Kanzler(n me(stert zwe(tes Kreuzverhör
Kühl und gelassen beantwortet Angela Merkel die 26 Fragen und 14 Nachfragen
Beim zweiten Mal waren die hinteren Ränge dann nicht mehr voll besetzt. Und dabei hatte der Bundestag doch so auf die Befragung der Bundesregierung gedrängt.
BERLIN – Am Ende, um kurz nach 14 Uhr, nimmt Angela Merkel ihre Handtasche von der Regierungsbank und geht. 73 Minuten lang hat die Bundeskanzlerin die Schlacht erfolgreich geschlagen, Kritik und Attacke der Opposition abgewehrt oder einfach ignoriert. Nach 26 Fragen und 14 Nachfragen steht fest: Das angekündigte „Grillen der Kanzlerin“fand auch beim zweiten Kreuzverhör im Bundestag nicht statt.
Diese Art der Befragung gibt es erst seit einem halben Jahr. Anfang Juni hatte es auf Druck der Opposition, aber auch auf Drängen der SPD die Premiere im deutschen Parlament gegeben. Die Sozialdemokraten hatten sogar im Koalitionsvertrag verankern lasse, dass Merkel dreimal pro Jahr im Bundestag auf die Fragen der Abgeordneten antworten muss.
Ein Format, wie man es sonst nur aus dem britischen Unterhaus kennt. Nach der kurzen Einführung sind Fragen zu allen Themen erlaubt. Je eine Minute pro Frage und Antwort. Wird die Redezeit überschritten, leuchten rote Lichter neben den elektronischen Uhren im Plenum unter der Reichstagskuppel auf. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wacht akribisch über die Regeln.
So munter und kontrovers wie in London ging es am Mittwoch in Berlin nicht zu. Kühl und gelassen spulte Merkel erst ihr vorbereitetes Statement zu den Ergebnissen des G 20-Gipfels in Buenos Aires und dem bevorstehenden Brexit-Gipfel in Brüssel ab. Beim Frage-und-AntwortSpiel im Minutentakt ließ sich die Kanzlerin auch nicht aus der Ruhe bringen – ob beim Thema Europa, Brexit, Flüchtlingspolitik, UN-Migrationspakt, Ukraine-Konflikt, Diesel-Fahrverbote oder Rüstungsexporte, der Ausbildung von Imamen bis hin zu Fischereirechten. Merkel scheint in sich zu ruhen, wirkt wie befreit, nachdem sie den CDU-Vorsitz abgegeben hat und sich ganz auf ihre Rolle aus Regierungschefin konzentrieren kann.
Klartext zum Brexit: „Wir haben nicht die Absicht, das Austrittsabkommen wieder zu verändern“, versicherte sie. Der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier kritisierte gleich zu Beginn, dass das Brexit-Abkommen nur dazu diene, die Briten für eine demokratische Entscheidung zu bestrafen. „Ihre Mischung aus Fakten und Werten teile ich nicht“, konterte Merkel knapp.
Als die AfD den UN-Migrationspakt und die deutsche Zustimmung kritisierte, warf die Kanzlerin den Rechtspopulisten „Falschinformationen“über die Zahl der Staaten vor, die den Vertrag abgelehnt hatten. „Als Physikerin geht es mir bei den Zahlen wirklich um die Wahrheit“, widersprach sie und erhielt Beifall über die Fraktionsgrenzen hinweg.
Klare Kante der Kanzlerin gegen AfD und Linke. „Die uneingeschränkte Unterstützung“für die „Gelbwesten“in Frankreich, ohne die Ausschreitungen auf den Straßen zu verurteilen, sei „skandalös“, klagte Merkel. Vergeblich versuchte die AfD, sie immer wieder aus der Reserve zu locken. Kein Wort zu ihrem Rückzug als CDU-Chefin, keine Antwort auf die Frage danach, wie lange sie noch Kanzlerin bleiben werde.
Der Koalitionspartner SPD ging pfleglich mit der Kanzlerin um, verzichtete ganz bewusst auf Angriffe, wollte keinen Konflikt heraufbeschwören. Am Ende ein Punktsieg für Angela Merkel.