Ein warmer Händedruck – mehr nicht
Nuropas Staats- und Regierungschefs bleiben hart – Brexit-Deal wird nicht neu verhandelt
Brexit:
Nach monatelangen Verhandlungen gibt es ein Vertragspaket zum EU-Austritt Großbritanniens am 29. März 2019. Die britische Regierung hat zugestimmt, die EU ebenfalls – doch fehlt im britischen Parlament die Mehrheit zur Ratifizierung.
Ukraine-Konflikt: Migration:
Das große Streitthema Migration wird bei diesem Gipfel nur wenig Raum einnehmen. Eine gemeinsame Linie im Asylrecht ist immer noch nicht in Sicht.
Haushalt:
Die Staats- und Regierungschefs wollen beim Gipfel erstmals über die EU-Finanzplanungen für das kommende Jahrzehnt beraten. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger plant, das Budget für die Jahre 2021 bis Ende 2027 – unter Berücksichtigung der Inflation – auf 1279 Milliarden Euro aufzustocken. Es soll mehr Geld für Verteidigung, Forschung, Jugend und Grenzschutz fließen. Finanzhilfen für Landwirte und strukturschwache Regionen sollen hingegen gekürzt werden. Eine schnelle Einigung ist nicht in Sicht.
Euro:
Die Staats- und Regierungschefs sollen die von den Finanzministern vereinbarte Stärkung des EuroRettungsschirms absegnen. Der ESM vergibt gegen Sparund Reformauflagen Kredite an Staaten in Notlagen. Künftig soll er früher einschreiten, damit nicht aus kleinen Problemen große Finanzkrisen werden. Auch soll der ESM Kreditprogramme stärker selbst managen. Schließlich soll der EuroRettungsschirm künftig im Notfall bei Bankenabwicklungen beispringen können und die sogenannte Letztsicherung stellen, wenn andere Mittel nicht ausreichen.
Haushalt:
Strittig ist die Einführung eines Eurozonenbudgets im EU-Haushalt, wie es Deutschland und Frankreich wollen. Es könnte dazu dienen, wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Staaten zu verringern. Die Finanzminister sollen sich bis Mitte 2019 auf eine Position verständigen, hieß es in einem Gipfelentwurf.
Ist die EU zu Zugeständnissen beim Brexit-Deal bereit, um Theresa May zu helfen? Doch schon zu Beginn war klar, dass die Premierministerin allein dastehen würde.
BRÜSSEL – So viele Freundlichkeiten hatte Theresa May noch nie von ihren europäischen Amtskollegen zu hören bekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte das überstandene Misstrauensvotum der britischen Premierministerin „erfreulich“. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte zollte seiner Londoner Amtskollegin „großen Respekt“. Und der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel verzichtete gar auf eine eigene Stellungnahme vor den Kameras, als er May kurz nach ihm eintreffen sah: Er eilte auf sie zu, begrüßte sie mit Küsschen und versprach strahlend: „Wir sind bereit zu helfen.“
So weit das Vorspiel. Hinter verschlossenen Türen ging es dann zwar nicht weniger herzlich, aber in der Sache ungleich härter zu. „Ich sehe nicht, dass wir dieses Austrittsabkommen noch einmal verändern“, fasste Merkel nüchtern zusammen, was auch alle anderen dachten: Der ausgehandelte Deal wird nicht wieder aufgeschnürt.
Zwar machte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der gerade die halbjährlich rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat, „noch einen gewissen Spielraum“aus. Doch als der Mann aus Wien dann konkret werden sollte, zeigte sich: Auch er sieht nur wenig Möglichkeiten, beim Streitpunkt Backstop auf London zuzugehen. Kurz: „Wenn die britische Premierministerin meint, dass die eine oder andere zusätzliche Erklärung hilfreich sein kann, bevor man den Austrittsvertrag zur Abstimmung bringt, sollten wir das tun.“
Der Zankapfel ist eigentlich nur eine Notlösung: Sollte es im Laufe der Übergangsfrist, die höchstens bis Ende 2022 dauern darf, keine Einigung über den Grenzverlauf zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland geben, müsste ganz Großbritannien vorerst in einer Zollunion mit der Gemeinschaft bleiben – unbefristet.
Die Brexit-Befürworter auf der Insel argwöhnen, dass dies ein Trick der EU sein könnte, um die Insel möglichst lange in ihrem Einflussbereich zu halten – inklusive aller Beitragszahlungen und zur Übernahme aller EU-Regeln verpflichtet, ohne mitbestimmen zu können.
Während die Staats- und Regierungschefs tagten und sich schon mit anderen wichtigen Themen wie dem Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine befassten, begannen die Experten der 28 Delegationen im Hinterzimmer mit der Ausarbeitung einer Zusatzerklärung. Der Backstop solle „nur für eine kurze Dauer und nur so lange wie unbedingt nötig“in Kraft bleiben, hieß es im Entwurf – falls man diese Rückversicherung dann überhaupt brauche. Doch allein dieser kurze Satz wurde hin und her gewendet: Was heißt „kurz“? Was bedeutet „unbedingt“? „Mit etwas gutem Willen könnte jeder wissen, was gemeint ist“, sagte ein ranghoher EU-Diplomat. „Aber es gibt keinen guten Willen mehr.“
Vor dem traditionellen Abendessen durfte May in der Runde der Staatenlenker reden. „Ich erwarte keinen Durchbruch“, hatte sie zuvor gesagt. „Aber ich hoffe, dass wir so bald wie möglich mit der Arbeit an den nötigen Zusicherungen beginnen können.“„Rechtsverbindliche Zusagen“nannten die britischen Unterhändler das, was gesucht war. Erst am späten Abend wurde May hinausgebeten, damit die 27 Staatsund Regierungschefs der Union unter sich beraten konnten, was man denn nun wie in die Schlusserklärung dieses Treffens hineinschreiben solle.
Bei aller Bereitschaft, die britische Kollegin bei dem Versuch, den bisher vorliegenden Deal durch das Parlament in London zu bringen, zu unterstützen, wollten die EU-Vertreter auch darauf achten, nur ja keine eigenen Positionen preiszugeben. Allzu groß schien die Hoffnung auf einen rettenden Einfall, der für beide Seiten hilfreich ist, allerdings nicht zu sein.
Seit einigen Tagen hat ein anderes Gremium aus Experten der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten wieder seine Arbeit aufgenommen. Es bereitet – wie es hieß „mit Hochdruck“– einen Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Deal vor. Auch Brüssel hält ein Scheitern Theresa Mays für nicht mehr undenkbar.