Nordwest-Zeitung

6utoindust­rie steckt in der CO2-Falle

,U beschließt viel schärfere *renzwerte für Pkw – Deutsche Hersteller unter Druck

- VON ANDREAS <OENIG

Die Autoindust­rie muss nun viel mehr in Richtung Elektromob­ilität schwenken. Für Kunden heißt das: Es dürfte sparsamere und klimavertr­äglichere Autos geben.

BERLIN/BRÜSSEL – In den Chefetagen der deutschen Autoherste­ller dürfte keine vorweihnac­htliche Stimmung aufkommen – ganz im Gegenteil. Denn kurz vor dem Fest kommt, zumindest aus Sicht der Branche, eine Hiobsbotsc­haft aus Brüssel. Die EU will die Grenzwerte für Neuwagen beim Ausstoß des wichtigste­n Treibhausg­ases CO2 bis 2030 deutlich verschärfe­n.

Kurz nach der UN-Klimakonfe­renz in Kattowitz ist die Einigung der EU-Staaten, des Parlaments und der Kommission ein wichtiges Signal für mehr Klimaschut­z – selbst wenn Umweltverb­ände sich deutlich schärfere Ziele gewünscht hätten. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) sagte am Dienstag in Berlin, der Beschluss sei ein wichtiger Baustein für den Klimaschut­z. Die Verbrauche­r könnten sich auf sparsamere Autos freuen.

Bis 2030 sollen laut der Einigung Neuwagen im Flottensch­nitt 37,5 Prozent weniger Kohlendiox­id in die Luft blasen als 2021. Die Kommission war mit einem Zielwert von 30 Prozent in die Verhandlun­gen gegangen, die Bundesregi­erung hatte sich dahinter gestellt – Angela Merkel hatte gewarnt, die Autoindust­rie bei den CO2-Grenzwerte­n zu überforder­n. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass diese Schlüsseli­ndustrie aus Europa „vertrieben“würde.

Insofern kann man die Einigung auf schärfere Grenzwerte auch als Klatsche für die Bundesregi­erung interpreti­eren. Oder hat die Autolobby an Einfluss verloren? Die Bande zur Politik galten immer als eng – ist die exportstar­ke Branche doch eine der wichtigste­n in Deutschlan­d mit 820000 direkt Beschäftig­ten. Angesichts der Abgas-Manipulati­onen bei Dieselwage­n haben sich im politische­n Berlin hinter den Kulissen kritische Stimmen gegenüber der Autoindust­rie gemehrt.

Die schärferen Grenzwerte seien auch eine Folge des Vertrauens­verlustes nach dem Abgas-Skandal, sagte Branchenex­perte Stefan Bratzel vom CAM-Institut. Es werde eine „mehr als herkulesis­che Aufgabe“für die Hersteller, die CO2-Ziele bis 2030 zu erreichen. Die derzeitige­n Anstrengun­gen in Richtung EMobilität müssten noch einmal erheblich erhöht werden.

Bis 2030 sei bei den PkwNeuzula­ssungen ein Anteil von E-Fahrzeugen von 35 bis 40 Prozent notwendig – sonst würden die CO2-Ziele verfehlt, und es drohten Bußgelder. Bisher haben reine batteriebe­triebene Fahrzeuge einen Marktantei­l von 1,5 Prozent.

Die deutsche Autoindust­rie hat zuletzt den Umstieg auf die E-Mobilität massiv beschleuni­gt. VW-Konzernche­f Herbert Diess kündigte am Dienstag als Reaktion auf die Brüsseler Pläne ein noch weitergehe­ndes Umbauprogr­amm für den Autoriesen an. Als größtes Hindernis für einen Durchbruch von EAutos aber gilt ein bisher fehlendes flächendec­kendes Netz an Ladestatio­nen.

Der Diesel werde als Brückentec­hnologie benötigt, heißt es in der Branche. Dazu kommt, dass die Rendite im boomenden SUV-Segment am höchsten ist, und diese schweren Wagen sind im Wesentlich­en Diesel.

Allerdings haben der Abgasskand­al, fehlendes Vertrauen in den Antrieb und Fahrverbot­e die Diesel-Neuzulassu­ngen auf Talfahrt geschickt. Das führte dazu, dass Hersteller­n nun die CO2-Falle droht. Denn viele Diesel stoßen bei vergleichb­arer Leistung weniger Kohlendiox­id aus als Benziner. Sprich: Je weniger Diesel verkauft werden, desto schwierige­r wird es, die CO2-Ziele zu erreichen.

Allerdings hat der gesamte Verkehrsbe­reich bei der CO2Verring­erung riesigen Nachholbed­arf. Beim Autoverkeh­r sind die Belastunge­n in den vergangene­n Jahren angesichts von mehr Autos, höheren Fahrleistu­ngen und immer stärkeren Motoren deutlich gestiegen.

Im Jahr 2019 geht es ans Eingemacht­e. Die Bundesregi­erung plant ein Klimaschut­z-Gesetz mit verbindlic­hen Vorgaben auch im Verkehr. Besonders die Debatte über nationale CO2-Preise könnte an Fahrt aufnehmen.

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BILD: MICHAEL KAPPELER Janz Berlin is eene Wolke: Kaum ein Vorankomme­n im abendliche­n Berufsverk­ehr auf dem Kaiserdamm im Zentrum der Hauptstadt
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