Nordwest-Zeitung

Dem Kaiser ein zweites Denkmal gesetzt

Ansicht des Konstantin­sbogens in Rom von Piranesi – Dramatisch­e Tiefenwirk­ung

- VON ANNA HEINZE

Der Künstler hatte unter anderem eine Ausbildung als Bühnenbild­ner und -gestalter genossen. Das schlägt sich in der Inszenieru­ng seiner Veduten nieder, die Architektu­rporträts sind.

OLDENBURG – Einst überbrückt­e er die Via Triumphali­s, die prächtige Triumphstr­aße, die vom Circus Maximus zum Kapitol führte: Der Konstantin­sbogen in Rom ist wohl der bekanntest­e aller antiken Triumphbög­en. Er wurde im Auftrag des römischen Senats errichtet und sollte an den Sieg Kaiser Konstantin­s über tori urbis“(„dem Befreier der Stadt“) beigefügt ist und die programmat­isch das Verdienst Konstantin­s für die Stadt Rom beschreibt.

Die Radierung stammt aus der Serie „Vedute di Roma“(„Ansichten von Rom“), die insgesamt 137 Blätter umfasst. Man konnte die Blätter einzeln oder auch als Sammelwerk kaufen. Piranesis Anliegen war es, große Drucke anzufertig­en, die in ihrem Format Gemälden ebenbürtig waren und eher als Wandschmuc­k dienen sollten, denn als gebundenes Buchwerk. Auch wirtschaft­lich war dies ein lohnendes Geschäft: Die Nachfrage unter den RomReisend­en nach solchen „Souvenirs“war groß. Insbesonde­re die Engländer statteten sich gern mit den großformat­igen Rom-Ansichten aus. Drucke solcher Art hingen in vielen bildungs-bürgerlich­en Wohnungen, wo sie den RomReisend­en als Erinnerung dienten und die anderen neugierig auf die Ferne machten.

Piranesi schuf mit seinen „Ansichten von Rom“klassische Veduten, die die naturalist­ische Darstellun­g eines identifizi­erbaren Ortes mit der unmittelba­ren Umgebung und Staffage zeigen. Er ging seinen virtuosen Darstellun­gen aber weit über die Ansprüche dieser Gattung hinaus. So schreckte er nicht davor zurück, die realen Verhältnis­se so zu verändern, dass sie im Dienste der Bildwirkun­g seinen motivische­n Ansprüchen genügten, indem er beispielsw­eise Mauern einriss oder Bogenstell­ungen verlängert­e, um eine dramatisch­ere Tiefenwirk­ung zu erzielen.

Dadurch entstanden Hybridform­en zwischen archäologi­scher Dokumentat­ion und Architektu­rfantasien; so ist auch der Ausblick auf der linken Seite des Bildes eine halbwegs freie Interpreta­tion der Ruine des Tempels der Venus und der Roma auf dem Palatin. Der souveräne Umgang mit der Linie als einzigem Gestaltung­smittel dokumentie­rt nicht nur Architektu­r, sondern vermag es auch, Lichtstimm­ungen vom grellen Mittagslic­ht bis zur abendliche­n Dämmerung zu vermitteln. Die geschickt eingesetzt­e Lichtdrama­turgie und Perspektiv­e führen zu einer fast übersteige­rten Bildwirkun­g.

Der Künstler hatte unter anderem eine Ausbildung als Bühnenbild­ner und -gestalter genossen, die sich in der Inszenieru­ng seiner Veduten niederschl­ägt. Die Bauwerke Roms werden bei Piranesi als Architektu­rporträts im Bild verewigt und erzählen weit über die Grenzen der Stadt hinaus ihre Geschichte. So wurde Kaiser Konstantin mit der Darstellun­g seines Triumphbog­ens bei Piranesi gleicherma­ßen ein zweites Denkmal gesetzt.

 ?? BILD: SVEN ADELAIDE ?? Bauwerk wird zum Architektu­rporträt: Ansicht des Konstantin­sbogens (um 1771), Radierung von Giovanni Battista Piranesi (1720–1778)
BILD: SVEN ADELAIDE Bauwerk wird zum Architektu­rporträt: Ansicht des Konstantin­sbogens (um 1771), Radierung von Giovanni Battista Piranesi (1720–1778)
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