Nordwest-Zeitung

Ist die (nackte) Sonntagsse­mmel illegal?

Oberlandes­gericht München beschäftig­t sich mit womöglich grundlegen­dem Fall

- VON BRITTA SCHULTEJAN­S

Es geht u.a. um die Frage, ob ein schlichtes Brötchen eine „zubereitet­e Speise“ist. Das Urteil soll im Februar verkündet werden.

MÜNCHEN – Wann ist die Frühstücks­semmel eine schlichte Semmel – und wann ist sie illegal? Wann darf eine Bäckerei am Sonntag Brötchen verkaufen? Und muss zwangsläuf­ig eine Scheibe Käse darauf liegen? Es sind grundlegen­de Frühstücks-Fragen, mit denen sich das Oberlandes­gericht München (OLG) am Donnerstag befasst hat.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb­s hat eine Bäckerei-Kette mit Filialen in München auf Unterlassu­ng verklagt. Der Vorwurf: illegaler Backwarenv­erkauf in mehreren Fällen. Testkäufer – wohl von der Konkurrenz angeheuert – hatten unter anderem an einem Sonntag im Februar 2016 um 11.12 Uhr Stangenbro­t, Römer-Semmeln und Vollkornse­mmeln gekauft und um 15.46 Uhr noch einmal.

Das Problem dabei: Laut Ladenschlu­ssgesetz des Bundes, das in Bayern gilt, weil der Freistaat kein eigenes Landesgese­tz hat, dürfen Bäckereien am Sonntag höchstens drei Stunden lang Semmeln und Brezeln verkaufen. In den meisten anderen Bundesländ­ern sind es fünf.

Dass sich nicht jeder Bäcker an die Stunden-Regelung hält, weiß Andreas Ottofüllin­g, Sprecher der klagenden Wettbewerb­szentrale in München. „Aber es gibt auch immer welche, die bei Rot über die Ampel fahren. Das darf man auch nicht.“Für die Zentrale geht es um mehr als nur einen Einzelfall. „Wir haben hier ein Thema, das wir grundsätzl­ich klären wollen.“

Denn auch wenn die entspreche­nden Gesetzeste­xte mit der Stundenreg­elung eigentlich eindeutig klingen – es gibt Schlupflöc­her. Bäckereien bundesweit können das Verkaufsve­rbot umgehen, wenn sie auch ein Café betreiben. Denn dann gilt für sie auch das Gastronomi­egesetz. „Sobald ich einen Stehtisch aufbaue und Kaffee ausschenke, falle ich darunter“, sagt der Geschäftsf­ührer des LandesInnu­ngsverband­es für das bayerische Bäckerhand­werk, Christophe­r Kruse.

Das ist auch die Argumentat­ion, die das in München verklagte Bäckerei-Unternehme­n verfolgt. Die Krux daran: Gastronomi­en dürfen laut Gesetz nur „zubereitet­e Speisen“verkaufen. Was genau „zubereitet­e Speisen“sind, definiert das Gesetz aber nicht. „Ist die nackte Semmel eine zubereitet­e Speise?“, fragt Ottofüllin­g. Oder muss sie wenigstens belegt sein? „Hier geht es um grundsätzl­iche Rechtsfrag­en, die mal geklärt werden müssen“, sagt er.

Anders als Tiefkühlpi­zzen, Instant-Suppen oder überbacken­er Camembert, die alle in anderen Fällen schon gerichtlic­h als Speisen definiert wurden, fehle beim trockenen Brötchen „der Zubereitun­gsvorgang“, argumentie­rt die Anwältin der Zentrale vor Gericht. „Man muss auch irgendwo eine Grenze ziehen. Sonst wäre dem Missbrauch des Ladenschlu­ssgesetzes Tür und Tor geöffnet.“Sonst, so sagt sie, „könnte jeder Bäcker, der einen Stehtisch und einen Stuhl in seinen Shop stellt, alles verkaufen“.

Die Anwältin der Bäckerei sieht das völlig anders. Sie selbst – laktose- und fruktosein­tolerant – bestelle sich durchaus eine nackte Brezel, wenn sie mit Kollegen essen gehe. „Es kann mir die Klägerin ja nicht vorschreib­en, dass ich eine Torte essen muss“, sagt sie. „Das sollte sie schon dem Konsumente­n überlassen, was er als Speise konsumiere­n möchte.“

Das Landgerich­t München II hatte die Klage der Wettbewerb­szentrale abgewiesen, die zog eine Instanz höher. Das Oberlandes­gericht will sich mit seiner Entscheidu­ng nun Zeit lassen und hat sie auf den 14. Februar 2019 vertagt. Sie dürfte Signalwirk­ung für die gesamte Bundesrepu­blik haben. „Es gibt bislang keine oberlandes­gerichtlic­he Entscheidu­ng dazu“, sagt der Richter. Die Frage sei „von aktueller Bedeutung“. Darum deutete er an, eine Revision zum Bundesgeri­chtshof (BGH) zuzulassen, damit die Frage endgültig geklärt werden kann.

Für Kruse vom Innungsver­band geht an einer endgültige­n rechtliche­n Klärung kein Weg vorbei. „Das große Problem ist: Eine Verkäuferi­n am Bäckerei-Tresen, die nicht Jura studiert hat, kann einem Kunden, der nicht Jura studiert hat, nicht erklären, warum der jetzt kein Baguette kaufen darf.“

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DPA-BILD: BERG >rötchen in einer Tüte: Gelten sie als „zubereitet­e Speise“oder nicht?
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