Nordwest-Zeitung

RÜCKKEHR VON ASTRO-ALEX MINUTENGEN­AU DURCHGETAK­TET

4ie die Mission zu Ende geht und was der deutsche Rekord-Raumfahrer als nächstes plant

- VON WOLFGANG JUNG

Abschied mit Salut: Kurz vor seiner Rückkehr auf die Erde hat der deutsche ISS-Kommandant Alexander Gerst die Führung der Internatio­nalen Raumstatio­n an seinen russischen Kollegen Oleg Kononenko übergeben. Nach rund einem halben Jahr im All sollten „AstroAlex“und zwei seiner Kollegen an diesem Donnerstag um 6.04 Uhr mit einer Sojus-Kapsel in der kasachisch­en Steppe landen.

Alexander Gerst war der erste deutsche Kommandant auf der Internatio­nalen Raumstatio­n. Er wird die außerirdis­che 4ohngemein­schaft wohl nie wieder betreten.

BAIKONUR – Dir eeutschlan­ds Mann im All könnte es ein Abschied für immer sein von der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS. Wenn Astronaut Alexander Gerst an diesem Donnerstag nach fast 200 Tagen auf der ISS in der winterlich­en Steppe Kasachstan­s landet, ist eine Rückkehr zum Außenposte­n der Menschheit ungewiss. Es gilt zwar als höchst wahrschein­lich, dass der 42Jährige noch einmal in den Kosmos fliegen wird. Aber zum dritten Mal zur ISS? Wohl nicht.

In deutschen Raumfahrtk­reisen denkt man an – und hofft auf – eine andere ehrgeizige Mission: Die USA wollen 2023 erstmals seit Jahrzehnte­n wieder den Mond umrunden – mit einem bemannten Orion-Raumschiff, das derzeit in Zusammenar­beit mit Europa entsteht. Was liegt da näher, als auf eine solche Forschungs­reise mit wohl vier Astronaute­n einen Europäer mitzunehme­n? „Das ist gut denkbar, aber eine solche Mission hat auch politische Aspekte“, heißt es dazu derzeit diplomatis­ch.

Eine Reise von Gerst um den Mond wäre auch eine Erinnerung daran, warum der Mann aus Künzelsau (Baden- Württember­g) Astronaut der Europäisch­en Weltraumor­ganisation (Esa) wurde. Sein Großvater richtete einst als Amateurfun­ker eine Antenne ins All und ließ seinen Enkel ins Mikrofon sprechen. Die Radiowelle­n seien zum Mond gereist und als Echo zurückgeko­mmen, erzählte Gerst einmal. „Damit war für mich Sechsjähri­gen ein Teil von mir auf dem Mond.“

Zählt man seine beiden bisherigen Missionen auf der Raumstatio­n zusammen, war kein Deutscher so lange im All wie Gerst: fast ein Jahr. Wie wird es also weitergehe­n mit dem Rekord-Raumfahrer, der die ISS zuletzt sogar als Kommandant leitete? „Er ist weiter Mitglied des Esa-Astronaute­nCorps – insofern ist auch die Möglichkei­t eines weiteren Flugs gegeben“, sagt Europas Raumfahrtc­hef Jan Wörner.

Aus seiner Faszinatio­n für die ISS hat der Geophysike­r mit dem kahlgescho­renen Kopf nie einen Hehl gemacht. Mit rund 28 000 Stundenkil­ometern rast das fliegende Labor in etwa 90 Minuten einmal um den Erdball. Raumfahrer schwärmen vom Blick aus rund 400 Kilometern Höhe auf unseren Planeten. Nachts funkeln Megastädte, tags glitzern Ozeane.

Abgesehen von dieser Aussicht ist der Koloss im Kosmos aber alles andere als ein Luft- schloss, allein schon des Dauerlärms von Lüftung und allerlei Geräten wegen. Bei schlechter Luft und bescheiden­em Essen lebt die außerirdis­che Wohngemein­schaft fast ohne Privatsphä­re zwischen Computern und Kabeln.

Die Rückkehr zur Erde gilt als technisch anspruchsv­oll. Massive Kräfte werden Gerst und seine beiden Mit-Rückkehrer Serena Auñón-Chancellor (USA) und Sergej Prokopjew (Russland) in die Sitze pressen. „Ich kann kaum atmen, weil meine Zunge so stark an den Gaumen gedrückt wird“, beschrieb Gerst 2014 seinen Rückflug von seiner ersten ISS-Mission.

Auf der Erde werden Ärzte untersuche­n, wie sich die mehr als 3000 Erdumrundu­ngen auf seinen Körper ausgewirkt haben. „Zunächst wird uns die Auswertung der Mission ein gutes Jahr beschäftig­en“, sagt Missionsle­iter Volker Schmid vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Einige Fragen bleiben nach der Mission. Noch immer ist ungeklärt, wie ein Loch in die Wand einer Raumkapsel geraten konnte. Und nach dem Fehlstart einer Sojus-Rakete Mitte Oktober musste Gerst lange auf Verstärkun­g warten, Experiment­e mussten verschoben werden. Trotzdem zieht Schmid eine positive Bilanz: „Die Wissenscha­ftler sind sehr zufrieden.“

Was auf der Strecke blieb: Die beiden Außeneinsä­tze von Gerst fielen aus. Zudem konnten technische Probleme beim Roboter „Cimon“und beim Tierbeobac­htungsproj­ekt „Icarus“nicht gelöst werden. „Wenn eine Panne passiert, muss man Kompromiss­e machen“, sagt Schmid. „Wir haben aber gute Resultate eingefahre­n. Das andere können wir nachholen.“

Unabhängig davon, ob Gerst noch einmal zur ISS reist oder nicht, wird der Forschungs­komplex wohl nicht ohne deutsches Besatzungs­mitglied bleiben. Europas Raumfahrtb­ehörde Esa arbeitet derzeit an einem Einsatz in der Schwerelos­igkeit für Deutschlan­ds nächsten Astronaute­n Matthias Maurer. Der 48-jährige Saarländer könnte 2020/21 zur Raumstatio­n fliegen. Er wäre der zwölfte Deutsche im All. Das war einmal: Helene Fischer und Florian Silbereise­n Zieht nach Afrika: Charles M. Huber

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BILD: ALEXANDER GERST/ESA/NASA
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DPA-BILD: GERST Für ihn geht’s raus aus der ISS und runter zur Erde: Der deutsche ISS-Kommandant Alexander Gerst beendet seine Mission.
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Abtrennen der Landekapse­l mit den Raumfahrer­n Eintritt
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der Landekapse­l in die Atmosphäre
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 ??  ?? Abkoppeln der Sojus-Kapsel von der ISS
Abkoppeln der Sojus-Kapsel von der ISS
 ??  ?? Abbremsen durch Landemotor­en
Abbremsen durch Landemotor­en
 ??  ?? Abbremsen der Sojus-Kapsel
Abbremsen der Sojus-Kapsel
 ??  ?? Öffnung des Fallschirm­s
Öffnung des Fallschirm­s

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