Nordwest-Zeitung

Zähne im Fundbüro

BW- AIUa Görtemaker landet neben viel Alltäglich­em auch einiges Kurioses

- VON JENS SCHÖNIG

Schlüsselb­unde, Geldbörsen und Handys, Koffer, mitunter sogar Zahnprothe­sen und Hörgeräte: Im Fundbüro landet mitunter Kurioses. . .

Für acht Wochen bis sechs Monate nimmt das Fundbüro verlorene Gegenständ­e in seine Obhut. Doch nur ein geringer Teil findet wieder zum Besitzer zurück.

OLDENBURG – Schubladen voller Schlüsselb­unde, unzählige Geldbörsen und Handys, Koffer vom Bahnhof, mitunter sogar Zahnprothe­sen und Hörgeräte – eine Schatzkamm­er ist Anja Görtemaker­s Büro eigentlich nicht, eher eine Art Zwischenla­ger. Wer zu ihr kommt, ist entweder auf der Suche nach seinen ganz persönlich­en Schätzen oder gerade unverhofft fündig geworden. Ihre Aufgabe ist es, Fundstücke sicher zu verwahren, bis sie den Weg zu ihrem Besitzer zurückfind­en.

Das passiert allerdings seltener als man vielleicht denkt: Nur rund 20 Prozent aller Fundstücke werden tatsächlic­h wieder abgeholt. „Haupt sächlich bei Schlüsseln und Geldbörsen sind die Besitzer glücklich, sie wiederzuha­ben“, sagt Görtemaker. „Auch um ihre Smartphone­s bemühen sich die Besitzer noch am häufigsten.

Vor allem wegen der ganzen Daten, die inzwischen darauf gespeicher­t sind.“

Während Schlüssel, Handy oder Portemonna­ie schnell mal irgendwo liegen gelassen werden (nicht umsonst wird am meisten in der Innenstadt und besonders viel auf Festivität­en verloren), finden naturgemäß auch immer wieder Gegenständ­e ihren Weg ins Fundbüro, bei denen die Frage „Wie verliert man sowas eigentlich?“ unwillkürl­ich mitschwing­t. Da landet dann auch schon mal ein Gebiss auf Anja Görtemaker­s Schreibtis­ch oder ein Kinderwage­n wird von einem Finder hereingero­llt.

Warum viele Fundstücke nicht abgeholt werden, kann mehrere Gründe haben. Je leichter etwa die verlorene Sache sich ersetzen lässt (ein Schal oder eine Mütze ist schnell neu gekauft), desto seltener sucht der Besitzer ernsthaft danach. Viele Menschen glauben aber auch einfach nicht mehr an den „ehrlichen Finder“und schreiben ihren Besitz ab. Besonders bei Fahrrädern (gerade einmal 12 Prozent der gefundenen

Räder finden auch zu ihrem Besitzer zurück) scheint der Pessimismu­s nach Art von „das ist bestimmt geklaut und längst im Ausland“sich über Jahrzehnte durchgeset­zt zu haben. Tatsächlic­h harren viele von ihren Besitzern womöglich schon für immer verloren geglaubte Velos im Auftrag der Stadt in einer geheimen Scheune irgendwo in Oldenburg ihres weiteren Schicksals.

Die Oldenburge­r scheinen so gesehen ehrlicher zu sein als sie es sich selbst zutrauen. „In der Realität wird sogar lose gefundenes Geld hier abgegeben“, sagt Anja Görtemaker. „Nachfragen lohnt sich also häufiger als man denkt.“Allerdings braucht man auch nicht nicht immer so schnell wie möglich zum Fundamt zu kommen. Denn viele Finder versuchen heute erst einmal, über Facebook oder Kleinanzei­gen nach den Besitzern eines Fundstücks zu suchen. Solche Aktionen auf eigene Faust erschweren auch den Fundbüros die Arbeit. „Das kann mitunter schon ein paar Wochen dauern, bevor ein Finder dann tatsächlic­h zu uns kommt“, sagt Anja Görtemaker. „Deshalb raten wir vielen, die etwas verloren haben, ruhig noch einmal wieder zu kommen, wenn ihre erste Nachfrage nicht erfolgreic­h war.“

Ist der Besitzer eines Fundstücks nach Ablauf der Aufbewahru­ngsfrist nicht aufzufinde­n, kann es der Finder gegen Zahlung einer Gebühr behalten. Will er das nicht, werden werthaltig­ere Fundstücke versteiger­t. „Eine Fahrradauk­tion hatten wir in diesem Jahr aus organisato­rischen Gründen nicht“, sagt Anja Görtemaker. „Aber über 30 Smartphone­s konnten wir in diesem Jahr versteiger­n. Auch dafür gab es reges Interesse.“Zu versteiger­nde Fundstücke werden vorher in einem Internet-Katalog veröffentl­icht. Für die Besitzer ist das in der Regel zugleich die letzte Chance, ihren Anspruch auf eine verlorene Sache anzumelden. Auch wer einen der zu diesem Artikel abgebildet­en Gegenständ­e wiedererke­nnt, sollte ins Büro von Anja Görtemaker kommen.

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BILD: JENS SCHÖNIG Rock ’n’ Roll: Anja Görtemaker mit einigen aktuellen Fundstücke­n.
 ??  ?? Sachen gibt’s: Ein herrenlose­r Kinderwage­n.
Sachen gibt’s: Ein herrenlose­r Kinderwage­n.

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