Ein Präsident steht im Regen
Wie es mit Trump weitergeht – Kein Urteil gegen früheren Sicherheitsberater
In diesen Tagen wird klar: Trump steht vor vielen Problemen. Der politische Gegner spricht schon von Amtsenthebung – zunächst nur eine Drohgebärde.
WASHINGTON – Melania Trump hat das Weiße Haus vor Weihnachten festlich geschmückt. Sollte die Dekorationskunst der First Lady es geschafft haben, eine friedliche Stimmungslage zu vermitteln, so täuscht diese: Vor Tannenzweigen und Christbaumkugeln kämpft ihr Ehemann derzeit das, was viele in Washington als „die Schlacht seines Politikerlebens“nennen.
Richter und Staatsanwälte beschäftigen sich mit Regierungshandeln, enge Vertraute des Präsidenten werden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Donald Trump steht so nah mit dem Rücken zur Wand wie wohl nie in den fast zwei Jahren seiner Präsidentschaft. Am Dienstag bekam sein früherer Nationaler Sicherheitsberater noch drei Monate mehr Zeit, sein profundes Wissen über Trump, Russland und manch anderes mit den Ermittlern zu teilen.
Flynn hatte noch bis Montag fest mit einer Verurteilung ohne Haft gerechnet. Nur warf Richter Emmet Sullivan plötzlich die Frage auf, ob nicht Verrat als Straftatbestand gegen den RuhestandsGeneral in Betracht komme. Jedenfalls könne Flynn nicht mehr, wie von StaatsanwaltCohen schaft und Verteidigung eigentlich empfohlen, die Befreiung von der Haft garantiert werden.
Die Lesart des juristischen Winkelzugs kann folgende sein: Ein Mann, der dem innersten Sicherheitszirkel Trumps angehört hatte, muss jetzt alles, wirklich alles, was er weiß, vor den Ermittlern auspacken – sonst droht ihm der Gang hinter Gitter. Trumps politischer Gegner jubelt ob solcher Verwerfungen. Rufe nach einer Amtsenthebung werden lauter, von Inhaftierung des Präsidenten nach Verlassen des Oval Office ist die Rede.
Sein Weißes Haus ist noch mehr in Unordnung geraten, als es das ohnehin schon von Beginn seiner Präsidentschaft an war. Trump tut sich sogar schwer, einen Stabschef zu finden, als Ersatz für den ab Jahresende befreiten John Kelly. Dass Trump den Abschied Kellys bekanntgab, ohne einen Nachfolger sicher zu haben, und sein Favorit Nick Ayers ihn dann brüsk sitzen ließ: ein wichtiges Indiz dafür, wie sich die Zustände im Hause derzeit präsentieren.
Den Boden bereiten im Hintergrund juristische Auseinandersetzungen, gegen die Trump kein Gegenmittel zu haben scheint. Im Verfahren gegen seinen früheren Anwalt wurde ihm selbst implizit vorgeworfen, mögliche Straftaten begangen zu haben mit der Anordnung von Schweigegeldzahlungen an eine mutmaßliche frühere Gespielin. Es gebe kaum eine Organisation, die jemals von Trump geleitet wurde, gegen die nicht ermittelt werde, schrieb die „Washington Post“jüngst. Am Dienstag stimmte Trump zu, seine Stiftung zu schließen. Und ebenso in den Russland-Ermittlungen wird der Morast für Trump tiefer. Die Gefahr, in dem Sumpf steckenzubleiben, ist groß. Spekuliert wird darüber, ob Cohen nach seinem Haftantritt am 6. März eingedenk der dann für ihn eintretenden Realität möglicherweise noch mehr einfallen könnte, was er den Ermittlern mitzuteilen hat.
Dass es zu einem Amtsenthebungsverfahren kommen kann, damit beschäftigt sich nach Medienberichten der Präsident inzwischen auch selbst. Doch bei den Demokraten herrscht erst einmal große Zurückhaltung – nicht nur deswegen, weil die wohl notwendige Unterstützung aus Trumps eigener republikanischer Partei nicht erkennbar ist. Bei den Demokraten besteht die Hoffnung, dass Muellers Team mit jedem Tag der Ermittlungsarbeit noch mehr Belastbares hervorbringt. Solange dies der Fall ist, wäre ein Schritt in ein formelles Verfahren geradezu töricht. Zu groß ist die Angst, dass die Wählerschaft sich mit Trump solidarisiert, weil man dessen Vergehen als entschuldbar ansieht.