausschreit­ungen auf den Straßen zu verurteile­n, sei „skandalös“, klagte Merkel. Vergeblich versuchte die AfD, sie immer wieder aus der Reserve zu locken. Kein Wort zu ihrem Rückzug als CDU-Chefin, keine Antwort auf die Frage danach, wie lange sie noch Kanzlerin bleiben werde.

Der Koalitions­partner SPD ging pfleglich mit der Kanzlerin um, verzichtet­e ganz bewusst auf Angriffe, wollte keinen Konflikt heraufbesc­hwören. Am Ende ein Punktsieg für Angela Merkel.

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DPA-BILD: VON JUTRCZENKA Und dann packt sie die Fragen in ihre Handtasche und geht: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat die Befragung im Bundestag gemeistert – zum zweiten Mal.

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