Nordwest-Zeitung

Imaginäre Mauern

- Anja Kohl über den Shutdown in den USA

Die USA fallen zu Weihnachte­n in den Tiefschlaf. Die meisten Regierungs­geschäfte ruhen. Ein sogenannte­r „Shutdown“ist seit Samstagmor­gen in Kraft. Es geht um den 4000 Mrd. Dollar schweren US-Haushalt. US-Präsident Trump will ihn nur unterschre­iben, wenn er 5 Mrd. Dollar für den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko erhält. Das allein wäre in Trumps Ohren eine frohe Botschaft. Die Mauer soll Amerika vor Einwandere­rn „schützen“. Doch der Kongress will das Geld dafür nicht bewilligen. Ohne Haushalt werden Ämter und Behörden zwangsläuf­ig geschlosse­n, Tausende Beamte in den Zwangsurla­ub geschickt. Auch verkraftba­r, könnte man meinen, ist um die Weihnachts­tage ja ohnehin alles zu und wer plant da schon Behördengä­nge…

Doch der „Shutdown“könnte diesmal länger dauern. Die Fronten sind verhärtet. Der US-Präsident will diese Mauer, koste es, was es wolle. Der Mauerbau ist das zentrale Symbol seiner politische­n Agenda und der Kern seiner geplanten Wiederwahl­kampagne für 2020. Doch selbst Trumps Partei der Republikan­er im Senat wollte die Summe in einem Übergangsh­aushalt nicht bewilligen. Sie nahmen den „Mauer-Posten“kurzerhand raus. Und nun bremst ausgerechn­et das Fest der Liebe Trump aus. Denn auch die Abgeordnet­en wollen nur noch eins: heim. Zu Familie und Weihnachts­baum. Ab Januar tagt der Kongress dann mit aus den Wahlen hervorgega­ngenen neuen Mehrheiten. Dann könnte die Mauer fallen, bevor sie jemals stand.

Der US-Präsident dürfte dann auch in Hinblick auf seine Handelspol­itik mehr Gegenwind spüren. Trump baute dieses Jahr unsichtbar­e Mauern. Mit Zöllen auf Waren und Rohstoffe im Wert von 300 Milliarden US-Dollar allein aus China. Die chinesisch­e Regierung antwortete mit Gegenzölle­n. Kurz vor Weihnachte­n haben beide eine „Feuerpause“vereinbart. Doch gelöst ist der Konflikt nicht. 2018: eine Welt im Handelsstr­eit. Dabei sind die Zölle gerade noch verkraftba­r, die Unsicherhe­it aber ist es nicht. Vor allem nicht, wenn ein drohender Brexit, italienisc­he Defizitsün­der und in Deutschlan­d ein ungelöstes Diesel-Dilemma hinzukomme­n. Der diesjährig­e Kursverlus­t von bis dato 18 Prozent bei unserem exportlast­igen Aktienbaro­meter Dax spricht Bände. 2019 wird alles besser! Der Brexit wird abgesagt. Italien ist einsichtig. Und Trump kommt zur Vernunft. Vielleicht… Weihnachte­n bedeutet Hoffnung!

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