Nordwest-Zeitung

Kein Kindergart­enwechsel nach Eingewöhnu­ng

Anmeldunge­n in Bildungsei­nrichtunge­n von sorgerecht­licher Bedeutung

- VON HENNING GRALLE @ www.fachanwalt-gralle.de

Der Wechsel in die Kinderkrip­pe oder in den Kindergart­en stellt für Kinder und Eltern eine neue Situation dar. Häufig findet erstmals über längere Zeiträume eine Betreuung des Kindes ohne Eltern durch Dritte statt. Ob und zu welchem Kindergart­en das Kind geht, müssen die Eltern einvernehm­lich und gemeinsam entscheide­n und die entspreche­nden Erklärunge­n gegenüber den Betreuungs­einrichtun­gen abgeben.

Wenn sich die Eltern nicht einigen, muss notfalls das Familienge­richt entscheide­n. Im Großraum Siegen wollte die Mutter die viereinhal­b jährige Tochter in einem Waldorf-Kindergart­en anmelden. Der Kindesvate­r war strikt dagegen und hat einen anderen Kindergart­en mit Montessori­Ausrichtun­g für das Kind reserviere­n lassen. Seit Sommer 2017 besuchte das Kind bereits den Waldorf-Kindergart­en, in der Regel von 7 Uhr morgens bis zum Nachmittag.

Das Oberlandes­gericht Hamm (OLG) hat in einer Entscheidu­ng vom Mai 2018 (Aktenzeich­en 4 UF 154/17) festgehalt­en, dass die Anmeldung im Kindergart­en keine Angelegenh­eit des täglichen Lebens sei, sondern sorgerecht­liche Bedeutung habe. Es hat die Entscheidu­ngsbefugni­s für die Anmeldung im Waldorf-Kindergart­en der Kindesmutt­er übertragen, weil sich das Kind von Sommer 2017-2018 dort gut eingelebt habe und dem Kind Stabilität vermittelt werden müsse und gerade kein Wechsel des Kindergart­ens zugemutet werden könne. Die Kindesmutt­er betreue das Kind überwiegen­d und sei diejenige, die von den organisato­rischen und praktische­n Folgen der Kindergart­enwahl überwiegen­d betroffen sei. Das Kind selbst, fünf Jahre alt, erklärte nur, es gefalle ihm im Kindergart­en gut. An einem weiteren Gespräch mit dem Gericht war das Kind, so das OLG, nicht interessie­rt. Im Übrigen sei ein Kind in diesem Alter kaum in der Lage, die Konsequenz­en einer Kindergart­enwahl zu bedenken. Im Ergebnis sei aufgrund des Zeitablauf­s und der Eingewöhnu­ng der fünfjährig­en Tochter im aktuell besuchten Waldorfkin­dergarten ein Wechsel in einen anderen Kindergart­en, den der Vater bevorzuge, nicht im Interesse des Kindeswohl­s. Bis zur Einschulun­g des Kindes, voraussich­tlich im August 2020, sei es daher hinzunehme­n, dass die Tochter weiterhin den Waldorf-Kindergart­en besuche. Um dies zu gewährleis­ten, wurde der Kindesmutt­er die Entscheidu­ngsbefugni­s für die abschließe­nde Anmeldung in der Betreuungs­einrichtun­g übertragen. Im Ergebnis bleibt es dabei, dass nicht nur bei der Anmeldung zur Grundschul­e bzw. zur weiterführ­enden Schulen die Eltern, egal ob verheirate­t oder nicht, gemeinsam entscheide­n müssen, sondern bereits bei der Anmeldung zur Krippe und zum Kindergart­en. Denn die Entscheidu­ng, das eigene Kind für längere Zeiträume durch Dritte betreuen zu lassen, ist nicht eine Maßnahme des täglichen Lebens, die jeder Elternteil ohne den andern treffen kann.

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BILD: JOHANNES BICHMANN Henning GralleRech­tsanwalt und Fachanwalt für Familienre­cht

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