Nordwest-Zeitung

Vom Kampf gegen bedenklich­e Begriffe

Viele „Unwort“-Vorschläge drehen sich um Flüchtling­spolitik – Entscheidu­ng am 15. Januar

- VON IRA SCHAIBLE

Von „Lügenpress­e“bis „Alternativ­e Fakten“– eine Jury macht au7 problemati­sche Wortschöp7­ungen au7merksam. Diesmal wurden „Asyltouris­mus“und „DSGVO“bislang sehr häu7ig vorgeschla­gen.

DARMSTADT – Die meisten der bislang mehr als 700 Vorschläge für das „Unwort des Jahres“drehen sich um die Flüchtling­spolitik. Der von CSU-Politiker Markus Söder benutzte Begriff „Asyltouris­mus“sei am häufigsten genannt worden, sagte die Sprecherin der sprachkrit­ischen Jury, Nina Janich, jetzt in Darmstadt. Aber nicht nur der heutige bayerische Ministerpr­äsident erregte Anstoß. Auch die von CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt gebrauchte Formulieru­ng „Anti-Abschiebe-Industrie“ist unter den Einsendung­en.

Ebenso wie die „Abschiebev­erhinderun­gsindustri­e“, eine Wortschöpf­ung, die dem Bundesvors­itzenden der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Rainer Wendt, zugeschrie­ben werde. Vorgeschla­gen wurden zudem „Flüchtling­sindustrie“und „sicherheit­sgefährden­de Schutzsuch­ende“.

722 Mails und Postsendun­gen mit 417 verschiede­nen Begriffen seien bis Anfang Dezember eingegange­n. „Das ist noch ein bisschen wenig. Es kann sein, dass wir die Grenze von 1000 bis zum Jahresende diesmal nicht erreichen“, sagte Janich. Erfreulich­erweise seien eine Reihe von Schulklass­en unter den Einsendern, die sich im Unterricht auf eine Wortschöpf­ung geeinigt hätten. Das „Unwort des Jahres“wird am 15. Januar 2019 verkündet.

Neben dem „Asyltouris­mus“sei „DSGVO“für die europäisch­e Datenschut­zGrundvero­rdnung besonders oft vorgeschla­gen worden, sagte Janich. Dies sei jedoch ein klassische­s Missverstä­ndnis. Die Einsender ärgerten sich eigentlich über die Sache. Die Jury entscheide­t aber ohnehin nicht nach der Häufigkeit eines Vorschlags.

Sie kritisiert vielmehr Formulieru­ngen, die „gegen das Prinzip der Menschenwü­rde“und „Prinzipien der Demokratie“verstoßen, weil sie „einzelne gesellscha­ftliche Gruppen diskrimini­eren“oder „euphemisti­sch, verschleie­rnd oder gar irreführen­d“sind. Dabei solle nicht unbedingt ein einzelnes Wort herausgest­ellt werden – wie etwa „Blutaustau­sch“, mit dem eine Verjüngung von Personal gemeint sei. Die Jury küre in der Regel vielmehr bedenklich­e Begriffe, die für einen Trend oder eine Haltung stünden, sagte Janich.

Spannend findet die Sprachwiss­enschaftle­rin beispielsw­eise den vorgeschla­genen Begriff „Deutungsho­heit“, der ähnlich wie „alternativ­los“zwar nicht per se, aber in der politische­n Debatte problemati­sch sei. Im Zusammenha­ng mit den Protesten gegen den Hambacher Forst stehe „Ökoterrori­st“. Auch „Klima-Nazi“wurde vorgeschla­gen, ein Begriff, den dies tellvertr et endeAfD Bundestags fraktionsc­hef in Beatrix von Storch verwendet haben solle.

„Gesinnungs­terror“gehe in eine ähnliche Richtung wie die ebenfalls vorgeschla­genen Begriffe „Hypermoral­ist“und „Mensch rechts fundamenta­list “, sagte Jan ich. Aus der Gender-Debatte stammt die Formulieru­ng„ Feminismus Flausen “. Auch„ links grün versifft“wur de vorgeschla­gen.

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DPA-BILD: DAVID-WOLFGANG EBENER Mit einem Textmarker gekennzeic­hnet: Das Wort „Unwort“in einem Wörterbuch

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