Streit um Arbeitszeit von Lehrern
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zeigt sich empört – Kultusminister Tonne lenkt ein
3rbeiten Lehrer zu wenig? Diesen Eindruck hatte der Minister im Landtag erweckt, rudert nun aber zurück.
HANNOVER – Laura Pooth ist eigentlich ein besonnener Typ. Eigentlich. Wird die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in diesen Tagen aber auf den niedersächsischen Kultusminister Grant Hendrik Tonne angesprochen, nimmt das Gesicht der Frau, die sich gern in Rot kleidet, selbige Farbe an.
Der Grund: Im Landtag hatte der oberste Dienstherr der Lehrer im Land Mitte Dezember bereits klargestellt, dass Grundschullehrer nicht mit der von der Gewerkschaft geforderten Absenkung der Unterrichtsverpflichtung von 28 auf 27 Wochenstunden rechnen können. Den Zorn der GEW-Vorsitzenden Pooth und etlicher Grundschullehrer in Niedersachsen zog Tonne sich überdies mit der Feststellung zu, dass normale Grundschullehrer ihre Unterrichtszeit statistisch sogar leicht unterschreiten würden. Hintergrund ist eine Arbeitszeitanalyse einer vom Ministerium eingesetzten Expertenkommission, die Grundschullehrern zwar eine wöchentliche Mehrarbeit von neun Minuten attestiert. Wenn man die Schulleiter herausrechne, komme man allerdings auf ein wöchentliches Minus von 26 Minuten. Die Kommission hatte dennoch die Senkung der Unterrichtsverpflichtung empfohlen. Tonne setzt stattdessen darauf, unterrichtsferne Tätigkeiten zu reduzieren.
Nicht nur Laura Pooth kritisiert die Festlegung des Ministers, noch bevor der für Anfang des Jahres geplante Runde Tisch mit Gewerkschaften und Kultusministerium das erste Mal getagt hat. Auch in den Grundschulen rumort es gewaltig. So beklagt der Personalrat der Grundschule Rostrup (Bad Zwischenahn/ Kreis Ammerland) in einem Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt: „Die Äußerungen des Ministers können wir nur als grobe und fahrlässige Unverschämtheit eines fürsorgepflichtigen Dienstherrn sehen.“Seit etwa 50 Jahren arbeiteten Grundschullehrer mit dem gleichen Stundendeputat. „Nehmen Sie endlich Geld in die Hand für die Zukunft unserer Gesellschaft, für die Bildung unserer Kinder und stärken Sie die Menschen, die Tag für Tag für die Kinder in der Grundschule arbeiten“, fordert der Personalrat der Grundschule Rostrup. Und GEW-Chefin Pooth fügt hinzu: „Das hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun. Es kann bei unserer Forderung nach der Absenkung der Unterrichtsverpflichtung für Grundschullehrkräfte nicht um das Ob, sondern nur um das Wann gehen.“
Minister Tonne hatte mit einer solchen Welle der Empörung offenbar nicht gerechnet und lenkt ein: „Ich bedauere die derzeitige öffentliche Debatte über eine vermeintlich zu geringe Arbeitszeit von Lehrkräften. Ich mache mir diese Debatte ausdrücklich nicht zu eigen und habe das auch nicht behauptet. Es wäre auch schlicht falsch. Für mich als Dienstherrn ist der damit suggerierte Eindruck, es gäbe Zweifel an der herausragenden Leistung der Lehrkräfte, sehr bedauerlich.“
Die Fakten zeigten vielmehr, dass es nötig sei, einen Dreiklang umzusetzen aus besserer Bezahlung, Entlastung im Alltag und Verbesserungen bei der Arbeitszeit. Gemeinsam sei mit der GEW auch bereits einiges in diese Richtung umgesetzt worden, zum Beispiel die höhere Bezahlung der Leitung kleiner Grundschulen und erste Entlastungen bei Verwaltungsaufgaben.
„Gemeinsam werden wir darüber beraten, in welcher Abfolge Lehrkräfte entlastet werden können“, kündigt der SPD-Politiker gegenüber dieser Zeitung an und stellt ausdrücklich klar: „Frau Pooth hat recht mit ihrer Forderung, Lehrkräfte umfassend entlasten zu müssen. Damit weiß sie mich an ihrer Seite.“Die Gesichtszüge von Laura Pooth dürften sich da bereits merklich entspannen.