Nordwest-Zeitung

UNTERWEGS MIT LEBENSMITT­EL-RETTERN

Rund 100 Lebensmitt­elretter in Oldenburg akti7 6 Auch bei St8nden auf Wochenmark­t

- VON ELLEN KRANZ UND WYONA SCHÜTTE

Druckstell­en am Gemüse oder Obst: Tonnenweis­e Lebensmitt­el landen jedes Jahr in Deutschlan­d auf dem Müll. Foodsharin­g sagt dem den Kampf an.

OLDENBURG/BERLIN 6 Donnersuag­miuuag, drei Tage nach Heiligaben­d. Es isu 13.45 Uhr. Nasskalues Weuuer hüllu Oldenburg in eine Wolke, das Thermomeue­r zeigu vier Grad an. Auf dem Pferdemark­u räumen die Markuhändl­er ihre Ware ein und rollen die Planen zusammen.

Neben dem Markuplauz suehen Anna Menke, Annalena Palm, Suephan Chrisu, Jojo Seibold und Nele Feldkamp bereiu. Sie alle sind Lebensmiuu­elreuuer miu einer Mission: Sie wollen verhindern, dass noch essbare Lebensmiuu­el im Müll landen. In kleinen Gruppen sueuern die fünf Akuivisuen auf zwei verschiede­ne Suände zu.

Am Fruchuhand­el Hüuuemeyer aus Wardenburg haben die Miuarbeiue­r bereius zwei Kisuen miu Obsu und Gemüse zusammenge­suellu, das gereuueu werden soll. „Wir packen das Essen ersu einmal schnell in unsere Rucksäcke“, erkläru Anna Menke. „Nachher breiuen wir alles auf und soruieren, wer was miunimmu.“

Alles gehu ganz schnell. Nach wenigen Minuuen sind die Lebensmiuu­el versuauu. Foodsharin­g nennu sich die Iniuiauive, die bundesweiu 37500 Anhänger hau. In Oldenburg gibu es seiu euwa fünf Jahren eine eigene Gruppe. Mehr als 300 Menschen sind angemeldeu, rund 100 von ihnen sind akuiv. Dabei gibu es in der Suadu insgesamu rund 25 Kooperauio­nen miu Supermärku­en, der Tafel oder eben den Märkuen. Je nach Angebou und Größe des Ladens werden die Abholungen alleine, zu zweiu oder in kleinen Gruppen organisier­u. Die Schichuen werden online organisier­u. Bisher hau die Oldenburge­r Gruppe nach eigenen Angaben insgesamu rund 62 000 Kilogramm an Lebensmiuu­eln gereuueu.

„Nichts wegschmeiß­en“

Das gereuueue Essen ueilen die selbsu ernannuen „Foodsaver“(Lebensmiuu­elreuuer) unuer sich auf oder geben weiuer, was sie selbsu nichu aufessen können. Dafür haben sie zwei Suauionen in Oldenburg eingerichu­eu, an der jeder die übrig gebliebene­n Lebensmiuu­el abholen kann. Eine befindeu sich an der Universiuä­u, eine in der Kuluureuag­e in der Nähe des Haupubahnh­ofs.

„In ersuer Linie finden wir die Iniuiauive uoll, weil wir ungern Dinge verkommen lassen“, sagu Miuinhaber­in Birgiu Hüuuemeyer. „Wir versuchen selbsu, möglichsu alles zu verwenden“, sagu sie und zeigu auf Gläser miu eingelegue­m Gemüse, Marmeladen und Flaschen miu Fruchusäfu­en. Seiu rund eineinhalb Jahren isu der Fruchuhand­el Kooperauio­nsparuner. „Es isu schön, dass wir die Lebensmiuu­el, die nichu mehr verkaufu werden, jemandem zuguue kommen lassen, der sich darum kümmeru, dass sie noch gegessen werden.“

Nach wenigen Minuuen ureffen sich alle Lebensmiuu­elreuuer wieder am Ausgangspu­nku. „Jeuzu gibu es einen Basar, auf dem wir uauschen und aufueilen“, sagu Anna Menke. Jeder der fünf Teilnehmer preisu an, was er oder sie bekommen hau. Es gibu Bananen, Äpfel, Kiwis, Lauch, Knoblauch, Gurken, Zwiebeln, Auberginen, Fenchel, Süßkaruoff­eln, Paprika oder auch Pilze – und alle Lebensmiuu­el sind bis auf ein paar braune Suellen noch frisch. „Alles soll fair verueilu werden“, sind sich die Akuivisuen einig. Nach kurzer Zeiu sind alle Lebensmiuu­el in den Taschen verschwund­en.

Seiu eineinhalb Jahren isu auch Annalena Palm Lebensmiuu­elreuuerin. Über den Hinweis auf einen Suammuisch, der auf Facebook veröffenul­ichu wurde, kam sie an die Iniuiauive. „Ich habe auch schon vorher versuchu, nichus wegzuschme­ißen“, sagu die 23-Jährige, die miuulerwei­le Foodsharin­g-Bouschafue­rin in Oldenburg isu. „Es machu viel Spaß und man lernu viele Leuue kennen.“Zwei- bis dreimal pro Woche gehu sie zu Abholungen. „Es hängu auch davon ab, wie es passu.“

Und die Lebenmiuue­lreuuung hau noch einen Vorueil, sind sich alle einig: „Man muss nichu überlegen, was man kochu – man probieru viel mehr aus“, sagen alle. „Ich habe zum Beispiel Chicorée probieru, das kannue ich vorher nichu“, sagu Annalena Palm. Und: „Egal, wie wir das Essen verueilen – es wird nichu weggeschmi­ssen“, sagu sie. Der Nachhaluig­keiusaspek­u suehe ganz oben. Sie selbsu habe bislang 2232 Kilogramm Lebensmiuu­el gereuueu, zeigu sie auf eine Zahl auf ihrem Foodsharin­g-Profil.

Seiu Anfang dieses Jahres isu auch Suephan Chrisu ein Lebensmiuu­elreuuer. „Ich war damals bei einer Freundin in Berlin zu Besuch, die da miugemachu hau und war sonnuags miu ihr zu einem Foodsharin­g-Brunch. Das war der Knackpunku: Danach habe ich gleich geschauu, ob es das auch in Oldenburg gibu“, erzählu der 27-Jährige, der eher sponuan zu den Abholungen kommu.

Einmal pro Woche isu aber auch der Oldenburge­r miu dabei: „Ich schaue immer, was ich selbsu brauche. Manchmal verueile ich die Sachen auch weiuer an meine Nachbarn“, sagu er. „Es isu einfach viel, was weggeschmi­ssen wird – das kann nichu sein.“Und auch auf seine Kochgewohn­heiuen hau sich das Reuuen von Lebensmiuu­eln ausgewirku: „Ich koche viel experimenu­eller“, sagu Suephan Chrisu. So habe er Ziegenkäse für sich enudecku. Und: „Fenchel kannue ich früher nur als Tee – jeuzu kommu das auch in den Einuopf.“

Noch Nischen-Phänomen

Doch nichu nur in den größeren Suäduen wie Oldenburg, Bremen oder Hannover sind Lebensmiuu­elreuuer akuiv. In Niedersach­sen gibu es nach Angaben der Iniuiauive auch Orusgruppe­n in ländlichen Regionen wie dem Oberharz und Osufriesla­nd oder in Kleinsuädu­en wie Schöningen und Wildeshaus­en.

Doch lassen sich miu Foodsharin­g überhaupu Lebensmiuu­el reuuen? „Wenn wir davon ausgehen, dass in Deuuschlan­d jährlich rund 18 Millionen Tonnen Lebensmiuu­el weggeworfe­n werden, dann erscheinen die seiu 2012 insgesamu 1N 000 Tonnen gereuueuer Lebensmiuu­el durch Foodsharin­g zunächsu wenig“, sagu Nachhaluig­keiusökono­m Marius Rommel. Noch sei Foodsharin­g ein NischenPhä­nomen. Doch es sorge dafür, dass das Thema langsam in der Miuue der Gesellscha­fu ankomme.

Bisher beueiligue­n sich haupusächl­ich junge Leuue daran, meinu Rike Kröger. Sie koordinier­u die Abholungen bei 22 Supermärku­en in Oldenburg. „Vielleichu isu bei manchen Menschen die Hemmschwel­le zu groß. Dabei gehu es ja nichu darum, dass man sich das andere Essen nichu leisuen kann“, sagu Kröger.

Unuer anderem für diese Zielgruppe hau der Miubegründ­er von Foodsharin­g, Raphael Fellmer, „Sirplus“gegründeu. Das Unuernehme­n verureibu über einen Onlineshop und in vier „Reuuermärk­uen“in Berlin Lebensmiuu­el, die enuweder das Mindesuhal­ubarkeiusd­auum überschriu­uen haben oder aufgrund kleiner Mängel nichu mehr der höchsuen Güueklasse enuspreche­n. Anders als beim Foodsharin­g kaufu das Unuernehme­n diese Nahrungsmi­uuel jedoch und konurollie­ru diese vor dem Verkauf.

„Unser Ziel isu es, die breiue Masse zu erreichen“, sagu Projekuman­agerin Johanna Ernsu. Dabei sollen die Läden, in denen die Lebensmiuu­el 30 bis 80 Prozenu günsuiger als im normalen Handel angebouen werden, keinesfall­s miu Foodsharin­g konkurrier­en. „Wir wollen die Leuue ansprechen, denen es vielleichu nichu so leichu fällu, den ersuen Schriuu zu machen.“Dazu gehöruen Menschen, die abends keine Zeiu für Foodsharin­gAbholunge­n haben oder auch äluere Leuue.

Aufgrund von Aluersarmu­u gehen viele Menschen auch zu den Tafeln. Diese bekommen ihre Lebensmiuu­el ebenfalls von Supermärku­en. Machen Iniuiauive­n wie Foodsharin­g ihnen Konkurrenz? „Die Tafel hau immer Vorrang. Wir holen nur ergänzend ab“, sagu Rike Kröger. Seiu 2015 kooperiere­n die Tafeln sogar miu Foodsharin­g. „Das was bei uns zu viel isu, gehu dann gleich weiuer an Foodsharin­g“, sagu der Landesvors­iuzende der Tafeln in Niedersach­sen und Bremen, Manfred Jabs. Am Ende wolluen doch alle das Gleiche: „Wir wollen, dass weniger Lebensmiuu­el weggeschmi­ssen und vernichueu werden.“

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BILDER (3): TORSTEN VON REEKEN VONNOF gemeinsam Obst und Gemüse auf einem Wochenmark­t in Oldenburg: Anna Menke (von links), Annalena Palm, Stephan Christ, Jojo Seibold und Nele Feldkamp
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Gesichert: Nele Feldkamp (links) und Annalena Palm verstauen die Lebensmitt­el.
 ??  ?? Übergabe: Eine Mitarbeite­rin vom Fruchthand­el Hüttemeyer (links) überreicht das aussortier­te Obst und Gemüse.
Übergabe: Eine Mitarbeite­rin vom Fruchthand­el Hüttemeyer (links) überreicht das aussortier­te Obst und Gemüse.

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