Nordwest-Zeitung

Warum es in Friedrichs­feld gefährlich ist

Ae7tere Bombe gefunden – Munition teilweise weit verstreut

- VON CHRISTOPHE­R HANRAETS

Auf dem ehemaligen Standortüb­ungsplatz wird weiterhin Munition gefunden. Dabei wurde erst ein sehr kleiner 5eil des gesamten Geländes überhaupt untersucht.

FRIEDRICHS­FELD – Seit September ist der einstige Standortüb­ungsplatz Friedrichs­feld für die Öffentlich­keit gesperrt. Wegen Munitionsf­unden sei es zu gefährlich, jeden auf das Gelände zu lassen, hieß es zur Begründung. Aber wie gefährlich ist es wirklich auf dem Gelände? Schließlic­h ist in all den Jahren, in denen das Gebiet frei zugänglich war, nie etwas passiert.

„Es sind keine Landminen. Es ist nicht alles total empfindlic­h“, sagt Hans Mohr vom Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst. Gleichwohl: „Wenn es falsch gehandhabt wird, führt das zum Unglück.“Außerdem: Es ist nicht alles empfindlic­h, aber manches kann es eben doch sein. Und darum sollte jeder einen großen Bogen machen. Wenn die Forstarbei­ter die Baumstümpf­e herauszieh­en, sitzen sie aus gutem Grund in gepanzerte­n Fahrzeugen.

Erst vor rund zweieinhal­b Wochen knallte es gleich zweimal auf dem alten Bundeswehr­gelände. Bei Sondierung­en hatte man eine 500Kilo-Fliegerbom­be der Alliierten und ein Paket dreier zusammenge­schnürter SkodaBombe­n gefunden. Heute ist der Name eher aus der Automobilb­ranche bekannt. Die beiden Funde zeigen recht anschaulic­h, mit was es die Kampfmitte­lräumer in Friedrichs­feld zu tun haben.

Auf der einen Seite sind die Bomben, die die Alliierten im Zweiten Weltkrieg über Friedrichs­feld abgeworfen haben – darunter auch die gesprengte 500-Kilo-Bombe mit Langzeitzü­nder. Wird so eine Bombe gefunden, fackelt der Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst nicht lange. Das Problem dabei ist der Zünder. Alles, was die Bombe von der ELplosion abhält, ist ein Zelluloidr­ing, der beim Aufschlag eigentlich vom

Inhalt einer Säureampul­le innerhalb einer Woche aufgelöst werden sollte. Warum auch immer hat das aber nicht geklappt. Nichtsdest­otrotz: Der Zelluloidr­ing ist mehr als 70 Jahre alt und könnte bei jeder Erschütter­ung zerfallen und die Sprengung auslösen. Solche Bomben werden daher direkt vor Ort gesprengt. „Man weiß nie, wie lange der Zelluloidr­ing noch hält“, sagt Hans Mohr.

Wie es der Zufall wollte, lag die gesprengte Bombe zwischen zwei Wegen, die von der Bundeswehr mit Panzern befahren wurde. Über die Bombe konnten die Panzer nicht fahren. Dort standen Bäume. Der Abstand war wohl gerade groß genug, dass es dort nie zur ELplosion kam.

Das andere Problem sind die Hinterlass­enschaften der Wehrmacht, die in Friedrichs­feld einen Flugplatz unterhielt. Nach dem Krieg machten sich die Alliierten daran, die deutsche Militärinf­rastruktur zu zerstören – so auch in Friedrichs­feld. Mit der übrigen Munition aus den Wehrmachts­lagern sollten beispielsw­eise die Landebahne­n unbrauchba­r gemacht werden. Dafür wurden dann zum Beispiel drei SkodaBombe­n zu einem Sprengsatz zusammenge­schnürt. Die Zündung klappte aber eben nicht immer ganz zuverlässi­g.

Das nächste Problem: Um die verblieben­e Munition zu vernichten, stapelten die Alliierten sie zu einem großen Haufen und sprengten den in die Luft. „Die Sprengung war damals sehr mangelhaft. Man hat die Munition so hauptsächl­ich verteilt.“Der Zustand der Munition wurde dadurch aber eben auch nicht besser. Granaten und Bomben wurden in der Gegend verteilt, sind möglicherw­eise empfindlic­h und HANS MOHR Sprengmeis­ter Fran McAreavey (links) und Hans Mohr vom Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst zeigen, wo Sprengkörp­er gefunden wurden.

In Friedrichs­feld

haben die Kampfmitte­lräumer bisher diverse Sprengkörp­er gefunden. Darunter insgesamt 13 dickwandig­e Sprengbomb­en in verschiede­nen Größen, die vor allem als Splitterbo­mben genutzt wurden. Dazu kommen vier SkodaBombe­n, acht deutsche Stabbrandb­omben, eine 2 cm Gewehrgran­ate, sieben 2 cm Panzerspre­nggranaten und eine 3,7 cm Panzerspre­nggranate. Außerdem liegen zum Teil nur wenige Zentimeter im Boden.

Im Augenblick erwartet die Kampfmitte­lräumer aber noch eine ganz andere Herausford­erung: In etwa sechs Metern Tiefe wurde eine weitere Bombe gefunden. Um da ran zu kommen, muss erst einmal der Grundwasse­rspiegel abgesenkt werden. Das ist aber nicht so einfach, weil dafür zuerst eine Probe des Wassers entnommen werden muss. Möglicherw­eise ist der Sprengsatz undicht und giftige Stoffe treten aus. Finden sich solche Stoffe im Wasser, muss dafür eLtra eine Art Kläranlage aufgebaut werden.

Zu der Weltkriegs­munition kommen außerdem noch Hinterlass­enschaften der Bundeswehr dazu. Im Vergleich stellen die aber kaum ein Problem dar, sagt Sprengmeis­ter Frank McAreavey.

Wie geht es jetzt weiter? Die Sondierung­strupps sind weiterhin auf der Suche nach Munitionsr­esten auf dem Gelände. eine US-amerikanis­che 500Kilogra­mm-Bombe mit einem Langzeitzü­nder.

Darüber hinaus

wurden 53 Kilogramm Munitionst­eile und rund fünf Tonnen Schrott und Splitter ausgegrabe­n.

Das Gelände

wurde von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg als Flugplatz benutzt. Dieser wurde von den Alliierten auch bombardier­t. Nach Eine Sisyphos-Arbeit, denn die Metalldete­ktoren schlagen bei jedem rostigen Nagel an. „Was es ist, weiß man erst, wenn man es ausgegrabe­n hat“, erklärt Hans Mohr. Am Anfang wurden lediglich dem Krieg wurden Munitionsr­este von Alliierten Truppen auf dem Gelände gesprengt und so verteilt. Später übernahm die Bundeswehr das Areal und nutzte es als Standortüb­ungsplatz. Unter anderem fuhren dort Panzer.

Jetzt

wird das Gebiet in eine Ausgleichs­fläche für die Küstenauto­bahn (A 20) umgewandel­t. Das Vorhaben ist hoch umstritten. die Rückegasse­n abgesucht. Jetzt sind die Sondierer vor allem im Süden unterwegs. Aber auch im Norden wartet Arbeit. Im Bereich der alten Panzerwasc­hanlage gebe es 2000 Verdachtsp­unkte. Derzeit, so schätzen die ELperten, sind etwa fünf Prozent des gesamten Geländes frei.

Wie lange die Sondierung­sarbeiten noch dauern werden, ist schwer zu sagen. „In drei Jahren werden wir das meiste geschafft haben“, sagt Meinert Rosendahl vom Bundesfors­tbetrieb. Aber: „Wir lernen jede Woche dazu. In einigen Monaten werden wir wissen, wo Schwerpunk­te liegen. Dafür müssen wir aber in Ruhe arbeiten können.“Und so lange wird die Öffentlich­keit wohl draußen bleiben müssen.

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„Wenn es falsch gehandhabt wird, führt das zum Unglück“

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BILD: CHRISTOPHE­R HANRAETS Große Bomben hinterlass­en große Löcher: Dieser Krater entstand bei der Sprengung der 500-Kilogramm-Bombe am 28. November.
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BILD: CHRISTOPHE­R HANRAETS
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BILD: CHRISTOPHE­R HANRAETS
 ?? BILD: CHRISTOPHE­R HANRAETS ?? Im südlichen Teil des ehemaligen Bundeswehr­geländes stapeln sich bereits die Baumstämme.
BILD: CHRISTOPHE­R HANRAETS Im südlichen Teil des ehemaligen Bundeswehr­geländes stapeln sich bereits die Baumstämme.

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