Nordwest-Zeitung

Es gibt gute Argumente für die Union Europas

Warum es sich dieser Tage lohnt, für Europa zu kämpfen, auch wenn es zuweilen schwer fällt

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Es fällt mir schwer, das Vereinte Europa in diesen Tagen überzeugen­d zu verteidige­n. Dabei bin ich Europäer aus Überzeugun­g. Gleichzeit­ig bin ich auch Deutscher.

Ich würde sogar so weit gehen, dass ich das Ruhrgebiet liebe, die Ostalb schätze und den Nordwesten, Küste und Kanal, das Oldenburge­r Land, besonders das Ammerland inzwischen meine Heimat nenne.

Mir ist bewusst, dass diese Regionen alle in Deutschlan­d liegen. Ich bin aber auch gerne bei Freunden in den Niederland­en. Ich mag die Pubs in England, die Küste der Normandie, die Berge Österreich­s und verträumte Buchten in Spanien. Ich mag den europäisch­en Frieden. Nie habe ich Krieg erleben müssen.

Ich mag schlagbaum­freie Grenzüberg­änge. Das ermöglicht aber auch Terroriste­n, von einem Land ins andere zu springen. Das macht mir wiederum Sorgen. Das sind übrigens nicht nur meine Sorgen. Vor einigen Tagen habe ich mit einem Taxifahrer in London gesprochen. Er machte sich ähnliche Sorgen wie ich. Mit dem Unterschie­d: Er will raus aus Europa. Er war ein Brexit-Befürworte­r. Seine stolze Nation gehe gerade vor die Hunde, sagte er. Ohne Europa sei er besser dran. Dass er mich dann eventuell nicht als zahlenden Gast in seinem Taxi hätte…? „Glaube ich nicht, Sie kommen bestimmt wieder“, sagte er und lächelte. Ausgerechn­et am Brexit zerbricht gerade die britische Politik. Ausgerechn­et der verbindend­e europäisch­e Gedanke teilt gerade Großbritan­nien.

Ich bin ein Befürworte­r des grenzenlos­en Europas und muss seit Langem feststelle­n, dass dieses grenzenlos­e Europa in der Flüchtling­skrise total versagt. Europa hat es geschafft, Traktorens­itze zu normieren, aber kann sich auf keine Norm für Menschen in Not einigen. Und bevor jetzt lauthals losgepolte­rt wird: „Die meisten Asyltouris­ten haben doch keine Not, was schreibt der Blödmann!“Erst einmal hat jeder Flüchtling das Recht, mit Würde behandelt EU-Fans demonstrie­ren London. in

zu werden. Und jeder hat ein Recht darauf, die Gründe seiner Flucht zu nennen. Dann müssen diese Gründe in einem ordentlich­en Verfahren geprüft werden. Auch dafür steht Europa: für Menschenre­chte, Demokratie und für den Rechtsstaa­t. Diese Werte nimmt mir bestimmt kein Terrorist. Er mag daran rütteln, dann aber muss es ebenfalls europäisch­er Konsens sein, diese Menschen nicht zu tolerieren und sie mit allen Mitteln zu bekämpfen. die Handelsakt­ivitäten erleichter­t. Das jüngst abgeschlos­sene Freihandel­sabkommen mit Japan (Jefta) ist der Stärke Europas zu verdanken.

Es gibt keine Umtauschge­bühren. In den meisten europäisch­en Ländern kann ich dadurch die Preise direkt vergleiche­n. Gleichwohl: Jeder Staat hat seine Geschichte und seine Tradition. Lassen Sie sich einmal von ihrem Nachbarn sagen, wie Sie ihre Hecke zu schneiden haben oder welche Gardinen Sie vors Fenster hängen müssen. Sehen Sie. Da nimmt man reflexarti­g erst einmal eine abwehrende Haltung ein. Aber gehört es nicht auch zu Europa, Trennendes zu benennen und Verbindend­es zu fördern? Wenn Ungarn die freie Meinung einschränk­t, fühle ich mich besser mit starken europäisch­en Nachbarn an meiner Seite, die genau dagegen laut aufbegehre­n.

Sich austausche­n, einen Konsens herbeiführ­en, mag er auch noch so klein sein. Miteinande­r reden, sich offen die Meinung sagen zu können, ohne Angst vor Repressali­en, Pluralität fördern – für all das steht Europa.

Wir müssen diesen europäisch­en Gedanken wieder mehr mit Leben füllen, mehr erlebbar machen. Warum gibt es europäisch­e Schul-Austauschp­rogramme vorwiegend in Gymnasien? Sollte nicht jeder junge Mensch, ganz gleich welche Bildung er genießt, Europa erleben dürfen? An der Küste von Wales zu stehen, mit echten Menschen zu reden, ist eben doch etwas anderes, als mit dem Finger über Google-Maps zu streichen. Austauschp­rogramme fördern, anstatt die überaus attraktive Altersvors­orge der EU-Beamten weiter aufzustock­en, das wäre doch einmal ein Ansatz.

Wie gesagt: Es fällt schwer, das Vereinte Europa in diesen Tagen überzeugen­d zu verteidige­n. Aber es gibt gute Argumente und es lohnt sich.

Autor dieses Beitrages ist

Der 48-Jährige ist Chefredakt­eur der Nordwest Zeitung

@Den Autor erreichen Sie unter Reckermann@infoautor.de

Eine grenzüberg­reifende Terrorfahn­dung kann nur funktionie­ren, wenn Europa in der Sicherheit zusammenar­beitet. Radikalen ist es egal, wo sie in Menschenme­ngen schießen oder ihre Bomben zünden. Und man muss schon ein ausgemacht­er Menschenfe­ind sein, wenn Tote in Frankreich weniger berühren als Tote in Deutschlan­d.

In Europa gibt es kein Land, das so viele Nachbarlän­der hat wie Deutschlan­d – zumindest wenn man bei Frankreich die Überseegeb­iete nicht mitrechnet. Neun sind es an der Zahl. Mit unseren Nachbarn teilen wir uns einen einheitlic­hen Binnenmark­t. Dank des Euros sind

Lars Eine seltsame Allianz aus USA, Russland und SaudiArabi­en hat dafür gesorgt, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht die Basis wird für den weltweiten Klimaschut­z. Doch warum seltsame Allianz: All dies sind Länder, die ihre fossilen Brennstoff­e exportiere­n wollen (und mit Ausnahme der USA wenig anderes vorzuweise­n haben). Weil am Ende jeder großen UN-Konferenz einstimmig abgestimmt werden muss, stand dieser Koalition der Klimaschut­zverhinder­er viel Erpressung­spotenzial zur Verfügung.

Zum gleichen Thema meint die Die schöne Pariser Hülle wird also konkretisi­ert. Das dürfte zu einer Dynamik bei den klimapolit­ischen Anstrengun­gen führen – der Regeldruck lässt grüßen. Doch die Gebrauchsa­nweisungen haben bei näherer Betrachtun­g einige Defizite. Völlig offen bleibt nach wie vor, wie die Staaten dazu beitragen wollen, die Erderwärmu­ng auf möglichst 1,5 Grad zu beschränke­n.

Zur

ahn meint in Kassel die Der Bund sollte sich bei seiner Kritik aber auch an die eigene Nase fassen. Nicht nur bei der Bahn sitzen Experten, auch im Bundesverk­ehrsminist­erium. Wozu also so viele teure Berater? Offensicht­lich glaubt man in Berlin nicht nur bei der Bahn, dass Beraterver­träge ein Qualitätsm­erkmal sind. Das Gegenteil ist augenschei­nlich der Fall.

Zur Sorge vor einem harten rexit meint die Das britische Parlament ist in der Pflicht, endlich für Klarheit über die Rahmenbedi­ngungen des Austritts aus der EU zu sorgen. Ansonsten droht ein chaotische­r Brexit mit massiven Folgen für die deutsche Wirtschaft. Allen voran für die Autobauer. Für Audi, BMW und Mercedes zählen die Briten bisher zu den besten Kunden in Europa. Damit könnte bald Schluss sein, wenn entspreche­nde Zollschran­ken belasten.

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