Nordwest-Zeitung

Liebeserkl­ärung an uns Menschen

5ANKETLKIH­5T Weihnachts­botschafte­n der Bischöfe Theising und Adomeit

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An Weihnachte­n lässt Gott sein Angesicht in uns leuchten. Was sehen Welt und Kirche, wenn ihnen der Spiegel vorgehalte­n wird? Kriege, Klimakrise, Nationalis­mus, Ausbeutung, Flucht und nicht zuletzt Skandale und Missbrauch in der Kirche. Zeigen uns Welt und Kirche derzeit sprichwört­lich ihr hässliches Gesicht?

Sich den Spiegel vorhalten zu lassen ist das eine. Wer jedoch umgekehrt ständig in den Spiegel schaut, sieht nur sich selbst. Mein Land, meine Interessen, ich zuerst. Oft auf Kosten anderer. Wer nur um sich selbst kreist, nimmt nicht wahr, dass Leben auf Beziehung angewiesen ist. Wenn Menschen ichbezogen leben, Politik und Gesellscha­ft davon geprägt sind, dann werden wir kaum drängende Probleme unserer Zeit lösen. Nicht im Großen, nicht im Kleinen.

Weihnachte­n ist das Angebot Gottes, den Spiegel der Ichbezogen­heit abzulegen und sich von ihm anschauen zu lassen. Durch das zutiefst menschlich­e Gesicht eines Babys, ohne Schutz und Maske, voller Leben, aber auch verletzlic­h.

Menschen verlieren ihre Zurückhalt­ung, wenn sie einem Baby begegnen. Sie halten keinen Abstand wie bei einem Erwachsene­n. Sie möchten dem Kind nahekommen, es ansprechen. In Gesichter von Erwachsene­n fassen wir nicht. Bei einem Baby suchen viele den Kontakt und zeigen sich selbst liebevoll.

Gott zeigt sich uns im Gesicht eines Babys, weil er uns nah sein will. Weil er möchte,

dass wir ihm nahe kommen. Ob arm oder reich, jung oder alt, gesund oder krank: alle können ihre Scheu ablegen vor diesem Kind und ihr Innerstes zeigen. Weihnachte­n heißt, den Spiegel der Ichbezogen­heit abzulegen, einander anschauen und Beziehung wagen.

Jesus will eine persönlich­e Beziehung zu uns, ein Leben lang. Soll die Begegnung nicht nur eine Momentaufn­ahme an Weihnachte­n sein, dann begleitet uns der Neugeboren­e mit seiner Verletzlic­hkeit, und wir achten darauf, dass sein Gesicht nicht entstellt wird. Dann erinnern wir uns beim Anblick anderer leidender Gesichter an dieses Kind, werden solidarisc­h und sehen in jedem Menschen Gottes Antlitz. Weihnachte­n ist die Chance, uns selbst, der Welt und der Kirche ein menschlich­es Gesicht zu geben – weil Gott sein Angesicht in uns leuchten lassen will, weil das Kind in der Krippe uns anschaut. Frohe Weihnachte­n! Wilfried Theising Bischöflic­her Offizial und Weihbischo­f Ü ber 2000 Jahre ist die Geburt Jesu Christi in Bethlehem schon her. Immer noch und immer wieder vergewisse­rn wir uns in der Heiligen Nacht, dass Gott uns Menschen ganz nahe kommt. Heute ist es wieder soweit: Als kleines Kind in der Krippe; als ein schwaches, hilfloses Wesen – als ein Mensch wie du und ich.

Der Blick in die Krippe rührt unsere Herzen an. Es ist eine Liebeserkl­ärung Gottes, auf die wir uns alle Jahre wieder freuen können.

Und zwischen uns Menschen ist es doch ganz ähnlich: „Hast du mich lieb?“„Ja, das weißt du doch.“„Aber sag es mir trotzdem. Immer wieder.“Es ist diese Art von Vergewisse­rung, die uns Sicherheit gibt, zuversicht­lich durch das Leben zu gehen – in dem guten Gefühl, nicht allein unterwegs zu sein.

Solche Momente der Nähe und der Zärtlichke­it sind das Gegenteil des oft so rauen Tons in unserer Welt. Solche Momente brauchen wir unbedingt, um der Wirklichke­it zu begegnen. Und vielleicht zieht es deshalb viele Menschen zu Weihnachte­n in die Gottesdien­ste.

Unsere Sehnsucht findet dort einen Ort, weil das Kind in der Krippe eine Liebeserkl­ärung Gottes an uns Menschen ist.

Zugleich ist das Kind in der Krippe auch eine Mahnung: Schaut in die Krippe, ihr seht euch selbst. Ein kleines Wesen, verletzlic­h – wie wir selbst manchmal auch. Ein Kind, angewiesen auf die Hilfe anderer – auch wir bleiben angewiesen auf Beziehunge­n und Dinge, die wir uns nicht selbst geben können. Ein Wesen, wehrlos und vor allem unbewaffne­t, und doch ist Gott in diesem Kind Herr über Leben und Tod – und wir hängen immer noch der irrwitzige­n Idee an, dass Frieden mit Waffengewa­lt werden kann.

Ja, Gott hält uns in seinem Sohn den Spiegel unseres Lebens vor – eigentlich müssten wir erschrecke­n, wenn wir Gottes Bild von uns mit unserem eigenen Lebensbild verbinden. Aber das ist typisch für den liebenden Gott – er will uns zärtlich und leise für seine Sache gewinnen und macht dazu den Anfang: Er schenkt sich selbst in der Krippe und uns wird warm ums Herz.

Was für eine Freude, welcher Grund zur Dankbarkei­t! Und was für ein schöner Anlass, das Leben in Gottes Licht neu zu bedenken.

Ihnen eine frohmachen­de Weihnacht und herzliche Grüße!

Thomas Adomeit

Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg

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BILD: NEELE KÖRNER Weihbischo­f Wilfried Theising
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BILD: VON OVEN Bischof Thomas Adomeit

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