Nordwest-Zeitung

„Mit gutem Beispiel vorangehen“

Waldschulr­ektorin Silke Müller ermutigt Schüler zu mehr Toleranz und Respekt

- VON WERNER FADEMRECHT

Keinen blauen Brief, sondern einen offenen Brief hat die Rektorin der Waldschule in über 700-facher Ausfertigu­ng an alle Schüler verschickt. Der Anlass dafür seien grundsätzl­iche gesellscha­ftliche Entwicklun­gen, sagt Silke Müller.

FRAGE: An alle Schüler und deren Eltern einen Brief zu verschicke­n, in dem zu Respekt und Toleranz aufgerufen wird...

Da stellt sich automatisc­h die Frage, ob es dafür an der Schule einen besonderen Anlass gegeben hat?

MÜLLER: Nein. Es ist ein genereller gesellscha­ftlicher Trend, den ich in den zurücklieg­enden Jahren wahrzunehm­en glaube. Wir entfremden uns. Anerkennun­g, Respekt und Toleranz gegenüber anderen werden immer seltener. FRAGE: Ist das nicht eigentlich ein Widerspruc­h? Die Schüler, aber natürlich auch die Erwachsene­n, haben heute viel mehr technische Möglichkei­ten, um mit anderen zu kommunizie­ren.

MÜLLER: Ja. Das ist schon paradox. Mein Eindruck ist, dass immer weniger miteinande­r geredet wird, sondern übereinand­er oder aneinander vorbei. Häufig kommt es nicht zum Austausch von Argumenten, mit dem Ziel zu überzeugen, sondern alles gerät immer mehr zur Selbstdars­tellung.

FRAGE: Der Brief richtet sich ja durchaus auch an die Eltern der Waldschüle­r. Was können wir Erwachsene denn tun? MÜLLER: Letztendli­ch müssen wir als ältere Generation mit gutem Beispiel vorangehen. Und wir können und sollten natürlich die Kids beim Aufwachsen in unserer multimedia­len Zeit an die Hand nehmen und begleiten.

FRAGE: Die Waldschule ist beim Thema Digitales Lernen ganz vorne dabei. Tablets und Handys sind im Unterricht erlaubt. Wie kann denn Schule zu einer besseren Kommunikat­ionskultur beitragen? MÜLLER: Wir wollen den Mädchen und Jungen zeigen, welche positiven Möglichkei­ten es gibt, mit Instagram, Facebook und anderen sozialen Plattforme­n umzugehen. Ein wichtiger Baustein dafür ist zum Beispiel die Youtuberin Emily, die in diesem Schuljahr schon mehrmals bei uns zu Gast gewesen ist, ab nächstem Jahr Schülerrep­orter ausbildet und den Schulallta­g mit ihren Instagram-Storys begleitet.

FRAGE: Kurz vor Weihnachte­n noch ein guter Tipp an die Schüler?

MÜLLER: Vielleicht einfach einmal in einer ruhigen Minute hinsetzen und einen Brief an sich selbst schreiben. Was erwarte ich von mir? Was verspreche ich mir? Es kann nicht schaden, ehrlich und mutig zu sein und auch etwas von sich selbst zu erwarten. Wer weiß? Möglicherw­eise holt man in einem Jahr den Brief aus der Schublade, schaut sich die Zeilen noch mal an und hat guten Grund, dann stolz zu sein – auf, das man für sich und andere Gutes getan hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany